Nachtrag zu #114
Ich zitierte den einzigen Satz der Besprechung zur Lyrik. Aber warum immer nur den „großen“ Verlag nennen? DuMont inszenierte sich ja zum Start des Literaturprogramms als wichtiger Lyrikverlag, das ließ aber dann nach. Die Anthologie von Gerhard Falkner und Orsolya Kalász gehört in diese Zeit. Orsolya Kalász gehört selbst in die Gruppe der ungarischen Schriftstellerinnen mit engem Deutschlandbezug. Sie verbrachte ihre Grundschulzeit in Ostberlin als Tochter des ungarischen Lyrikers Márton Kalász, der am Haus der ungarischen Kultur arbeitete. (Dieses und die benachbarte polnische Entsprechung in der Ostberliner Karl-Liebknecht-Straße waren wichtige Anlaufpunkte bei jedem Berlinbesuch!). Von daher ihre Zweisprachigkeit, die sie als Autorin beibehielt. Leider erwähnt der Perlentaucher unter ihren Büchern auch nur die DuMont-Anthologie – die Großen schlucken die Großen, haha! Drei Gedichtbände von ihr aber erschienen bei kleinen Verlagen (ohne die Kleinen wäre Deutschland arm dran):
- alles was wird, will seinen strauch : Ami volt, még bokor akar lenni , Gedichte. Frankfurt, M. : Gutleut-Verlag 2007 ISBN 978-3-936826-66-1 . Mit einem Essay von Monika Rinck
- Ich habe keine andere Wahl als einen Garten zu finden : Más választásom nem marad mint találni egy kertet , Gedichte. Zeichnungen von Jutta Obenhuber. Frankfurt, M. : Gutleut Verlag 2006 ISBN 978-3-936826-43-2
- Babymonster und die Gärtner : Babarém és a kertészek , Gedichte. Leipzig : Connewitzer Verl.-Buchh. 1997 ISBN 3-928833-71-5
Dann natürlich der Ungarn-Band aus der Reihe „Poesie der Nachbarn“ von Gregor Laschen, Bremerhaven 1990. Darin enthalten die 1909 geborene Amy Károlyi, die von sich sagt:
… ich bin eine alte Dame und schreibe Gedichte seit ich die Blockschrift kenne. (…) Ich bin langsam gereift, wie die Winterbirnen. (…) Ich hatte das Glück, Emily Dickinsons Gedichte kennenzulernen, das Verwandte in ihr erweckte die in mir schlafende verwandte Möglichkeit. Ich heiratete Sándor Weöres, die europäische Größe unserer Epoche. Dienend seinem Werk kämpfte ich meinen Freiheitskampf um die eigene Stimme. Das ist alles.
Den großartigen Sándor Weöres lernte ich in einem Heft der Reihe Poesiealbum kennen. Dort gab es etliche Ungarn, aber vielleicht nur Männer? Aber aus dem Leipziger Insel-Verlag fällt mir die von Franz Fühmann übersetzte Ágnes Nemes Nagy ein, von der mir mindestens eine Zeile im Gedächtnis haftet: „Und dennoch schauen schauen auch wenns nichts hilft“.
(Alles das kennen die Lexikonmacherinnen natürlich – unter denen auch eine Deutsch-Ungarin ist, die Autorin und Übersetzerin Zsuzsanna Gahse).