Bereits einige Jahre bin ich nach Irland gereist, doch habe ich die grüne Insel erst in diesem Jahr als „mein“ perfektes Wanderziel entdeckt. Anfang Juni erkundete ich auf eigene Faust die Wicklow Mountains und wanderte einen Teil auf dem Wicklow Way. Seither wurde meine Reiselust entfacht und die Neugier auf weitere Wanderwege in Irland geweckt. Mit dem Kerry Way und dem Dingle Way liebäugelte ich schon bei den Vorbereitungen meiner ersten Wandertour. Doch angesichts von begrenzter Urlaubszeit,musste der nächste Wanderurlaub erst einmal warten. Dachte ich. Denn manchmal werden Träume schneller erfüllt als man denkt. Über einen persönlichen Kontakt von mir, wurde ich von Highländer-Reisen angesprochen und zu einer ihrer Aktivreisen in Irland eingeladen. Anfang September sollte es noch einmal für mich auf die grüne Insel gehen, diesmal zum Wandern ins südliche Kerry. Im Anschluss würde ich dann über die Reise und meine Erfahrungen hier im Landlinien Blog berichten. Mit großer Freude nehme ich diese Einladung an und mache mich wieder einmal auf den Weg.
Gedanken vor der Reise
Neben der Möglichkeit ein zweites Mal in diesem Jahr in Irland wandern zu gehen, hat mich zu dieser Reise vor allem die Neugier motiviert, den Unterschied zwischen selbstbestimmter Individualreise und organisierter Gruppenreise herauszufinden. Bisher war ich es auf meinen Wandertouren – ob auf dem Jakobsweg, in Südengland oder im heimischen Bergischen Land – gewohnt, alles alleine zu organisieren und umzusetzen. Angefangen von der Ausarbeitung der Wanderroute, über das Buchen der Unterkünfte bis zur Recherche von Einkaufsmöglichkeiten und Busverbindungen. Auf den Wanderwegen selber konnte ich mich immer mit einem hohen Maß an Freiheit bewegen und musste auf niemanden Rücksicht nehmen, lediglich auf mich selbst. Allerdings erlebte ich die meisten Momente oft alleine und konnte sie erst nach meiner Heimreise mit Freunden und Familie teilen. Was würde ich also als angenehmer empfinden: selbstbestimmt alleine oder gemeinsam in der Gruppe? Könnte es auch mal schön sein, sich nicht um alles kümmern zu müssen?
Die Region Kerry kannte ich bisher nur flüchtig und aus dem Auto heraus. So verbrachte ich hier – schon einige Jahre her – eine knappe Woche zusammen mit meinen Eltern, woran ich mich im Nachhinein nur schwach erinnern kann. Im Kopf ist mir lediglich die Erinnerung geblieben, dass die Halbinseln Kerry und Dingle landschaftlich zwar wunderschön, aber touristisch stark frequentiert waren. Bilder von vollbesetzen Bussen, die sich den „Ring of Kerry“ entlang quetschten und ihre Fahrgäste nur kurz an Parkplätzen entließen, hatte ich abgespeichert. Wie würde es sein Kerry nur mit den Wanderschuhen zu erkunden und der gewohnten Straße den Rücken zu zeigen? Würde ich hier ähnliche Stille und Einsamkeit finden wie in den Wicklow Mountains?
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1. Tag: Wanderung durch den Killarney Nationalpark
Am ersten Tag unserer Tour starten wir nach einem ausgiebigen Frühstück – dank Porridge auch vegetariergeeignet – direkt vom Victoria House Hotel aus Richtung Killarney Nationalpark. Bei der angrenzenden Tankstelle samt Shop können wir unsere Wasserrationen auffüllen und ein Lunch für den Mittag einkaufen. Gleich am Anfang begleitet uns ein gut gelaunter Hund fast bis zum Ufer des Lough Leane, von wo aus wir abseits von Autos und Kutschen Richtung Muckross House laufen. Kleinere Buchten eröffnen uns immer wieder erste Blicke auf die Berge des Nationalparks. Auf einer imposanten Allee laufen wir direkt auf das Muckross House zu, welches erhaben vor dem gleichnamigen See thront. Diesen werden wir zunächst auf etwa 12 km umrunden, bevor wir hierher zurückkehren und das Herrenhaus von innen besichtigen. Der Rundweg führt am Anfang hoch zum Torc Wasserfall, der uns eine hervorragende Kulisse zum fotografieren bietet. Nach einer ausgiebigen Fotosession geht es weiter hoch, bis wir von oben über die beiden Seen blicken können, an deren Ufer wir vorhin noch gestanden haben. Der Wanderweg ist sehr gut ausgebaut, so dass man hier zügig und ohne viel nachzudenken an einem Stück laufen kann. Zwischen Wiesen und kleineren Wäldern macht sich der Geruch des Herbstes breit. Die Sonne steht tiefer als sonst, scheint aber immer noch so stark, dass wir Regenjacke und Pulli ablegen können. Etwa auf der Hälfte des Weges überqueren wir die romantisch gelegene Old Weir Bridge. Auch hier nehmen wir uns ausgiebig Zeit für Fotos, bevor wir uns im angrenzenden Dinis Cottage für unsere Mittagspause niederlassen. Fast wie in einem Irrgarten sitzt man hier verwinkelt in lauschigen Eckchen, so dass sich weitere Wanderer und Touristen, die hier ebenfalls unterwegs sind, gut verteilen. Gerne würden wir hier noch länger verweilen und einfach in der Sonne faulenzen, doch drängt ein wenig die Zeit, wollen wir doch noch das Muckross House besichtigen. Entsprechend zügig wandern wir die 2. Hälfte des Rundweges zurück, vorbei an der Brickeen Bridge bis zum Herrenhaus, das wir pünktlich zur letzten Führung um 16.40 Uhr erreichen. Durch die Räume des Herrenhauses aus dem 19. Jahrhundert weht ein Hauch von Geschichte und irischem Adel. Eines der wichtigsten Ereignisse war der Besuch Queen Victorias im Jahr 1861, für die ein Teil des Muckross House extra umgebaut wurde. Ganz so opulent werden wir in unserer Unterkunft natürlich nicht empfangen, wobei das Dinner recht fürstlich ist. Die Anstrengung der Wanderung ist uns allen anzumerken. Wir schweigen allesamt so auffällig, dass sogar die Bedienung sich wundert und unseren Reiseleiter fragt, was er mit uns angestellt hat.
