12 Mai 2011, Nachtleichentuch, 6.29 Uhr

Kaffee, Zigarette. Die Seraphe sitzt in der Küche. Sie liest. Sie räuspert sich. Ich muss gar nicht erst fragen, was sie liest. Es wird ein Krimi sein. Der Vogel hockt noch unter seinem Nachtleichentuch. Das Tuch gaukelt ihm eine Nacht vor, die es so nicht gibt. Nicht weiter schlimm. Ein weiterer künstlicher Raum inmitten so vieler künstlicher Räume. Und als hätte er mich gehört, ist plötzlich ein Quietschen zu vernehmen. Ein Anrennen gegen die Nacht. Der Vogel spürt den Tag. Ich trinke von meinem Kaffee. Ich schreibe an einem neuen Roman. Nichts Neues unter der Sonne, die sich allmählich durch die Wolkendecke gräbt. Hitze ist zu ahnen. Die Hitze wird kommen. Google zeigt mir Regenwolken. Also doch keine Sonne? Der Vogel widerspricht mit einem Schrei. Wem auch immer! Lassen wir uns überraschen.
Die Seraphe weckt das Sternchen, die in den letzten Tagen so kräftig Richtung Pubertät schwimmt.
Türen sind zu hören. Der Vogel schweigt jetzt. Noch habe ich nicht Dämmerung mit ihm gespielt.
Seine Kollegen in Freiheit rufen nach ihm. Ich werde jetzt noch eine Zigarette rauchen und dann …



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