12 Years a Slave

Erstellt am 15. Januar 2014 von Pressplay Magazin @pressplayAT

Kino

Veröffentlicht am 15. Januar 2014 | von Martina Zerovnik

Wertung

Summary: eine erschütternde Geschichte nach einer wahren Begebenheit, mit einem klaren Blick, herausragend inszeniert und großartig gespielt

4.5

Drama


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Es gibt Geschichten, die fassungs- und sprachlos machen, die so genannten Geschichten, die das Leben schreibt. Kino à la Hollywood setzt dem mit Reiz und Rührung gerne eins drauf. Der britische Regisseur Steve McQueen (Hunger, Shame) war bisher allerdings nicht für diesen Stil bekannt. Doch sein neuester Film trägt genau diesen Zug und ist zugleich doch so anders.

12 Years a Slave erzählt das Schicksal von Solomon Northrup, der es selbst im Jahre 1853 in Form eines autobiographischen Romans veröffentlichte. Er schildert, wie er als freier Mann in New York lebte, 1843 in die Südstaaten verschleppt und dort als Sklave verkauft wurde. Solomon Northrup (Chiwetel Ejiofor) lebt in der Nähe von New York, bis er eines Tages von zwei Männern das Angebot erhält, für eine beachtliche Gage als Geiger in einem Circus aufzutreten. Er begleitet die Männer nach Washington, wo er sich, von ihnen betäubt, am nächsten Tag in Ketten wiederfindet. Auf seinen Protest antworten die Sklavenhändler mit Gewalt und schiffen ihn mit anderen Gefangenen nach Süden ein. In New Orleans erhält er den Namen Patt und wird an William Ford (Benedict Cumberbatch), den Besitzer einer Baumwollplantage, verkauft. Nach einem Zwischenfall verkauft ihn dieser an Edwin Epps (Michael Fassbender).

Das Schauspielaufgebot, das McQueen einsetzt, ist beachtlich und bietet bis in die Nebenrollen hervorragende Leistungen. Besonders eindrucksvoll ist Chiwetel Ejiofor, dessen Emotionen – allen voran Angst – in seinem Gesicht zu lesen sind, die er aber nie überhandnehmen lässt. Northrup bricht nicht und hält trotz aller Erniedrigungen an der Würde fest, die er als freier Mann trägt. Er ist Tischler, spielt Geige, kann lesen und schreiben. Mit dem Recht auf Rückkehr zu seiner Familie hat er eine Perspektive, die er auch durch die Erniedrigungen, die er erleiden muss, nicht verliert. Anpassung und Geduld sind Stärken, die ihn die Welt aus Tod und Verzweiflung nicht anerkennen und stattdessen das Leben wählen lassen. Diese Haltung hebt ihn aus der Masse an Sklaven hervor und bringt ihm sowohl Anerkennung als auch Irritation ein.

Herausragend sind auch Benedict Cumberbatch und Michael Fassbender, die ihren Charakteren überzeugende Eigenheiten geben. Die scheinbare Gegensätzlichkeit zwischen dem religiös-sensiblen, aber konfliktscheuen Patriarchen (Cumberbatch) und dem kranken, gewalttätigen Sadisten (Fassbender) verdeutlicht, dass Sklaverei zwar unterschiedliche Schattierungen aufwies, aber in letzter Konsequenz auf einem menschenverachtenden Denken beruht, das einem Teil der Menschheit jegliche Rechte und Würde absprach. Steve McQueen macht etwas, das anderen Filmen über die Sklaverei bisher noch nicht in dieser Deutlichkeit gelungen ist: Er zeigt die Sklaverei als ein System und erzeugt einen Handlungsraum, der von seinen Protagonisten gespeist wird. Gut und Böse werden nicht durch die Inszenierung, sondern die Handlung sichtbar. Es scheitert nicht allein am System, in letzter Konsequenz versagen die Menschen.

McQueen unterstreicht Niederträchtigkeit nicht mit Sentimentalität, sondern zeigt sie in einer Deutlichkeit und Intensität, die über dem Gewohnten liegen. Die klaren Bilder des Kameramanns Sean Bobbit betten die Tragödie in eine betörende Landschaft und schrecken in Nahaufnahmen vor keinem Seelenabgrund und keiner offenen Wunde zurück. Die Schönheit der Landschaft und die Grausamkeit der Menschen ist etwas, dass einen fassungslosen wie trostlosen Kontrast erzeugt.

Die Objektivität, mit der McQueen seine Bilder sprechen lässt, offenbart ein vielschichtiges System, das nicht nur von Grausamkeit und Repression lebt, sondern auch von Handlungen, die unterlassen werden. So hat Ford die Wahl, Northrup seine Freiheit zurückzugeben, doch er verkauft ihn an einen Tyrannen. Es ist bezeichnend, dass es schließlich jemand von außen ist, der Northrup hilft. Der Zimmermann Bass (Brad Pitt) kommt aus Kanada und ist Abolitionist, der es als seine Pflicht als Mensch einem anderen freien Menschen gegenüber betrachtet. Das Drehbuch von John Ridley spart nicht mit solch plakativen Dialogen, die manchmal in der Art und Weise, wie sie etwas auf den Punkt bringen, aber auch sehr präzise sein können.

12 Years a Slave ist beeindruckendes Schauspiel und großartige Inszenierung, die nicht in Klischees stecken bleibt und den einzelnen Menschen wieder zur Verantwortung zieht. Am Ende entschuldigt sich Northrup (!) bei seiner Familie, die ihm mit „Es gibt nichts zu vergeben“ antwortet. Das kann gar nicht anders als wehtun.

Regie: Steve McQueen, Drehbuch: John Ridley
Darsteller: Chiwetel Ejiofor, Benedict Cumberbatch, Michael Fassbender, Brad Pitt, Paul Dano
Laufzeit: 134 Minuten, Kinostart: 17.01.2014, www.12yearsaslave.de

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Über den Autor

Martina Zerovnik Aufgabenbereich selbst definiert als: Filmleserin. Lächelt über “Oh diese Technik [Film] ist sehr entwicklungsfähig, fast reif zur Kunst” (Döblin).