In der „Literarischen Welt“ erlaubte sich Willy Haas im Oktober 1928 eine bissige Bemerkung über politisierende Literatensnobs. So einer, meinte Haas, nehme sich gern wichtiger als die ganze Moderne. Becher halte seine Gedichte sogar für schöner als Goethes schönste Verse. „Das war mein Bestes“ war eins von ihnen, und es beschrieb das Beste so: „Daß Schulter an Schulter ich mitschritt / Im Marschschritt der Arbeiterheere, / Daß meinen Herzschlag / Gleichtakt der Herzen-Millionen trug, / Herzwelle einer heiligen Herzflut…“ Bis Becher 1953 eine Totenklage auf Stalin anstimmte, mußte einiges geschehen. In Moskau hatte er selber vor dem Großen Terror gezittert. Als Stalin gestorben war, griff er trotzdem in die Harfe. Seine „Danksagung“ ist so verkitscht, daß der Verdacht auf Ironie aufkommt. Doch darum handelt es sich nicht. In der sechsten Strophe triumphiert die Trauer inniglich. Stalin schreitet durch deutsche Lande und wird gepriesen: „Dort wirst Du, Stalin, stehn, in voller Blüte / Der Apfelbäume an dem Bodensee, / Und durch den Schwarzwald wandert seine Güte, / Und winkt zu sich heran ein scheues Reh…“Nein, lyrische Höhen erklimmt Johannes R. Becher wahrlich nicht. Ein besseres, ein ganz anderes Gedicht von ihm hat gerade Günter Kunert in der „Frankfurter Anthologie“ vorgestellt. Es heißt „Walt Disney“, und die erste Strophe lautet: „Die Dinge auferstehn aus ihrem Schweigen, / Als wären sie zu lange schon verdingt. / Und das geringste Ding auch schwingt und singt, / Tanzt mit in einem wunderreichen Reigen.“Die verblüffende Mixtur aus Rilke und Ringelnatz enthält genug vom Dichter Becher, um ihn als Mann der Sprache auszuweisen. / Jost Nolte, Die Welt, verreißt die Becherbiografie von Jens-Fietje Dwars