11. September 2001

© S. Thomas  / pixelio.de

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Der 11. September 2001 – ein Tag, an den sich jeder noch heute erinnert, der ihn erlebt hat.

Erinnern wir uns heute 12 Jahre an diesen Tag, an dem viele Menschen einen sinnlosen Tod gestorben sind – und dessen dramatische Ereignisse bis heute die Welt überschatten und viele weitere Todesopfer provoziert haben.

Lesen Sie, was die damalige Landesbischöfin Margot Käßmann an diesem Tag und am Tag danach in der Marktkirche zu Hannover den Menschen sagte:

11.09.2001

Liebe Gemeinde,
was uns heute Abend hier zusammenführt ist Trauer, Mitgefühl und Angst. Es ist gut, dass wir Kirchen haben, Gotteshäuser, an denen wir mit diesen Gefühlen zusammenkommen können, wenn uns der Kummer nicht mehr allein zu Hause vor den Bildschirmen hält. Hier können wir Gemeinschaft finden, unsere Sorgen Gott anvertrauen.

Die Anschläge in den USA sind ein Zeichen entsetzlich grausamer Gewalt, ein unglaublicher Akt terroristischer Brutalität. Egal wie groß der Hass, egal wie tief der Konflikt – so weit darf ein Mensch nicht gehen, solche Taten sind durch nichts, aber auch gar nichts zu rechtfertigen.

Wir haben heute Abend noch keine exakten Zahlen, Daten, Fakten. Wir kennen nur Vermutungen, Schätzungen und Bilder. Die Bilder aber erschüttern uns. Allein die Tatsache, dass vier Passagierflugzeuge gekidnappt wurden! Denken wir an die Angst der Menschen. Sie werden mit voller Wucht gegen ein Gebäude geflogen. Jeder von uns kann sich die Panik vorstellen…

Denken wir an die Menschen im World Trade Center, im Pentagon. Sie sind an einem Dienstagmorgen zur Arbeit gekommen, ein normaler Tag in ihrem Leben. Und dann. Es wird brutal zerstört. Wie viel Angst muss ein Mensch haben, um vom Dach eines 120stöckigen Hauses zu springen. Wie viele sind verbrannt? Wie viele wurden erschlagen von den herabstürzenden Trümmern? Wie viele Helferinnen und Helfer haben ihr Leben gelassen?

Wir werden die vielen Einzelschicksale kaum kennen. Aber wir können beten heute Abend für die vielen Menschen, die mitten im Alltag ermordet wurden, schwer verletzt sind, Angst haben und um Angehörige bangen.

Viele von uns haben Sorge um den Frieden in der Welt. Ich hoffe, die Vernunft wird eine weitere Eskalation verhindern. Die politischen Mächte dieser Welt sind jetzt gefordert, im Frieden einen Weg zu finden und nicht übereilt die Waffen sprechen zu lassen. So etwas hat es noch nicht gegeben. Einige wenige Menschen terrorisieren die Welt. Und die Welt hat Angst. Es heißt in den Kommentaren, eine neue Geschichte beginnt. Aber welche Geschichte soll das sein? Eine, in der wir endlich in den Völkern der Welt entschlossen für Frieden und Gerechtigkeit eintreten? Oder eine, in der wir die Macht des Stärkeren endgültig sprechen lassen, die Opfer von Ungerechtigkeit nicht hören, die Spirale der Gewalt immer schneller sich drehen lassen?

Es beschämt mich zu sehen, wie andere Menschen so voller Hass sind, dass sie sich über das Leid anderer zu freuen scheinen. Was muss in Menschen vor sich gehen, die ein Flugzeug kidnappen und anderen so viel Leid zufügen? Wie wollen wir dem Terrorismus Einhalt gebieten? Wie zum Frieden in der Welt beitragen?

Die christlichen Kirchen rufen auf zum Frieden. Das Evangelium ruft uns auf, Gleiches nicht mit Gleichem zu vergelten und für die Überwindung der Gewalt in der Welt entschieden einzutreten. Wer soll denn für diesen Anschlag büßen? Liegt nicht Kraft und Stärke darin, die Spirale der Gewalt zu durchbrechen. Die zweite Meile mitzugehen. Nicht vorschnell zu verurteilen.

