Weizman flucht. Und dies bereits am frühen Morgen. Er ist über sich und die dem Mund entfliehenden Worte überrascht. Er lässt sich gehen. Davon ist er überzeugt.
Das ist der Anfang vom Ende, denkt Weizman.
Sein Kollege Rohm ist verreist. Weizman soll sich um dessen Weblog „Aus der Pathologie“ kümmern. Schon wieder. Weizman hasst diese Aufgabe, die ihm unlösbar erscheint. Worüber soll er nur schreiben?
„Binde deinen Erinnerungen, Träume und Erfahrungen ein“, sagte Rohm zu ihm.
Weizman überlegt. Er könnte über seinen Traum schreiben.
Nein, denkt er. Reinste Pornografie.
Worüber also dann schreiben? Über Politik? Weizman hat von Politik keine Ahnung. Über Bücher? Er würde einen Roman von Chandler empfehlen. Dann wäre auch das Thema erschöpft. Soll er etwa über sich schreiben? Über Weizman?
Nein!
Weizman wendet sich entrüstet von der Tastatur ab. Niemals!
Weizman lauscht. Seine Frau schläft noch. Er muss ein Thema finden. Vor einigen Tagen ist ihm diese Angelegenheit schon einmal zwischen den Fingern zerronnen. Heute muss er einen Beitrag hinterlassen. Das hat etwas mit Selbstachtung zu tun. Immerhin ist er Autor. Verflucht! Er ist ein Schriftsteller! Eine solche Berufsbezeichnung verpflichtet.
Weizman sieht sich um. Er greift nach Anna Karina. Er könnte sich ein paar Zeilen leihen. Weizman blickt sich verstohlen um. Er blättert in dem Buch. Findet keine angemessene Stelle. Er legt die Ausgabe auf den Tisch neben sich. Er schämt sich ein wenig.
Er hätte Rohm nie etwas versprechen dürfen. Nun sitzt er hier. Ein Gefangener der eigenen Unfähigkeit.
Er MUSS etwas schreiben. Egal was! Also fängt er an zu tippen. Er lehnt sich zurück.
Das gefällt mir, denkt Weizman.
Er veröffentlicht den Artikel. Ist nur ein Satz mit vier Worten und einem Ausrufezeichen am Ende.
Das reicht für heute, denkt er.
Weizman schnappt sich Karenina und zieht sich auf die Toilette zurück. Dort sitzt er und liest. Denkt über das Geschriebene nach. Er hätte das nicht schreiben dürfen. Auf keinen Fall. Rohm wird ihn für diesen einen Satz lynchen.
Weizman hebt die Schultern.
Online ist online, denkt er. Was soll ich da machen?
Er konzentriert sich auf sein großes Geschäft. Den Literaturquark hat er für diesen Tag hinter sich gebracht.
Und morgen? Was schreibe ich morgen?
Weizman hält für einen Augenblick inne. Dann zieht er weiter an der Papierrolle.
Mir wird schon etwas einfallen, denkt er.