Zum Jubiläumsjahr 650 Jahre Universität Wien (1365-2015) gab es auf dem Blog der Universität Wien eine besondere Lektüre: Monat für Monat eine Geschichte über eine fiktive Studentin bzw. einen fiktiven Studenten aus den vergangenen Jahrhunderten der Uni Wien.
Inzwischen sind diese Beiträge, ergänzt um einen im Jahr 2065 spielenden, als Buch veröffentlicht: „1365 – 2015 – 2065. Etwas andere Geschichten der Universität Wien“.
1388: Johann kommt aus Halberstadt nach Wien
Es beginnt mit „Johann“, einem Studenten der Sieben Freien Künste an der „hoen schuel“ zu Wien, im Februar 1388: Er stammt aus Halberstadt und wurde vom dortigen Bischof, bei dem seine Mutter als Haushälterin arbeitet und der ein ihm unerklärliches Wohlwollen ihm gegenüber an den Tag legt (grins), für ein Studium an der neu gegründeten Uni Wien ausersehen. Immerhin hatte Johann schon als Kind eine besondere Begabung für Latein gezeigt. Nach wochenlanger Wanderung ist er in Wien angekommen, wird von den Torwachen überaus streng behandelt (weshalb er die Stadt auch so bald nicht mehr verlassen will) und schwitzt jetzt über lateinischen Texten.
Die nächste Geschichte versetzt uns in die Zeit des Humanismus, wo der „Bummelstudent“ Ulrich sich 1461 nicht zum Arbeiten entschließen kann.
Februar 1524 geht es mit dem „angehenden medicus“ Martin weiter, 1673 mit Albrecht, usw.
1939: der Urgeschichtestudent Heinrich
Rund die Hälfte des Buches nimmt das 20. Jahrhundert ein. Da gibt es z. B. den Urgeschichtestudenten Heinrich, der 1939 mit einem nationalsozialistischen Professor eine Exkursion macht und gar nicht richtig begreift, was da an politischen Untaten von seinem Professor (der kurzzeitig NS-Minister war und für die Entlassung sämtlicher jüdischer Professoren verantwortlich zeichnete) angerichtet wurde.
Ende Mai 1945 wundert sich der Student Wilhelm, warum das Fach „Volkskunde“, das er studieren will, plötzlich nicht mehr angeboten wird.
Studieren im Jahr 2065
Und wie wird es 2065 sein? Winona studiert an der „Neuen Universität Wien“ eher wie eine heutige Fernstudentin. Nur zu wichtigen Universitäts-Anlässen wie dem Abschlussfest fährt sie von ihrem Heimatort wirklich nach Wien. Alles andere wird per Datenhelm nur noch digital erledigt. Sie erinnert sich aber leicht amüsiert an eine vor kurzem geschehene kleine Revolte unter den Studenten, die die Digitalisierung des Studiums aushebeln wollten, indem sie nur noch gedruckte Texte lasen. Eine kurzlebige Renaissance des papierenen Buches…
Das kleine Bändchen gibt einen netten Einblick in die Geschichte und den Alltag der Universität Wien während ihres 650jährigen Bestehens. Einige Schwarzweißabbildungen ergänzen den Text.
Die Geschichten sind keine literarischen Meisterwerke, aber darüber wird der interessierte Leser wohlwollend hinwegsehen.
1365 – 2015 – 2065. Etwas andere Geschichten der Universität Wien. Hg. v. Marianne Klemun u.a. Böhlau, Wien u.a., 2015. 170 Seiten.
Bild: Wolfgang Krisai: Schriftliches Examen. Füllfeder, 2015.