107. Stolterfoht, der Listige

Der Lyrikvortrag als Leistungsschau, oder anders: Die Lyrik als Betrieb ist das Thema von Stolterfohts „Radioessay“, wie der produzierende Südwestrundfunk das Stück keck klassifiziert.

Stolterfoht, der Listige, nimmt die sportive Komponente des „Schauwettbewerb[s]“ beim Wort und prägt seinem „fiktiven Feature“ (Verlag) konsequent das Vokabular des Pferdesports, genauer: des Derby ein. „Stallwette“, „Distanz“, „Kommando“, „Zucht“, „Rekord“ – alles „ist am Start!“, um den Lyrikbetrieb karikierend kenntlich zu machen. Bereits der Titel, Anspielung auf das Deutsche Reiterabzeichen, deutet die rennpferdliche Sicht an, die die drei Sprecher einnehmen und mit einiger, launig daherkommender Maliziosität beibehalten.

Stolterfoht geizt nicht mit Sottisen („Am Hindernis ,Widmungsgedicht‘ scheute der Text ,Für Oskar Loerke’ und begrub seinen Verfasser unter sich“) und verteilt genüsslich leichte Schocks. „Der Decktext ,Militär’ im Deutschen Literaturarchiv Marbach“… – Seitenhieb vielleicht auf dessen Architektur, die anderen Vorbildern zu huldigen scheint als der Bonner Kanzlerbungalow?  …

Der „Lehrling“ muss mit der „Jurybeschaffenheit“ vertraut sein – ist es eine „tiefe“, ist es eine „glasharte“ Jury? Exkurse zu den Themen: „Kleines Lesungs- oder Wettbewerbsglossar“, „Lyrische Typen – zur Einführung“, „Ein Tag bei den Texten“, „Die Vielseitigkeitsdichtung“ (in Analogie zum Vielseitigkeitsreiten) bringen Aufklärung über alles, was der angehende Dichter wissen muss. Aber es ist alles gefakt, oder fast: Unter der Maskerade ist das Gemeinte gut zu erkennen. Das Gemeinte und die Gemeinten. / Meinolf Reul, Textem

Ulf Stolterfoht, Das deutsche Dichterabzeichen. Hörspiel. 56 Seiten, broschiert. Reinecke & Voß, Leipzig 2012. 8,00 Euro

Der Verlag Reinecke & Voß in Leipzig, bei dem Das deutsche Dichterabzeichen erschienen ist, wurde 2009 gegründet. Autorennamen wie Miron Bialoszewski ( http://reinecke-voss.de/cms/biaoloszewski.html ), Alexej Krutschonych ( http://reinecke-voss.de/cms/krutschonych.html ), Georg Hoprich ( http://reinecke-voss.de/cms/hoprich.html ) und Aloysius Bertrand, Verfasser des von Ravel in Musik gesetzten Gaspard de la Nuit ( http://reinecke-voss.de/cms/bertrand.html ) belegen das Interesse des Verlegers an der Geschichte der europäischen Moderne, die durch die Hintertür auch im vorliegenden Buch präsent ist. Hinter Wladimir und Velimir, „Stammväter“ des Lyrischen Typs „Wladimirer oder Windältester“, verbergen sich keine anderen als Wladimir Majakowskij und Welimir Chlebnikov. 



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