Köhler komponiert rhythmisch, verschiebt kleinste Bedeutungsträger. In “Neufundland” kommen Meret Oppenheim, Gertrude Stein und Elizabeth Bishop zu Wort, deren Gedichte sie übersetzt hat. In einem Porträt der mittelalterlichen Mystikerin Mechthild von Magdeburg ist vom “tanz der stimme jenseits von feststellungen” die Rede. “Sprache in eine liquide Form” zu bringen, gelingt ihr sowohl in einer virtuosen Betrachtung von Hase und Igel aus dem Grimmschen Märchen als auch im kafkaesken “Berliner Zimmer” oder unterwegs zum Londoner “End of the World”. Im vierten Gesang der “Odyssee” hat sie eine Gestalt entdeckt, die in der Fassung Homers seltsam stumm geblieben ist: Eidothea, die Bildergöttin. Aus der fein gewebten kanadischen Reisetextur “Neufundland” geht einem das Bild eines Jungen nicht aus dem Sinn, der am Highway steht und den Vorbeifahrenden ein Pappschild mit dem Wort “home” entgegenhält. Weiß denn niemand, wo das liegt? / Dorothea von Törne, Die Welt
Barbara Köhler Neufundland. Edition Korrespondenzen, Wien. 257 S., mit CD, 24 Euro.