Die Presse sprach mit dem Schauspieler und Regisseur Otto Schenk auch über Gedichte:
Na ja, den Morgenstern mag ich auch sehr gern, er bedient meinen Humor, und auch Brecht ist ein großer Lyriker, vor allem dort, wo er sich selber fremd wird. Aber Rilke bin ich ganz verfallen, seit ich bewusst gelesen habe. Er ist für mich der, der es am besten sagen kann, es ist so endgültig und unwidersprochen schön, was er in den Meistergedichten sagt. Vor allem die schlichten Worte, die im Alltag darben, liebe ich so. Bei aller ätherischen Ausartung, wie man das böse nennt, verlässt er nie das Menschenwort, das einfach Gesagte, das kommt auch so plötzlich, so überraschend. Es macht ihn Brecht ähnlich. Ich finde gar nicht so viel Unterschied zwischen einem guten Gedicht von Rilke und von Brecht.
„Armut ist ein großer Glanz von innen“ lässt mich ein bisschen schaudern. Da möchte ich ihm sagen: „Probier es nur einmal!“ Er meint es sicher anders, gerade im „Stundenbuch“ redet Rilke manchmal geradezu sozialistisch. Es gibt auch in der letzten Duineser Elegie, in die ich mich mit Achtung, Freude und Begeisterung begebe, Stellen, die mir unverständlich sind. Man findet aber auch so viel aufregend Untypisches bei ihm.