Er veröffentlichte in Taiwan den autobiographischen ‘Monolog eines Menschen, der den Untergang überlebte’, auf dessen Umschlag der Satz prangt: ‘China, alles, was du hast, sind Lügen.’ Und er publizierte zu jedem Jahrestag des Massakers Texte, die so scharf, so unerbittlich mit sich selbst, mit der Regierung und mit all den prahlend selbstgefälligen Demonstrationsveteranen ins Gericht gingen, dass er sich zum einen in der Dissidentenszene viele Feinde machte und zum anderen zu drei Jahren Umerziehungslager verurteilt wurde: Bohnensortieren, Tag für Tag, bei möglichst schlechtem Licht, um seine Augen zu zerstören. Abend für Abend schrieb er in diesem Lager für seine Frau Gedichte, die wohl zum Erhabensten gehören würden, was es in der chinesischen Literatur gibt, hätte nicht die Staatssicherheit die meisten dieser Texte vernichtet. Ein Dreizeiler, der überlebt hat, lautet: ‘Bevor deine Asche im Grab versinkt, / schreib mir damit einen Brief und / vergiss deine Anschrift im Jenseits nicht.’ / ALEX RÜHLE, SZ 29.12.
BEI LING: Der Freiheit geopfert. Aus dem Chinesischen von Martin Winter, Yin Yan und Günther Klotz. Riva Verlag, München 2010. 384 Seiten, 19,95 Euro.
„Abgesehen von einer Lüge besitze ich nichts“: Der Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo schreibt in einem Gedicht über seine Gefangenschaft. SZ 10.12.
Essay von Liu Xiaobo “Es gibt Hoffnung auf ein freies China“, SZ 11.10. 2010