113. Wie verfilmt man ein Gedicht?

Von Lnpoe

Die kurze, einfältige Antwort: am besten gar nicht.

Der Film «Howl» nach dem gleichnamigen Gedicht von Allen Ginsberg verdient eine gründlichere Antwort. Denn dieser Bastard, gezeugt aus verschiedenen filmischen Gattungen, ist ohne Zweifel eine der aufregendsten Literaturverfilmungen, die in den letzten Jahren im Kino zu sehen waren. Ob sie als solche auch geglückt ist, ist wieder eine andere Frage. …

Das ist, im klassischen Rahmen eines amerikanischen Gerichtsdramas, immer auch grossartiges Schauspielerkino: David Strathairn als Staatsanwalt führt seinen Prozess wie ein Buchhalter, der sich an einem Literaturseminar auf der Grundstufe versucht. Das ist weniger ein puritanischer Eiferer als ein aufrechter Pedant. Wenn er die sexuell aufgeladenen Passagen als Beweismaterial vorträgt, dann klingt das, als wäre der menschliche Körper irgendein technisches Gerät und die Lyrik eine Bedienungsanleitung dazu. Was das denn zu bedeuten habe, so will er von einem Professor wissen, wenn Ginsberg in seinem Gedicht von «engelköpfigen Freaks, gierig nach der alten himmlischen Verbindung zum Stern-Dynamo in der Maschinerie der Nacht» schreibe. «Sir, Sie können Poesie nicht in Prosa übersetzen», sagt der Professor wie zu einem etwas begriffsstutzigen Kind. «Darum ist es Poesie.» …

Im Film nun lässt er ausgezehrte Männer durch Strassenschluchten segeln, ein Saxofonist sprüht einen Goldregen aus seinem Horn, und wenn im Gedicht von «karibischer Liebe» die Rede ist, explodieren Spermien wie Feuerwerk am Himmel.

Bilderbogen statt Streubombe

So wird, was in der Sprache der Lyrik flüchtig und ungezähmt bleibt, im Kino in platte Bilder gegossen. Der Zeichentrick operiert hier wie eine illustrative Krücke, die unsere Fantasie behindert, statt sie zu entfesseln. So bewirkt Drookers Bebilderung des Gedichts genau das Gegenteil von dem, was uns der Film sonst weismachen will: Das Gedicht, das angeblich wie eine Streubombe der Befreiung in die amerikanische Gesellschaft geplatzt ist, zieht als dekorativer Bilderbogen vorüber. Der literarische Sprengsatz implodiert in der Banalität.

Wie also verfilmt man ein Gedicht? Es braucht dazu nur die Sprache. Und einen Schauspieler wie James Franco, der sie zum Schwingen bringt. / Florian Keller, Tages-Anzeiger