Veröffentlicht am 19. März 2014 | von Jeannine Riepl
Mit dem Älterwerden ist das ja so eine Sache: Entweder ist man ständig auf der Suche nach neuen Herausforderungen oder sie fliegen einem einfach so zu. Zweiteres ist bei mir der Fall – nicht dass ich schon unglaublich alt wäre – aber ich habe zu meinem Geburtstag 100 DVDs aus der Cinemathek der Süddeutschen Zeitung bekommen. Dies nehme ich nun zum Anlass um das Projekt 100 DVDs in 100 Wochen zu starten. Und gestartet wird heute.
Da ich aufgrund des Überblicks beschlossen habe, chronologisch vorzugehen, ist Film Nummer eins Der Leopard von Luchino Visconti. Kurz zu den Eckdaten: Dieses, ich zitiere einen Satz der Rückseite der DVD, „filmische Meisterwerk“, dauert 178 Minuten. Ja, also einen gefühlten ganzen Sonntagnachmittag. Zu meinem Glück ist dieser Sonntag so dermaßen windig und grauslich draußen, dass ich ohnehin keine Lust auf irgendwelche Outdoor-Aktivitäten habe. Entstanden ist Der Leopard im Jahr 1962 und erhielt sogar ein Jahr später bei den Filmfestspielen von Cannes die goldene Palme. Mit diesem Wissen drehe ich also meinen DVD-Player auf und bin zuerst mal guter Hoffnung.
Nach der ersten Stunde frage ich mich allerdings ob man die Handlung nicht ein wenig beschleunigen könnte. Keine Frage, die Zeit der italienischen Freiheitskämpfe kann spannend sein und der Untergang des herrschenden Adels mag so manchen Historienliebhaber vor Entzückung heitere Luftsprünge machen lassen, aber ich bin auf meiner Couch gerade nicht unbedingt Feuer und Flamme. Mich beschäftigt also nicht wirklich die Handlung, sondern viel eher „Warum zum Teufel (ja, das war jetzt pure Absicht) wird in diesem Film soviel gebetet?“ Ich weiß schon, Italien ist ja katholisch von kaum einem anderen Land zu überbieten und auch in die Zeit um 1860 mag das ja ganz gut passen – mir ist das alles ein Tick zu viel. Vielleicht weil ich generell nicht der Mensch bin, der jeden Sonntag in die Kirche geht und sich nicht halten kann, wenn der Papst irgendwo zu Besuch ist, mag sein. Allerdings beginne ich mich zu fragen, ob ich für meine Seele vielleicht doch hin und wieder beten sollte und ob der Weltfrieden vielleicht schon längst vorhanden wäre, würde jeder einer Religion angehören. Apropos Weltfrieden – der beschissenste aller Jobs in der Armee ist wohl zweifelsohne jener des Fahnenträgers. Ich mein, hallo?! Der arme Kerl ist an vorderster Front und unbewaffnet! Das klassische Kanonenfutter also – bedauernswert. Ich beschließe also: Sollte ich jemals in einer Armee kämpfen müssen – und wenn es nur ein schräger Verein ist, der frühere Schlachten nachstellt – Fahnenträger werde ich ganz bestimmt nicht. Achja, im Film war gerade eine Schlacht zu sehen, nur dass ihr mir noch folgen könnt…
Da ich mittlerweile schon eine liegende Position auf der Couch angenommen habe und mir dementsprechend die Augen zufallen (wovon eigentlich? Es ist Sonntag verdammt!) begebe ich mich, natürlich nicht ohne vorher auf den Pause-Knopf gedrückt zu haben, in die Küche und mache mir den stärksten verfügbaren Kaffee. Okay, weiter mit, oh mein Gott, noch so lange? Egal, ich zieh das jetzt durch. Burt Lancaster spielt übrigens den Patriarchen der Familie grandios, nicht nur aufgrund des unglaublich buschigen Bartes. Ob man das heute wohl noch so tragen könnte, ohne als Sonderling zu gelten? Naja, irgendein Hipster wird schon wieder draufkommen und dann folgt der gesamte siebente Wiener Gemeindebezirk… aber egal, ich lass mich eindeutig zu viel ablenken.
Der letzte Teil des Films ist übrigens mit der vierzigminütigen Ballszene angebrochen – lauter schöne Menschen mit unglaublich pompösen Kleidern, Herren in Frack und Hut sowie Soldaten in schmucken Uniformen. Wenn ich so ein Kleid bei den sizilianischen Temperaturen anziehen müsste und dann auch noch betrunken wäre, ich würde wohl keine zehn Minuten durchhalten. Die Damen im Film scheinen sich daran wenig bis gar nicht zu stören, immerhin haben sie mit Fächern dementsprechend vorgesorgt. Obwohl die Kleider wirklich sehr elegant aussehen frage ich mich, ob es zu dieser Zeit wohl auch so etwas wie Jogginghosen gegeben hat. Wenn nicht – die armen Frauen! Vor allem diese engen Korsagen, diese Reifröcke, wie kann man damit eigentlich sitzen? Faszinierend. Ebenso ein interessanter Fakt ist, dass so ziemlich jeder fähig ist, Walzer oder sonst irgendeinen Gesellschaftstanz am Parkett über die Bühne zu bringen. Ja okay, vielleicht ist da in unserer heutigen Zeit kein Platz mehr dafür, dieses Internet und Fernsehen, ganz schlimm. Andererseits: Wenn das das einzige war, auf was man sich freuen konnte, sofern man zur Oberschicht gehörte, sind mir Jogginghosen und Facebook doch lieber.
Aber ich schweife schon wieder ab… obwohl, viel mehr kann ich zu meinem Filmerlebnis fast gar nicht mehr hinzufügen. Zusammengefasst ist Der Leopard ein nicht enden wollendes monumentales Epos, das die Zeit der italienischen Befreiungskämpfe nicht unbedingt spannender macht. Ganz klar, in den 60ern hatte der Film ohne Zweifel seine Berechtigung, aber heute kann man sich die 178 Minuten getrost sparen. Meine Empfehlung: Sollte man an einem Sonntagnachmittag nichts besseres zu tun haben als komatös auf der Couch den Kater vom Samstag auszukurieren und nicht irgendeine Wiederholung von etwas läuft, das man schon gefühlte 1.000 Mal gesehen hat, dann sollte man sich Der Leopard anschauen. Alternativ dazu: Als Cineast und/oder Filmwissenschaftsstudent sollte man sich zumindest die Inhaltsangabe durchlesen, um mitreden zu können – reicht vollkommen.
Das nächsten Mal dann Michael Manns Thriller Heat.
Tags:100 DVDs in 100 WochenLuchino Visconti
Über den Autor
Jeannine Riepl Aufgabenbereich selbst definiert als: Background-Infosammlerin im Bereich Film und TV. Findet dass “Keine Feier ohne Geier” einer der witzigsten Sätze in der Geschichte des Disney-Films ist.