Er brachte den Deutschen bei, über sich selbst zu lachen: Loriot. Dabei beginnt die Lebensgeschichte des begnadeten Humoristen alles andere als lustig. Geboren wird Loriot in Brandenburg an der Havel als Bernhard-Viktor Christoph-Carl von Bülow. Bald darauf lassen sich die Eltern scheiden, wiederum wenig später stirbt die Mutter. Der Vater, ein preußischer Offizier, heiratet erneut. Damit ist dann doch noch der Boden für eine einigermaßen behütete Kindheit und Jugend bereitet. Viktor offenbart früh ein zeichnerisches und mimisches Talent. In den pedantischen Drill der militärischen Familientradition, der auch Loriots Arbeitsweise prägen wird, mischt sich die musische Veranlagung seiner Ahnen (Hans von Bülow war einer der gefragtesten Dirigenten des 19. Jahrhunderts). Aber bevor Vicco (so nennen ihn seine Freunde) sich dem Humor des Alltags hingeben kann, muss er den grausigen Alltags des Krieges bestehen: Über die kalten Wintertage in Russland wird er kaum je ein Wort verlieren. Ausgerechnet der Vater ermuntert, ja ermaht seinen Sprössling nach dem Krieg (und nach dem nachgeholten Abitur), Kunst zu studieren. Endlich kann Vicco seine Leidenschaft ausleben. Es dauert nicht lange, bis er seine Freude an Karrikaturen entdeckt. "Reinhard das Nashorn" und seine Hunde-Comics sind die ersten Gehversuche. "Auf den Hund gekommen" ist ein gezeichnter Rollentausch. Die zivilisierten Vierbeiner ärgern sich über die Marotten der Menschen ("Friss nicht wie ein Mensch!"). Fast von Anfang an zeichnet Vicco von Bülow seine Figuren mit den später berühmten Knollennasen - und allzu oft geht es um die kommunikativen Hürden zwischen Männlich und Weiblein, wie in der Frühstücksei-Kontroverse:
In den frühen 1950er Jahren lebt Vicco zwei Leben: Das eine ist ein bürgerliches mit seiner Frau Romi und den Töchtern. Das andere ist das des schelmischen Künstlers, der in Zeichnungen, Texten, Sketchen und Cartoons eben jenes bürgerlichen Leben auf die Schippe nimmt. Seine Komikerexistenz führt er nun unter dem Namen Loriot, dem französischen Wort für Pirol, dem Wappenvogel der von Bülows (rechts).
Nicht nur seine Knollennasenmännchen mit den typisch deutschen Namen (Müller-Lüdenscheid, Dr. Klöbner, Hoppenstedt) flimmern auf den Fernsehschirmen der Bundesrepublik. Loriot selbst gibt sich die Ehre. Als Statist hatte er in der Nachkriegszeit bei einigen Kinofilmen ausgeholfen. Jetzt ist er der männliche Hauptdarsteller. Seine kongeniale Partnerin Evelyn Hamann erträgt als Fräulein Hildegard vernudelte Heiratsanträge und als Fräulein Dinkel unbeholfene Annäherungsversuche. Auch als Solodarsteller brilliert Loriot:
Dafür, dass Loriot den Deutschen ihre verklemmten und stocksteifen Eigenheiten vor Augen führt, erntet er anfangs Unverständnis und Anfeindungen, später Lacher und Prominenz. Denn bis heute hat niemand pointierter die tiefernsten zwischenmenschlichen und alltäglichen Nickligkeiten der Deutschen so gleichermaßen fein- wie scharfsinnig durchdrungen und humorististisch aufbereitet. Wer in Loriot nur den Komiker des Alltags sieht, der blickt zu kurz. Als Verehrer von Richard Wagner hat er sich seine Schelmenstücke auch auf die Opernwelt übertragen (etwa in Form parodistischer Opernführer) und sogar selbst eine Oper inszeniert. Heute, am 12. November 2013, wäre Loriot, der vor zwei Jahren gestorben ist, 90 Jahre alt geworden. Weil seine Komik zeitlos ist, mag seine Bundestagsrede die gegenwärtigen Koalitionsverhandlungen kommentieren: