101. Meine Anthologie 77: Dmitri Prigow, Das Schnepfenfeld

Von Lnpoe

Das Schnepfenfeld

Ich habe alle aufgestellt
Die einen ganz nach rechts gestellt
Die andern ganz nach links gestellt
Die übrigen erst mal zurückgestellt
Die Polen habe ich zurückgestellt
Franzosen habe ich zurückgestellt
Die Deutschen habe ich zurückgestellt
Hab meine Engel herbestellt
Und oben Raben hingestellt
Und andere Vögel hingestellt
Darunter dann ein Feld gestellt
Ein Feld zur Schlacht bereitgestellt
Ich habe Bäume draufgestellt
Hab Eichen, Fichten draufgestellt
Und ein paar Sträucher draufgestellt
Ich habe es mit Gras bedeckt
Mit kleinen Käfern vollgesteckt

Nun sei’s, wie ich’s mir vorgestellt!
Nun lebe man, wie ich’s bestellt!
Nun sterbe man, wie ich’s bestellt!

Drum siegen heute mal die Russen
Sind nämlich nette Jungs, die Russen
Und nette Mädchen auch, die Russen
Sie litten schrecklich viel, die Russen
Ertrugen Schlimmes, nicht von Russen
Drum siegen heute mal die Russen
Was soll noch werden, wenn schon jetzt
Die Erde bröcklig wird schon jetzt
Der Staub den Himmel schwärzt schon jetzt
Gesteine bersten in der Erde
Und Wasser rasen in der Erde
Und Tiere rasen in der Erde
Und Menschen laufen auf der Erde
Gehn vor und rückwärts auf der Erde
Und Vögel ziehn über der Erde

Die Raben ziehn über der Erde
Und doch sind die Tataren netter
Ich finde die Gesichter netter
Und finde ihre Stimmen netter
Und finde ihre Namen netter
Und find auch ihr Betragen netter
Die Russen find ich zwar adretter
Und doch sind die Tataren netter
Drum sollen die Tataren siegen
Von hier aus kann ich alles sehn
Ich sagte, die Tataren siegen
Und morgen wird man weitersehn

(1976)

Dmitri Prigow: Der Milizionär und die anderen. Gedichte und Alphabete. Leipzig: Reclam 1992, S. 9f. (Übertragungen von Günter Hirt und Sascha Wonders)