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2. Tag: Torc Mountain & Bootsfahrt über die 3 Seen
Auf den Wunsch der Gruppe hin, ändert Reiseleiter Thomas die heutige Tour von Gap of Dunloe ab auf wandern durch den Killarney Nationalpark samt Aufstieg zum Torc Mountain (540 m). Nach einem Bustransfer, der uns oberhalb des Torc Wasserfalls absetzt, wandern wir durch verwunschene Eichenwälder und Mooshügel bis zum Fuß des Torc Mountain. Bevor wir unseren Weg auf der alten Kenmare Road – der ursprünglichen Verbindung von Killarney und Kenmare im Süden – fortsetzen, geht es rauf auf den Torc Mountain. Im Zick-Zack schlängt sich der Weg hoch über Schotterwege, Bohlen und Steintreppen. In der Gruppe läuft es sich hier nicht ganz so flüssig wie auf ebener Fläche, so kommt es immer mal wieder zu einem kleineren „Stau“. Je weiter wir nach oben steigen, desto größer wird meine Freude. Ich fühle mich an die Wicklow Mountains erinnert. Oben angekommen setze ich mich schnell – nach einem kurzen Freudensprung – hin, so kräftig bläst der Wind. Leider versperrt uns dichter Nebel jegliche Sicht auf die Seen im Tal, so dass jetzt nur noch Schokolade Trost spenden kann. Gestärkt geht es wieder runter, weiter auf unserem Weg durch Farne, Gräser und Eichenwälder, bis zu einem kleinen Wasserfall, an dem wir eine längere Pause einlegen. Ab der Kreuzung, an der die alte Kenmare Road auf den Kerry Way trifft, macht sich vor uns ein weites Tal breit. Das Grün scheint mir hier satter zu sein als anderswo, und auch der Farn wächst wahllos aus den Bäumen heraus. Die Äste der vermoosten Eichenwälder wirken zum Teil so mystisch wie Figuren aus einem Märchen. Immer wieder bleiben wir stehen und versuchen diese Momente mit der Kamera einzufangen. Man könnte meinen hier durch eine Filmkulisse von „Harry Potter“ und „Herr der Ringe“ zu laufen. Bei Lord Brandon’s Cottage und am westlichen Ufer des Upper Lake angekommen, warten wir bei Kaffee und Kuchen auf unser Boot, das uns den ganzen Weg bis nach Killarney zurückbringen soll. Die Bootsfahrt ist eine Wohltat! Glücklich darüber keinen Meter weiter laufen zu müssen, sitzen wir entsprechend entspannt auf den Holzbänken, den Blick hoch in die Berge gerichtet. Nur Boots-Hund Buddy scheint nicht müde zu sein: aufmerksam schlängelt er sich um uns rum, in der Hoffnung einen herabfallenden Keks zu finden. Abenteuerlich wird es als wir auf die Brücken rund um Dinis Cottage zusteuern, bei dem wir erst am Tag zuvor unsere Pause verbracht haben. Die niedrige Wasserstand, oder unser Gewicht, oder auch beides, lässt uns doch noch einmal aus dem Boot aussteigen, bevor wir wieder vollständig – und ohne den Boden zu berühren – bis zum Endziel schippern. Mit den Gedanken bereits beim Dinner und halb im Bett, rüttelt uns dann die Ansage unseres Reiseleiters wach: wir können nicht direkt am Ufer in der Nähe unseres Hotels anlegen, sondern müssen einen Umweg über das Ross Castle in Kauf nehmen. Sprich etwa eine Stunde Fußweg ontop. Nach fast 18 km Strecke samt Bergaufstieg ist entsprechend niemand wirklich begeistert, doch laufen wir alle brav weiter. Vielleicht liegt es an der Aussicht auf „wanderfrei“ am nächsten Tag.
