In seiner «Fußnote zu Rom» brauchte der Dichter Günter Eich einst nur wenige Zeilen, um sich von der monumentalen Kultur-Zumutung der abendländischen Gründungsmetropole zu verabschieden: «Ich werfe keine Münzen in den Brunnen, / ich will nicht wieder kommen. // Zuviel Abendland, / verdächtig.» Angesichts der traditionsschweren Ruinen-Architektur erwachte in Eich ein «Lachreiz vor Säulen». Der Dichter Durs Grünbein dagegen wird erkennbar von Ehrfurcht befallen, wenn er in den Gedichten und Prosaskizzen seines neuen Bandes «Aroma» seine Begegnung mit dem «Knotenpunkt kollektiver Memoria in der Geschichte Europas» vergegenwärtigt. Diese Ehrfurcht verwundert nicht bei einem Autor, der seit vielen Jahren seine «antiken Dispositionen» betont und in gewissem Bildungsstolz bekennt, seine «wichtigste Schreiblektion» den römischen Klassikern zu verdanken.
Welche ästhetischen Folgen es haben kann, wenn man sich im Bannkreis der Kulturmetropole allzu verehrungsbereit einrichtet, belegen auf eher unerfreuliche Weise die Gedichte in «Aroma», die hier als Ertrag des branchenüblichen Villa Massimo-Stipendiums versammelt sind. / Michael Braun / Literaturen / Seite 79 / 6 2010, bei kultiversum
Durs Grünbein Aroma. Ein römisches Zeichenbuch
Suhrkamp Verlag, Berlin 2010. 186 S., 19,90 €