Soviel (Gegenwarts-)Lyrik war nie bei den 99,977 % des Publikums, deren Lyrikkonsum mit Schulschluß aufhörte. Da ist schon wieder eins. Die taz bringt heute ein Grassgedicht zum Thema Urheberrecht. Als Ghostwriter fungierte der Berliner “Heimatdichter” (taz) Uli Hannemann, und macht er seine Sache schlecht? Nein!
Er stellt sich in die europäische Tradition aufgeklärter Streitbarkeit, die von den großen Griechen über die Humanisten der Renaissance bis hin zum Bild-Kolumnisten Franz-Josef Wagner reicht. Gerade mit Letzterem verbindet Grass – inzwischen oft als „intellektueller Wagner“ gehandelt – das altersweise Intervenieren in die Zeitläufte. Die publizistische Frequenz trennt sie. Noch.
Ein wöchentlicher ARD-Talk mit Thilo Sarrazin, Arbeitstitel „Schnauzer der Woche“, ist geplant, weitere Poeme ebenso. Das zum Urheberrecht hat die taz veröffentlicht, nächste Themen: Schlecker, Eurovision Song Contest, Syrien. (das)
Auszug aus dem Gedicht:
Schlecht denkt, doch um so besser dünkt sich’s voller Drogen, den Blinker aufgeblendet auf der Datenautobahn:
Der Diebstahl unsrer Seele, unsres Weltenplans, der Diebstahl eines Gutes, das selbst uns nicht gehöre.
Dem Künstler neidig wie ein Jude, der saubere Christenmenschen sieht, so will er ihn zerstören.
Törichtei und Frevelmut in einer Welt voll leeren Komputergebrumms gebiert Kopie, Betrug, Betrugskopie.
Hinein das Poem in den Komputerkasten und tausendfach hinaus, Gorgonenhaupt, ich weiß nicht, wie das geht.
Das edle Dichterwort, geschändet von einer grölenden Meute Kartoffelchips nagender Hornbrillenträger.
Liegt wehrlos, nackt im Staub und wartet bange auf den nächsten Rotarmisten einer Fälschergeneration.
Manch mutiger Mann, Sven Regener, Charlotte Roche und Manuel Andrack, trat dem Pack entgegen.
Sprach „Halt“, „So nicht“ und „Nehmt uns nicht noch unser Geld, sonst leiden unsre Kinder Hunger!“