112 Minuten Bandsalat: Atom Egoyans Fehltritt „The Captive – Spurlos verschwunden“

112 Minuten Bandsalat: Atom Egoyans Fehltritt „The Captive – Spurlos verschwunden“

Ryan Reynolds stampft durch den Schnee und denkt sich vermutlich: Was zum Geier mache ich hier eigentlich? © Ascot Elite Home Entertainment

Man stelle sich folgendes Szenario einmal vor:
Als junges Mädchen wird man gekidnappt, anschließend ist man acht Jahre lang eingesperrt in einem fremden Haus und die einzige Kontaktperson während dieser Zeit ist der Entführer. Auch wenn das „Verlies“ ein relativ heimelig eingerichtetes Zimmerchen ist mit Bar, Klavier, Toilette und sogar einem Computer – normalerweise ist das Entführungsopfer psychisch stark geschädigt. So eine Erfahrung vergisst man ein Leben lang nicht. Na ja, Natascha Kampusch schrieb bekanntlich ein Buch über ihre Leidensgeschichte, aber das stellt dann wohl eine Ausnahme dar...aber so wenig paralysiert wie Cassandra (Alexia Fast) in Atom Egoyans „The Captive“ wirkt, das erscheint dann doch eher seltsam. Und überhaupt: Im Streifen von Egoyan knartscht es an allen Ecken und Enden.
Cassandras Vater Matthew (sichtlich bemüht ob des schwachen Drehbuchs: Ryan Reynolds) holt die Tochter – entweder ist sie neun oder zehn Jahre jung zu dem Zeitpunkt – vom Eislauftraining ab und hält nur kurz beim Bäcker. Seine Tochter wartet derweil im Auto. Als Matthew zurück kommt, ist Cassandra verschwunden. Entführt, da ist er sich sicher, die beiden Cops dagegen nicht so. Der Draufgänger-Cop Jeffrey (Scott Speedman) und seine einfühlsame, für die gute Sache kämpfende Kollegin Nicole (Rosalie Dawson) verdächtigen den Vater, er ist schließlich pleite und könnte durch die Entführung gut Geld scheffeln. Das sagt der Draufgänger, seine Kollegin kümmert sich um Tina (Mireille Enos), die Kindesmutter. Jahrelang gibt es kaum Spuren von der Tochter – bis eines Tages Bilder von Cassandra im Netz auftauchen...

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Die Eltern der Entführten: Matthew (Ryan Reynolds) und Tina ( Mireille Enos) © Ascot Elite Home Entertainment

In Egoyans Machwerk geht es um ein sensibles Thema: Kinderpornographie. Ein fieser Pädophilen-Ring benutzt Cassandra, um andere Kinder unter ihre Fittiche zu bekommen. Soweit klingt das Ganze sogar noch halbwegs annehmbar und interessant. Der kanadisch-armenische Filmemacher könnte so vieles aus dieser Thematik machen. Er könnte sich die Hintergründe von solchen Kinderporno-Ringen näner anschauen, er könnte die Leiden vom Opfer näher darstellen, er könnte auch die Folgen der Angehörigen beleuchten – getan hat der aber nichts von alle dem. Stattdessen denkt er sich eine perfide Sache aus: Der Verbrecher-Ring versteckt Kameras am Arbeitsplatz von Tina – sie arbeitet in einem Hotel -, beobachtet sie so dauerhaft bei der Arbeit, versteckt Gegenstände und sogar Zähne von Cassandra dort. Die Mutter leidet dadurch natürlich so richtig, der Entführer hingegen findet das großartig und sitzt fast schon sabbernd vor dem Bildschirm.
Statt sich mit der Thematik vernünftig auseinanderzusetzen, suhlt sich Egoyan so regelrecht in diesen Leiden der Angehörigen und verwendet die Hauptthematik nur als Mittel zum Zweck. Dies geschieht mit langweiligen und eintönigen Kameraeinstellungen – Bewegung oder Spannung ist da nie vorhanden. Es scheint so, als habe Egoyan keinen Bock gehabt.

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© Ascot Elite Home Entertainment

Die Charaktere bleiben derweil nicht nur schablonenhaft, sondern auch völlig vergessenswert. Zum Beispiel ist da der Entführer (Bruce Greenwood). Wie er heißt? Wird nicht an einer Stelle erwähnt. Er arbeitet in irgendeinem Unternehmen als irgendwas und hat aus irgendeinem Grunde einen irgendwie aufgebauten Pädophilen-Ring ins Leben gerufen. Hier bleibt alles Fassade, warum er das alles tut, wird nicht zu einem Augenblick deutlich gemacht – man weiß nur: Der ist böse und ein Widerling. Unsere beiden Cops, anfänglich natürlich nicht gerade ein Team, lieben sich natürlich irgendwann. Und Nicole macht ihren Job so gerne, weil sie selbst wohl eine schlimme Kindheit hatte. Oder so. Irgendsoetwas deutet Egoyan zumindest an, ohne näher drauf einzugehen – aber warum sollte er auch...
Die trauernden Eltern zeigen ihre Trauer in ihren einsilbig traurig dreinblickenden Minen, die Tochter währenddessen, wie oben angedeutet, in ihrem „Gefängnis“ ist psychisch scheinbar komplett in Ordnung und lässt sich sogar vor den Karren der Entführer spannen. Ganz toller Einfall!
Psychisch komplett in Ordnung ist man nach dem Film als Zuschauer auch nicht. Wahllos springt Egoyan zwischen den Jahren. Mal spielt der Film im Jahr 2005, mal 2013, mal 2011, mal 2012 – der Sinn? Passenderweise ergibt das alles keinen, strapaziert einzig und alleine die Nerven. Ein Puzzle gibt es nicht nicht zu entschlüsseln. Vermutlich hat der Regisseur, Drehbuchautor und Produzent in Personalunion selbst gemerkt, dass sein Film eine Gurke ist - dann macht man halt Bandsalat, ist ja Kunst. Hätte man sich allerdings auch sparen können - wie den gesamten Streifen.

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© Ascot Elite Home Entertainment


BEWERTUNG: 2,5/10
Titel: The Captive - Spurlos verschwundenErscheinungsjahr: 2014, auf DVD & BluRay ab 27.01.2015 erhältlichGenre: ThrillerRegisseur: Atom Egoyan
Darsteller: u.a. Ryan Reynolds, Rosalie Dawson, Scott Speedman, Mireille Enos, Alexia Fast

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