15. Bender und Schoenberner

Von Lnpoe

Zuerst Bender:

Der tote Gefangene.
Geschoren,
entkleidet,
auf den Schlitten,
tief im Schnee
nacktgebunden
mit zwei Schnüren.
Ein Hungernder zieht,
ein Spitzel schiebt,
ein Priester,
ohne Kreuz,
im Spurgeleis der Kufen.

Dann Schoenberner:

… Gierig kauend
gingen in Auschwitz
die nackten Gefangenen
die Gewehrläufe im Rücken
an die Schwarze Wand

Oder:

Grabinschrift / Gestorben in Nicaragua / im Winter 89 / an einer Kugel aus USA

Beide haben diesen konstatierenden Stil. Beide tendieren zur Idylle. Die muss kein bisschen entspannt oder selig sein. Es ist bei beiden eher eine Idylle des Grauens.

Bei Bender ist es ein in seinem Jahrhundert frierendes Ich. Bei Schoenberner ist es der andauernde tödliche Umstand der Zeitgeschichte. Wenn Hans Bender im D-Zug durch Südbaden fährt und draußen ein Haseforthoppelt im grünen Feld / aus Angst, dann steht bei Schoenberner: Und ich mit meiner keltischen Angst: / Der Himmel, der blaue, stürzt über uns ein.

(…)

Es ist kein härterer, kein genauerer Geschichtsunterricht denkbar als der, der so krass unterschiedlich in diesen Gedichten stattfindet. Das deutsche 20. Jahrhundert zweimal in »präziser, illusionsloser Klarheit«. Bei Bender erscheint Der Schulkamerad, jetzt ein alter Mann im Garten, aber: Trug er nicht / die schwarze Uniform / mit Orden. Runen / und dem Totenkopf? / Er reckt sich, / lächelt, / weil er mich / erkennt. / Und ich, der / sich erinnert / hebe schwer / die Hand / zum Gruß.

Gerhard Schoenberner im Kapitel Kein Frieden:

Was sie den Wehrlosen antaten / sollen sie erfahren, eins nach dem anderen / ohne Ausnahme, bis sie verrecken …

/ Martin Walser, Die Zeit

BENDER, Hans
O Abendstunde
Ausgewählte Gedichte, mit einem Nachwort von Arnold Stadler.
2011. 40 Seiten. Format 14 x 23 cm. Fadenheftung, broschiert.
1. Auflage dieser Ausgbe in 300 Exemplaren
ISBN: 943148-03-9. EURO 12,–

Gerhard Schoenberner
FAZIT
Prosagedichte
Literaturbibliothek
Hardcover
ISBN 3-88619-488-9