Als Christinnen und Christen wissen wir um Leid und Tod. Nein, nicht Gott lässt da Marionetten tanzen und hat womöglich dieses Leiden gewollt. Nein, wir sind frei, Verantwortung zu übernehmen für das, was wir tun. Aber wir wissen, wo wir leiden und Angst haben, können wir uns Gott anvertrauen, weil Gott ja selbst Leiden kennt und auch den Tod. Mich tröstet die Verheißung der Offenbarung des Johannes:

Offenbarung 21, 4 – 4

Und er wird jede Träne von ihren Augen abwischen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Trauer, noch Geschrei, noch Schmerz wird mehr sein: denn das Erste ist vergangen.

Nein noch nicht heute, aber eines Tages in Gottes Reich. Bis dahin werden wir alles tun, was in unserer Macht steht, Spuren des Reiches Gottes zu legen. Und wir vertrauen uns Gott an. Wir beten zu Gott,

- dass er den Mächtigen der Welt Weisheit gebe.
- Dass er uns ermutigt, zum Frieden zu mahnen
- Dass er uns hilft, Hass zu überwinden
- Dass er die Täter einer gerechten Strafe zuführt
- Dass er den Opfern beisteht
- Dass er uns beistehe in unserer Sorge, unserem Kummer unserer Angst.
- Dass er die Christinnen und Christen in der Welt zu Werkzeugen seines Friedens mache.

Christus ist unser Friede.

Amen.

12.09.2001

Liebe Gemeinde,
gestern Abend sind wir mit Bildern sinnloser Zerstörung zu Bett gegangen, heute Morgen mit diesen Bildern aufgewacht. Gestern Abend haben wir hier in der Kirche schweigend und singend Lichter angezündet und so unserer Klage und Trauer, unserer Fürbitte und Sprachlosigkeit Raum gegeben. Heute Morgen ist nun die Unruhe groß: Was wird passieren? Wie sieht die Vergeltung aus, die nun allerseits angekündigt wird? Könnte es Krieg geben? Im Neuen Testament, im Hebräerbrief heißt es im 10. Kapitel Vers 35:

Hebräer 10, 35 – 35

Werft nun eure Zuversicht nicht weg, die eine große Belohnung hat.

Werft euer Vertrauen nicht weg. Liebe Gemeinde, mir scheint das ein gutes Geleitwort für diesen 12. September 2001, auch für die Abgeordneten des Landtages, die versammelt sind. Ja, wir haben Geduld nötig, damit wir nach Gottes Willen fragen. Damit es keine überstürzten Reaktionen gibt, keine übereilten Beschlüsse.

Ich denke, zuallererst müssen wir der Trauer, dem Mitleid und auch der Fassungslosigkeit Raum geben. Wie können Menschen anderen so etwas antun? Wer gesehen hat, mit welcher Entschlossenheit und Präzision jenes Flugzeug auf den Turm des World Trade Center gesteuert wurde, hat gesehen, wie viel Bosheit, Hass, kriminelle Energie dort zusammenkam. Wie lange wurde geplant, Menschen so zu ermorden? Wie böse im wahrsten Sinne des Wortes muss ein Mensch sein, wie verirrt, um so eine Tat auszuführen? Und: Was treibt andere an, dieses Morden zu feiern? Das lässt uns fassungslos zurück.

Hinzu kommt das Mitleid, das Mit-leiden. Die Menschen in vier entführten Maschinen, sie müssen vor Angst erstarrt sein. Wie groß muss die Panik der Menschen gewesen sein, die sich aus dem 80. oder 90. Stockwerk in den Tod stürzten? Wir wissen inzwischen, dass unter den Hilfskräften mehr als 200 Feuerwehrleute und 80 Polizeibeamte ihr Leben gelassen haben.

Ich weiß, liebe Gemeinde, da stellt sich die Frage: wie kann Gott das zulassen. Großer Gott, wie kannst du das zulassen? Warum? Da ist der Glaube erschüttert und das Vertrauen. Aber, liebe Gemeinde, das Grauen, das wir sehen, ist nicht Gottes Werk, nein, das können wir Gott nicht in die Schuhe schieben. Das ist Menschenwerk. Der Mensch hat das Potential zum Guten wie zum Bösen, zum Frieden wie zur Gewalt. Gott hat den Menschen frei geschaffen, in Verantwortung das eigene Leben zu führen. Als Christinnen und Christen glauben wir, dass wir Gott gegenüber rechenschaftspflichtig sind.

