Die Titanic im Hafen von Southampton
Vor exakt 100 Jahren befand sich die R.M.S. Titanic auf ihrer ersten und letzten großen Reise und damit jährt sich auch der Untergang des legendären Ozeanriesen zum hundertsten Mal. Damals, in jener schicksalhaften Nacht zum 15. April 1912 fanden südöstlich von Neufundland etwa 1500 Menschen den Tod, nur 705 Überlebende konnten gerettet werden. Die Umstände, welche zum Unglück führten, sind inzwischen weitgehend aufgeklärt. Da wäre zum Beispiel die spiegelglatte See in einer dunklen Neumond-Nacht, durch die man das Brechen der Wellen an Eisbergen schlecht erkennen konnte, ein Kapitän, welcher zahlreiche Eiswarnungen ignorierte und die Geschwindigkeit beibehielt, die unerklärliche Tatsache, dass man mit bloßem Auge, statt mit weggeschlossenen Ferngläsern im sogenannten "Krähennest" nach Hindernissen Ausschau hielt und vieles mehr. Die Summe dieser Umstände führte letztlich zu einem der schwersten Unglücke der zivilen Schifffahrt.
Warum aber wurde ausgerechnet der Untergang der Titanic zur berühmtesten Schiffskatastrophe aller Zeiten, obwohl andere zum Teil deutlich mehr Opfer forderten? Auch war die Titanic bei ihrer Jungfernfahrt nicht die sensationelle Neuerung, als die sie heute immer dargestellt wird. Nur 10 Monate zuvor begab sich die Olympic, ein äußerlich nahezu baugleiches Schwesterschiff der Titanic ("Olympic-Klasse"), auf Jungfernfahrt - auf dieselbe Route, die der Titanic später zum Verhängnis werden sollte. Die Resonanz war überwältigend. Dies war auch der Grund für das vergleichsweise geringe öffentliche Interesse an der Titanic und dafür, dass diese auf ihrer Jungfernfahrt nicht ausgebucht war.
Die High-Society, beispielloser Luxus und der Ruf der Unsinkbarkeit
Dennoch - die Titanic war im harten Konkurrenzkampf der Reedereien ein Prestigeobjekt, deren Ruf die Crème de la Crème der High Society folgte. Die Spitzen der Gesellschaft - dies waren im Gegensatz zur heutigen Zeit keine Film- oder Musikstars, sondern erfolgreiche Unternehmer und Industrielle, wie Benjamin Guggenheim, das Kaufhausmillionärsehepaar Straus, oder John Jacob Astor IV - der vermutlich reichste Mann seiner Zeit. Das wäre in etwa so, als würden heutzutage Top-Stars wie Madonna, Brad Pitt samt Gattin und Bill Gates auf einmal verunglücken. Unvorstellbar.
Ein weiterer Grund für den Titanic-Mythos ist sicherlich die technologische Aufbruchstimmung, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts herrschte. Die Erfindung der Elektrizität lag noch nicht lange zurück, das Automobil war gerade dabei, sich durchzusetzen und die Funktechnik an Bord existierte gerade mal ein Jahrzehnt (Passagiere nutzten diese mehr als die Funker - für ihre privaten Telegramme in die Heimat). Die Industrie, inbesondere die Schifffahrt, boomte. Der Mensch war scheinbar dabei, die Natur zu bezwingen.
Hinzu kam der zeitliche Ablauf. Zwei Stunden und vierzig Minuten vergingen von der Kollission mit dem Eisberg bis zum Untergang des Schiffes. Zu wenig Zeit, um die Passagiere zu retten, aber genug für die Enstehung menschlicher Dramen, wie das Spielen der Kapelle während des Untergangs. Ein bewegenderes Drama kann man sich kaum vorstellen - wie aus der Feder eines Drehbuchautoren. Und ich spreche nicht von der unsäglich verkitschten Verfilmung James Camerons aus dem Jahre 1997. Nein, die tatsächlichen Geschehnisse wären für ein packendes Hollywood-Drama mehr als ausreichend gewesen. Auch die jahrzehntelange, vergebliche Suche nach der Titanic, welche erst 1985 durch Dr. Robert Ballard und seine Crew ein Ende fand, tat ihr übriges. Erst dadurch wurden die Voraussetzungen geschaffen, den Unglückshergang zu rekonstruieren. Bis zu diesem Zeitpunkt wusste man zum Beispiel nicht mit Sicherheit, ob die Titanic in einem Stück versank, oder zerbrach.
Seither versorgt man uns mit wunderschönen, zugleich skurrilen Bildern des Wracks, welche uns viele weitere Filme, Dokumentationen und Bücher geliefert haben. Die vielleicht beeindruckendsten bewegten Bilder des Wracks gibt es hier im VideoChannel zu sehen - die Dokumentation "Die Geister der Titanic" mit spektakulären Unterwasserbildern des Unglücksschiffes. Wem das noch nicht reicht, das nötige Kleingeld vorausgesetzt, der kann einen 12-tägigen Trip zum Wrack buchen. Inklusive mehrstündigem Tauchgang in einem der wenigen U-Boote, welche für den Wasserdruck in über 3800 Metern Tiefe ausgelegt sind. Mit etwa 50 000 € ist man dabei. Die Titanic bleibt damit den Privilegierten vorbehalten, aber das war anno1912 ja nicht anders.
Viel Zeit sollte man sich mit der Reiseplanung aber nicht lassen. Dieselben eisenfressenden Mikroben, die für die abstrakten Rostzapfen sorgen, zersetzen den Stahl derart, dass das Wrack der Titanic in den kommenden Jahren in sich zusammen fallen und früher oder später nur noch ein Haufen Rost sein wird. Verdammt traurig einerseits - andererseits wie viele andere Schiffe aus dieser Zeit, welche nicht mal untergegangen sind, kann man jetzt überhaupt noch live bewundern? Das eingangs erwähnte Schwesterschiff der Titanic, die Olympic, wurde 1935 jedenfalls abgewrackt und ausgeschlachtet.