12. „liebe in text verwandelt“

Von Lnpoe

Nicht nur den Verlag, sondern auch den Übersetzer hat Nora Iuga gewechselt: Der neue Roman der bekannten rumänischen Lyrikerin und Übersetzerin „Die Sechzigjährige und der junge Mann“ erschien bei Matthes & Seitz in der gelungenen Übersetzung von Eva Ruth Wemme. Darin erzählt eine alternde Schriftstellerin, besser gesagt Dichterin namens Anna ihre Erinnerungen.

Der jüngere Dichter bewundert sie. Die „Grande Dame der rumänischen Lyrik“ (S. 147) plaudert aus dem Nähkästchen und lässt ihn an ihrem Leben teilhaben. …

Dabei spielt Nora Iuga nicht nur mit veralteten Moralvorstellungen, sondern auch textuell mit den Perspektiven, sie wechselt recht freimütig von der ersten in die dritte Person, und somit baut sie eine Nähe auf zu Anna, um sie dann manchmal im gleichen Satz wieder zu zerstören und sich von ihr zu distanzieren. Und auch der grüne Blick ist vielleicht nur ein Produkt ihrer Vorstellungskraft, gesteht die Erzählerin an anderer Stelle. Wenn es diesen nicht gibt, dann verschwindet auch die Erzählerin, die der „Willkür [ihrer] Fiktion ausgeliefert [ist]“ (S. 117). Im Nachtrag distanziert sich die Erzählerin nochmal von der ganzen Geschichte „in dem augenblick, in dem man seine liebe in text verwandelt, verblasst die gelebte wirklichkeit“ (S. 184), ja das Papier der Geschichten eigne sich sogar für den Mülleimer. Nichtsdestotrotz überzeugen diese Bekenntnisse einer Junggebliebenen, der Plauderton einer alternden Frau, die schon viel erlebt hat, ist glaubhaft, und das aufreizende Spiel mit der Neugier und der angedichteten Begierde des grünen Blicks verleihen den Erinnerungen eine erotische Würze.

/ Edith Ottschofski, Siebenbürgische Zeitung

Nora Iuga, Die Sechzigjährige und der junge Mann. Roman. Aus dem Rumänischen von Eva Ruth Wemme, Berlin, Matthes & Seitz, 2010, 16,80 Euro