“Nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben, ist barbarisch.” Aus dem Satz Adornos spricht die tiefe moralische Erschütterung, die eine ganze Generation Intellektueller und Künstler nach dem Zweiten Weltkrieg prägte. Felicitas Frischmuth (1930-2009) war Adorno-Schülerin, hatte den Krieg als Mädchen in Berlin erlebt, ihren Vater verloren, bevor sie ihr Leben dem Schreiben widmete. Frischmuth verstand Adornos Satz offenbar nicht als Diktum. Und doch ist ihr Werk von jenem grundlegenden Gefühl der Erschütterung geprägt. “Die Kunst hat die Aufgabe, Chaos in die bestehende Ordnung zu bringen”, ist ein weiterer Aphorismus Adornos. Genau das tat Frischmuth mit ihrer Lyrik, die inhaltlich wie formal Kausalitäten und vermeintliche Gewissheiten in Frage stellt: “erleben ist nicht erleben ist das Erlebte / das nicht Erlebte ist erlebt.” (aus dem ersten Gedichtband “Papiertraum” von 1977). / Johannes Kloth, Saarbrücker Zeitung