123. Ein guter Tag für die Lobby

Von Lnpoe

Die deutschen Zeitungsverleger sind ihrem Ziel, Information zu monopolisieren, durch das nun drohende Leistungsschutzrecht einen Schritt näher gekommen. Die Politik ist vor der Lobbymacht der Medien in die Knie gegangen. Wir verzichten heute auf unsere Presseschau, um diesen Einschnitt in der Geschichte der freien Öffentlichkeit in Deutschland ausführlich zu würdigen.

Aus Solidarität mit Google? Nein, sondern weil man den Propagandaartikeln der Presse etwas entgegensetzen muss. Nein, sondern weil Informationen im Internet per Link zirkulieren und weil nicht einzusehen ist, dass bestimmte Akteure der Informationsgesellschaft diesen Strom auf die eigenen Äcker umleiten können. Journalisten beziehen einen riesigen Teil ihrer Informationen aus dem Internet – natürlich über Google, aber auch über Blogs, den Perlentaucher oder soziale Medien: Was zahlen sie denn dafür? (…)

Der Jubel der Medien über das Leistungsschutzrecht offenbart zugleich ihren Funktionsverlust als Träger der freien Öffentlichkeit. Journalisten hatten nicht den Mut, sich gegen diesen Angriff auf die Öffentlichkeit zu wehren. Im Gegenteil: Heroen der freien Meinung wie Heribert Prantl sprachen von “journalistischem Eigentum”, das möglichst zu schützen wäre. Herolde der Liberalität wie Rainer Hank möchten an jeder Ecke, wo “geistiges Eigentum” gefährdet ist, einen Polizisten aufstellen.

Darum ist der Titel des heutigen FAZ-Kommentars zum Leistungsschutzrecht der Gipfel des leserverarschenden Zynismus: Von einem “guten Tag für die Freiheit” spricht Reinhard Müller da. (…)

Wir fürchten, demnächst ist die Zeit reif für einen Nachruf. Das Internet war erfunden worden von den schon genannten Programmieren und Pionieren wie Jimmy Wales. Aber es ist von allen Seiten umstellt: Es haben sich neue Konzerne an dieser öffentlichen Struktur gemästet, die nun drohen, sie zu ersticken. Sie heißen nicht nur Google, sondern auch Apple, Amazon und Facebook. Und die alten Medienkonzerne unterbrechen den freien Fluss der Informationen, der Bildung und Erbauung durch immer neue Fristverlängerungen auf Urheberrechte, durch Leistungsschutzrechte, durch Fristverlängerungen auf Leistungsschutzrechte bei Musik, durch Three-Strikes-Regelungen, durch präventive Überwachung der Bürger, die von Journalisten selbst befürwortet wird, durch Unterminierung von Open Access und alle möglichen anderen Maßnahmen.

Titel des Nachrufs: “Das Internet war eine Episode der Freiheit”.

Thierry Chervel, Anja Seeliger / Perlentaucher