100 DVDs in 100 Wochen: Wie ein wilder Stier

Erstellt am 8. Oktober 2014 von Pressplay Magazin @pressplayAT
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Veröffentlicht am 8. Oktober 2014 | von Jeannine Riepl

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100 DVDs in 100 Wochen: Wie ein wilder Stier

Nummer 27 im Feature 100 DVDs in 100 Wochen kann wohl gut und gerne als ein Meilenstein in den Karrieren von Scorsese und De Niro betrachtet werden: Wie ein wilder Stier (Original: Raging Bull).

Obwohl Scorsese kein Fan des Boxens ist willigte er – De Niro sei Dank – dennoch ein, Wie ein wilder Stier zu drehen. Doch was brachte ihn dazu? Es war der zwiespältige und selbstzerstörerische Charakter des Jake La Motta, der ihn faszinierte. Für alle die seine Lebensgeschichte nicht kennen, hier kurz der Inhalt: Die Story basiert im Grunde auf der Autobiographie von La Motta (im Film: Robert De Niro), der zwischen 1949 bis 1951 ein ungeliebter Weltmeister im Mittelgewicht war. Als Kind der Bronx war für ihn der Kampf im Ring nicht einfach nur ein Boxkampf, sondern immer auch ein Kampf ums Überleben. Doch selbst mit dem Erfolg konnte La Motta seine Vergangenheit nicht hinter sich lassen.

Genauso wie Scorsese bin auch ich kein großer Boxfan – mir ist das Ganze zu brutal, ja, da bin ich Mädchen. Nichtsdestotrotz ist Wie ein wilder Stier ein eindringlicher Film über eine interessante und sehr zwiespältige Persönlichkeit. Scorsese inszeniert La Motta als Einzelgänger, als ständiger Kämpfer und schließlich auch als Märtyrer, der seine Erlösung bis zum Schluss nicht erhalten kann. Dazu würde ich gerne aus der DVD-Innenseite H.G. Pflaum zitieren: “Jake La Motta mag aufsteigen wie er will, er kommt von seiner Herkunft nicht los und wird, davon erzählen die Bilder noch mehr als die Story, nirgendwo auf der Welt die Bronx hinter sich lassen. Als dürfe keiner die biblische Dimension dieser Passion übersehen, lässt Scorsese seinen Film mit einem Zitat aus dem Johannes-Evangelium enden: „Das eine weiß ich: dass ich blind war und jetzt sehe.“ Sieht Jake La Motta nun wirklich? Immerhin macht ihn der Regisseur zum retrospektiven Erzähler seiner eigenen Geschichte. Das spricht für Erkenntnis.

Soviel also zur Geschichte. Besonders passend, wie ich finde, ist der Film in Schwarz-Weiß gehalten, was zwar keine Tarantino-Blutspritzer-Massaker-Szenen hervorbringt, er allerdings gerade durch die farbliche Zurückhaltung an Intensität gewinnt. Genauso der Ton – jedes Mal wenn La Motta jemanden ins Gesicht boxt oder er geboxt wird, zuckt man unwillkürlich am Sofa zusammen – man hört den Schmerz, auch wenn die Protagonisten keine Miene verziehen. Scorsese hat mit Wie ein wilder Stier also einen wirklich tollen Job gemacht, was ebenso für den in diesem Film grandiosen Robert De Niro gilt. Zu allererst ein Lob an die Maske – De Niro sieht La Motta erstens tatsächlich ähnlich – und in manchen Szenen ist er sogar kaum wiederzuerkennen. Außerdem brilliert er in der Rolle und zeigt sein vielseitiges und außerordentliches schauspielerisches Können – nicht umsonst hat er für diese Rolle wohl 1981 den Oscar für den Besten Hauptdarsteller erhalten. Und laut allgemeinen Tenor, wenn man sich Kritiken und weitere Meinungen zum Film durchliest, ist die Rolle als Jake La Motta De Niros bedeutendste Rolle seines bisherigen Schaffens als Schauspieler.

Übrigens: Martin Scorsese hatte die Autobiografie während der Vorbereitungen zu Taxi Driver von De Niro ausgehändigt bekommen und war zunächst nicht besonders angetan, Stichwort: Boxen. Nach dem Misserfolg von New York, New York Ende der 70er Jahre fiel Scorsese in eine Depression – genau der richtige Zeitpunkt um Wie ein wilder Stier anzugehen, dachte sich jedenfalls De Niro. Also schleppte dieser den deprimierten Regisseur auf eine Insel, schrieb mit ihm gemeinsam das Drehbuch um und der Rest ist Geschichte, wie man so schön sagt. Noch ein witziges Detail am Rande: Da De Niro La Motta so realistisch wie möglich darstellen wollte, auch in seiner fetten Zeit, entschloss er sich, kräftig zuzunehmen und fraß sich vier Monate lang durch Norditalien und Frankreich. Was man nicht alles für eine Rolle auf sich nimmt.

Meine Empfehlung: Auch wenn einem Boxen nicht besonders zusagt, so sind die 123 Minuten in Wie ein wilder Stier gut investiert. Was heute Scorsese und DiCaprio haben, hatten damals Scorsese und De Niro: Eine (fast) unschlagbare Kombination aus talentiertem Regisseur und hingebungsvollen Schauspieler. Das nächste Mal geht es weiter mit John Hustons Gangster in Key Largo.

Tags:100 DVDs in 100 Wochen


Über den Autor

Jeannine Riepl Aufgabenbereich selbst definiert als: Background-Infosammlerin im Bereich Film und TV. Findet dass “Keine Feier ohne Geier” einer der witzigsten Sätze in der Geschichte des Disney-Films ist.