122. Kuhlbrodts Sehnsuchtsbücher

Im jungen Leipziger Verlag Reinecke & Voss sind zuletzt einige Bücher erschienen, ohne die ich nicht mehr leben möchte. Das klingt pathetisch, ist aber so. Denn es handelt sich um Bücher, die geradezu wie für mich gemacht scheinen, weil sie so etwas wie eine Sehnsuchtslücke in meiner Lektüreliste füllen. Sie lassen mich verstehen, weshalb Sprache, bei alle politischen Verwerfungen und diktatorischen Transformationen immer noch etwas ist, worin man sich verlieren kann, einerseits in eine Vorstellung von Sprache selbst und andererseits in eine konkrete, ständig bedrohte Sprache, wie das Wendisch oder Sorbisch eine ist. …

Die Begegnung mit Buchmanns Texten, die mir nun der Verlag Reinecke & Voss bescherte, sind dazu geeignet mein Wissenschafts- und Weltbild auf den Kopf zu stellen. (sic!) . Nicht der Gebrauch lässt mich die Dinge erkennen. Das sprechende Tier wird sich der Schönheit der Sprache bewusst, indem er sie betrachtet. Der Philologe als solcher ist Müßiggänger, so scheint es. Und aus seinem Müßiggang heraus entstehen ihm Sätze über den Gegenstand, den er liebt, über die Sprache. In Buchmanns  „Grammatik der Sprachen von Babel“ wird die Sprache nicht, wie sonst üblich, in ein nationalsprachliches Korsett gepresst, und auch nicht als Phänomen, dass sich mehr oder weniger organisch durch die Zeiten hindurch zu einer Nationalsprache geformt hat, dass gleichsam der natürliche Ausdruck eines Kulturraums ist.

Sprache erscheint dem Leser auch nicht als Referenz irgendeines Vorsprachlichen. Natürlich rennt man mit derlei Gedanken bei Strukturalisten, Poststrukturalisten und Postpoststrukturalisten offene Türen ein, aber die Art in der das geschieht ist an Eleganz nicht zu überbieten. Und Eleganz hat einen Erkenntniswert, wie Schönheit die Wahrheit erst ins Licht rückt.

Im zweiten hier angeführten Text geht Buchmann einem Schritt weiter, in dem er eine real existierende Sprache, das Sorbisch oder Wendisch aus einem Zustand doppelter Bedrohung begreift. Einerseits durch  die erdrückende Übermacht des Amtsdeutsch und andererseits durch die paternalistischen Rettungsversuche der Mehrheitsgesellschaft, die sich genau jener amtsdeutschen Wendungen bedient.
Und so scheint es fast wie ein Wunder, dass die Wendische Sprache über die Jahrhunderte fortexistierte, in denen ihr Sprachraum selbst immer kleiner wurde, und, weil sich unter einem Großteil  des wendischen Siedlungsgebietes Braunkohlelagerstädten befinden, auch abgegraben. Was nach der Flutung der Tagebaugebiete zu Vogelschutzinseln und Heimatmuseen mit Artefakten der sorbischen Kultur führte. / Jan Kuhlbrodt, Fixpoetry

Jürgen Buchmann:
Encheiridion Vandalicum oder Das Buch von den Wenden. 76 Seiten, 10 Euro. ISBN: 978-3-942901-02-4

Grammatik der Sprachen von Babel 96 Seiten, 9,95 Euro. ISBN: 978-3-9813470-1-2
Reinecke und Voß, Leipzig 2011/2012



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