Es geht doch nichts über Selbstgemachtes
Was bauen wir denn heute mal? Das scheint im Roman Sauna mit Nachbar des finnischen Autors Roope Lipasti die Standardfrage von Jan, dem Nachbarn des Geschichtslehrers, zu sein. Die beiden Männer leben nun schon seit zehn Jahren nebeneinander auf ihren Grundstücken in irgendeiner ländlichen Gegend Finnlands. Der Lehrer ist 50 Jahre alt, hat gerade Sommerferien, und die dauern in Finnland zehn Wochen. Da er vor drei Jahren verwitwet ist, hat er nun jede Menge Zeit, in den Tag hineinzutrödeln und Jan dabei zuzusehen, wie er mit Sperrmüll zur Mülldeponie fährt und mit neuem Zeug zurückkommt. Auf dem Grundstück des Nachbarn sieht es immer aus wie nach einem Kometeneinschlag: Werkzeug und Baumaterial liegen verstreut herum, und mehrere "Projekte" warten darauf, fertiggestellt zu werden. Das ist gar nicht so einfach, denn Jan hat eine gutaussehende Ehefrau namens Emilia und etliche Kinder, kann sich also nicht immer uneingeschränkt dem Heimwerken widmen. Doch in diesem Sommer hat er sich etwas ganz Besonderes ausgedacht. Er will für sich und seine Familie eine Haussauna bauen, die so aussehen soll, wie es in Finnland üblich ist: Ein gemütliches Häuschen neben dem selbst angelegten Teich soll es werden. Der Lehrer sieht dem Treiben mit Skepsis zu.Chaos trifft auf Gediegenheit
Selbstverständlich ist der Lehrer davon überzeugt, dem heimwerkenden Nachbarn intellektuell um Längen voraus zu sein. Er gibt sich auch keine besondere Mühe, das zu verbergen: Sobald sich auf dem Hof nebenan etwas regt, macht er sich auf den Weg nach drüben und spart nicht mit kritischen Anmerkungen, wenn ihm etwas auffällt, von dem er meint, es besser zu können. Er gefällt sich in der Rolle des kommentierenden, aber ansonsten passiven Beobachters; der Gedanke, dem Nachbarn auch durch tatkräftige Mithilfe zur Seite zu stehen, liegt ihm fern. Statt dessen richtet er seine Aufmerksamkeit immer stärker auf die attraktive Emilia und bildet sich ein, dass sie ihn ebenfalls anziehend findet. Als der Lehrer registriert, dass sie dem Vorhaben ihres Mannes, ein Saunahaus zu bauen, ablehnend gegenübersteht, beginnt er, das Bauprojekt zu hintertreiben. Mit einer gewissen Genugtuung bemerkt er, dass der Saunabau immer öfter der Grund für Streitigkeiten zwischen den Eheleuten ist. Jan ist von den Vorbereitungen und der Koordination der Arbeiten, die er nicht selbst durchführen kann sowie dem eigentlichen Bauen stark gefordert. Die zusätzlichen Belastungen durch die schlechte Stimmung zwischen ihm und seiner Frau machen ihm zusätzlich zu schaffen. In dieser angespannten Atmosphäre passiert ihm ein Unfall und er muss im Krankenhaus operiert werden. Der Geschichtslehrer sieht seine Chance, bei der Nachbarin zu landen, gekommen: Er hütet die Kinder und räumt den Hof auf. Doch dann kommt alles anders, als er es sich gedacht hatte.Wie war's?
Sauna mit Nachbar ist als humorvolles Buch angelegt, das seine Leser gut unterhalten soll. Das kann es auch: Es ist flüssig geschrieben und gibt einen Einblick, wie das Leben in der finnischen Einsamkeit sein kann. Der vermeintlich seinem Nachbarn überlegene Lehrer wird im Laufe der Handlung jedoch mehrmals zu einer peinlichen Figur; wenn es das Wort "fremdschämen" nicht schon gäbe, müsste es für ihn erfunden werden. Erst zum Schluss stellt der Lehrer erstaunt fest, dass der Nachbar eine Eigenschaft hat, die ihn durchs Leben trägt, ihm selbst jedoch fehlt. Angesichts der für mich immer unsympathischer werdenden Person des Lehrers ein versöhnliches Ende. Der Handlung des Buches eine "philosophische Dimension" beizumessen, wie es die finnische Tageszeitung Helsingi Sanomat getan hat, finde ich allerdings übertrieben.Sauna mit Nachbar ist im Heyne Verlag erschienen und kostet als broschierte Ausgabe 14,99 Euro sowie als epub- oder Kindle-Edition 11,99 Euro. Der Roman wurde mir vom Bloggerportal zur Verfügung gestellt.