Und wir dürfen glauben, dass Gott bei den Opfern ist. Gott steht an der Seite der Menschen, die leiden. Weil Gott selbst gelitten hat, weil Jesus am Kreuz gestorben ist, gerade deshalb können wir uns auch in Angst und Leiden Gott anvertrauen. Und wir können beten, dass Gott diejenigen begleitet, die leiden, die sterben, ja dass Gott sie hält auch in der Stunde der Angst, sie hält über den Tod hinaus.

Werft euer Vertrauen nicht weg – Geduld habt ihr nötig. Wir beten heute auch, dass die Mächtigen dieser Welt nicht vorschnell handeln. Wir beten für Frieden, wir hoffen auf Vernunft. Gewiss müssen die Täter gefunden und bestraft werden. Aber sie dürfen nicht neue Nahrung bekommen durch zusätzliche unschuldige Opfer. Da ist manche Mutter, mancher Vater im Nahen Ostern, die ebenso unschuldig sind wie die Menschen im World Trade Center und die Angst haben.

Gestern Abend haben viele Menschen hier in der Kirche Tränen in den Augen gehabt. Ältere, weil sie sich an Krieg erinnern. Jüngere, weil sie Angst vor der Zerstörung ihres Lebens durch Krieg haben. Andere, weil sie erschüttert sind über solche Brutalität mitten im Alltag, die das Zentrum, ja Symbol der freien Welt getroffen hat. Viele Menschen haben Angst. “Großer Gott steh’ uns bei” titelt die Bildzeitung heute. Ich will Ihnen sagen: Gott steht uns bei. Gottes Zusage gilt, in guten wie in schlechten Tagen bei uns zu sein. Zu Gott können wir kommen mit unserer Angst.

Christinnen und Christen haben zum Frieden zu rufen und nicht zum Krieg, zur Gewaltüberwindung und nicht zur Gewalt. Wir müssen uns fragen, wie die Spirale der Gewalt überwunden werden kann. Wie, liebe Landtagsabgeordnete, dem Terrorismus Einhalt zu gebieten ist. Da ist entschlossenes demokratisches Handeln notwendig. Wir sind froh und dankbar, in einem Rechtsstaat, einer Demokratie zu leben. Einer Demokratie, die sogar noch den Tätern Menschenwürde zugesteht, die diese anderen absprechen. Das sind hohe Werte, die sich für Christinnen und Christen aus der Gottebenbildlichkeit jedes Menschen ableiten, säkular in unserer Verfassung verankert sind in dem Satz “Die Würde des Menschen ist unantastbar”. Wir bitten heute Sie, so weit das auf Landesebene möglich ist, für diese Demokratie entschlossen einzutreten und denen, die sie erschüttern wollen, keinen Raum zu geben.

Die Ereignisse von gestern machen deutlich, dass es absolute Sicherheit nicht gibt. Wir können noch so viele Kontrollen, noch so große Sicherheitsmaßnahmen durchführen – der Mensch, auch die Freiheit, sie bleiben verwundbar und verletzbar. Das aber entbindet uns nicht davon, den Menschen Friedensfähigkeit zuzutrauen und entschieden für die Freiheit einzutreten.

Werft euer Vertrauen nicht weg. Liebe Gemeinde, Glaube heißt ja Vertrauen. Lassen wir uns den Glauben nicht nehmen, dass Gott bei uns ist wie bei denen in den USA, die um Überlebende oder ums Überleben kämpfen. Lassen wir uns das Vertrauen nicht nehmen, dass der Mensch zum Guten fähig ist, dass wir Gewalt und Hass überwinden können. Endgültig wird das erst nach unserer Zeit und Welt so sein, wenn, wie die Bibel sagt, Gott mitten unter uns wohnt. Aber schon heute können wir Zeichen dafür setzen und sehen. Wir können uns Gott anvertrauen und für einander beten. Ich bin überzeugt, dass die Kraft des Gebetes Hass überwinden kann und diejenigen stärkt, die leiden, trauern, Trost suchen. Auch in dieser Situation der Unruhe und Angst: wagen wir Vertrauen.

Amen.

Sie finden die Predigten unter: http://www.predigten.de/kirchenjahr3.php3?kj=101

Photo: www.pixelio.de


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