Es geht um die für die rumäniendeutschen Autoren zentrale Zeitschrift «Neue Literatur», in der die angesehenen deutschsprachigen Schriftsteller publiziert wurden. Hier geriet bereits Anfang der siebziger Jahre in der Redaktion ein rumäniendeutscher Redaktor in den Verdacht, der Securitate als Informant zu dienen. Wolfgang Kremm, in Rumänien gebliebenes Gründungsmitglied der «Aktionsgruppe Banat», erinnert sich jetzt an Besuche in der Redaktion in Bukarest: «Eine der ersten Freundschaftsgesten mehrerer von mir, dem Temeswarer Germanistikstudenten, bewunderter Redaktoren war, mich zu warnen. Ich solle mit einem ihrer Kollegen sehr vorsichtig reden, sagte Anemone Latzina (. . .). Selbst mir, dem damals (noch) kaum zu Misstrauen und Vorsicht Neigenden, war klar: In der <Neuen Literatur> gab es eine <undichte Stelle>, einen Spitzel der Securitate, und jeder wusste, wer das ist.»
Als im vergangenen Jahr nach dem Vergleich unterschiedlicher Akten dieser Informant «offiziell» benannt werden konnte, gab es eine heftige öffentliche Debatte, deren Sprachwahl offenbarte, dass das nationalkommunistische Ceausescu-Regime seine Spuren bis heute in den Köpfen einiger der Beteiligten hinterlassen hat, eine individuelle Vergangenheit, die nicht vergeht. Der verdächtigte Redaktor gab zwar eine durch Druck von der Securitate erzwungene Informantentätigkeit zu, die aber lange vor der Arbeit in der «Neuen Literatur» gelegen habe und von ihm mit grosser Willenskraft beendet worden sei. Gegen die Behauptung, er sei der spätere Informant mit den Decknamen «Moga» und «Marin» gewesen, bemühte der Verdächtige hingegen die Gerichte. Und war erfolgreich: Das Münchner Oberlandesgericht verbot mit der Androhung hoher Geldstrafen die Behauptung, der besagte Redaktor sei der Informant.
Unter Rückgriff auf Annahmen über das Unterdrückungssystem des kommunistischen Rumänien befanden die Richterinnen, dass nicht mit ausreichender Sicherheit die endgültige Identität des Informanten zu finden sei. Der rumänischen CNSAS, also der Aktenermittlungsbehörde, die die Spitzeltätigkeit des Redaktors eindeutig bestätigte, wurde letztlich abgesprochen, ihre Entscheidungen objektiv und verlässlich zu treffen. / Markus Bauer, NZZ 27.12.
Richard Wagner (im Blog Die Achse des Guten) allgemein zum Thema:
Es ist in der Securitate – Debatte nicht anders als in jeder anderen Geheimdienstdiskussion auch. Die Zahl der Experten nimmt zu. Und immer ist es selbstverständlich, dass die Opfer die Beweise vorlegen müssen, und die Täter diese für nichtig erklären. Sie haben ein Recht auf ihre Bürgerrechte und wir haben keine Garantie für unsere Menschenwürde.
(…)
Sie, die Täter, finden Verständnis an allen Ecken und Enden der Öffentlichkeit, und darauf setzen sie. Letzten Endes geht es ihnen darum, alles als ungewiss erscheinen zu lassen, und so eine Grauzone zu schaffen, in der zwischen Opfern und Tätern angeblich nicht mehr unterschieden werden könne.
und speziell zum vorliegenden „Fall“:
Es handelt sich um Claus Stephani, der die Akten der Securitate im Laufe der Jahrzehnte unter drei Pseudonymen erheblich anschwellen ließ. Er berichtet jetzt von seinem Jugendpseudonym „Mircea Moga“, und tut so, als hätte es sich mehr oder weniger um eine Jugendsünde in den frühen sechziger Jahren gehandelt, um anschließend den Stoff für gleich mehrere Intrigen zu liefern. Dazu einer der Betroffenen, Dieter Schlesak:
http://schlesak.blogspot.com/2010/11/stephanis-verleumdung.html
Stephani, der erst nach der Wende in die Bundesrepublik kam, war unter zwei weiteren konspirativen Namen in späteren Zeiten als Redakteur der Zeitschrift „Neue Literatur“ aktiv: „Moga“ und „Marin“. Als „Marin“ kann man ihn heute in einem Securitate- Dokument, dass in einem Diskussionsforum der Siebenbürgischen Zeitung zitiert wird, vorfinden:
http://www.siebenbuerger.de/forum/allgemein/1347-faz-claus-stephani-und-die-securitate/#forumid21598
Darin heißt es: Beim Treffen , das am 31. Dezember stattfand, teilte mir die Quelle “Marin“ mit: „Am Morgen des 31. Dezember 1988 sei die Quelle telefonisch von der Frau des Pfarrers Ambrosi darüber informiert worden, dass der Schriftsteller Hauser Arnold, Chefredakteur der Zeitschrift „Neue Literatur“, in der Nacht vom 30. zum 31. Dezember verstorben sei. Die Quelle, die Stellvertretender Chefredakteur derselben Zeitschrift ist, wurde instruiert, mit den anderen Mitgliedern der Redaktion zu diskutieren (…) Er soll uns weiterhin über die eventuellen Spekulationen oder Interpretationen des Falles informieren“.
Der Stellvertretende Chefredakteur der Zeitschrift „Neue Literatur“ war im Jahr 1988 Claus Stephani.