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3. Tag: Ausflug nach Dingle & Blasket Islands
Heute ist unser wanderfreier Tag! Zur Auswahl stehen mehrere Ausflugsideen in die nähere Umgebung. Aufgrund des blendenden Wetters entscheiden wir uns gemeinsam für eine Fahrt nach Dingle samt Schifffahrt zu den Blasket Islands. Das ist auch für Reiseleiter Thomas ein Highlight, so lässt das Wetter es nicht allzu oft zu die verlassene Insel besuchen zu können. Für die Tour chartern wir extra einen Bus, mit dem wir – recht abenteuerlich über Irlands kurvige Straßen – Richtung Dingle fahren. Zur Abwechslung ist es auch mal ganz schön die Landschaft vom Bus aus auf sich wirken zu lassen. Noch schöner ist unser erster Stopp auf Dingle, bei Inch Beach. Endlich Meer und Strand! Wie neugierige Kinder laufen wir den Wellen entgegen und verteilen uns für einen Moment – jeder für sich – über den Strand. Der strahlend blaue Himmel, das Rauschen des Meeres und die Berge von Kerry im Hintergrund machen diesen Ort so besonders. Bei unserem zweiten Stopp, Dingle Stadt, machen wir eine Stunde lang Pause, so dass sich jeder in Ruhe umschauen kann. Nach ausgiebigem Stöbern im Dingle Music Shop, stelle ich mir mein Lunch im Supermarkt zusammen und gönne mir zum Abschluss ein Eis bei Murphy´s. Das ist nicht nur unglaublich lecker, sondern auch mit ausschließlich regionalen und natürlichen Zutaten hergestellt. Sehr probierenswert: das Sea-Salt- und das Guinness-Eis. Als nächstes erwartet uns ein – für mich absolutes – Highlight unserer Tour: ein Besuch der Blasket Islands. Über den Slea Head Drive, vorbei an weiteren imposanten Buchten, erreichen wir Dunquin, von wo aus wir mit einer kleinen Fähre zu Great Blasket, der größten Insel der Blasket Islands, übersetzen werden. Etwas mulmig ist mir schon, als ich mir den Wellengang etwas genauer anschaue. Doch siegt die Neugier über die Angst, und schon sitzen wir nebeneinander in Schwimmwesten gepackt auf dem schaukelnden Boot, mitten im Atlantik. Nach der etwa 20-minütigen Überfahrt ist das Bootsabenteuer noch nicht ganz beendet: in 2 Gruppen geteilt müssen wir kurz vor dem Anlegesteg ins Schlauchboot wechseln, um an Land kommen zu können. Festen Boden unter den Füßen, mache ich innerlich erst mal drei Kreuze. Doch die schauklige Überfahrt hat sich mehr als gelohnt: die leuchtend grüne Insel ist umrahmt von klar türkisfarbenem Wasser. Nur das Grau der zerfallenen Steinhäuser und der weiße Sandstrand unterbrechen diese Farbenpracht. Den Spuren irischer Geschichte folgend, erkunden wir das verlassene Dorf, welches noch bis 1963 bevölkert war. Erst in jenem Jahr siedelten die Inselbewohner endgültig zum Festland über, nachdem einer ihrer jüngsten Einwohner – Anfang 20 – an den Folgen einer Gehirnhautentzündung starb. Lediglich der raue Seegang und die unterbrochene Funkverbindung zum Festland, hatten seine Rettung verhindert. Bis dahin lebte auf Great Blasket eine kleine Gemeinschaft, in einfachen, teilweise noch traditionellen Verhältnissen. Zeichen ihrer Zeit finden wir in Form ihrer zerfallenen Häuser und mit Gras überwachsenen Mauern, die die Felder von Vieh beschützen sollte. Schafe gibt es hier noch immer, sowie drei Esel, die sich in aller Ruhe fotografieren lassen. Der Strand von Great Blasket ist nicht nur traumhaft, sondern einzigartig: nah dem Ufer schwimmen etwa 20 Seelöwen, die ihre Köpfe neugierig aus dem Wasser strecken. Gerne würden wir uns das Naturschauspiel noch länger anschauen, doch drängt langsam die Zeit. Um 17 Uhr geht die letzte Fähre zurück zum Festland, und wer dann nicht pünktlich am Steg steht, der bleibt zurück. Basta. So wunderschön Great Blasket Island auch ist, in den Genuss einer Nacht im Freien möchte ich hier nicht unbedingt kommen.
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4. Tag: Auf dem Bergkamm nach Waterville
Für den Rest unserer Reise verlassen wir an dem heutigen Tag Killarney und fahren Richtung Südspitze Kerrys. Während das Gepäck zu unserer nächsten Unterkunft – dem Butler Arms Hotel – in Waterville transportiert wird, wandern wir dem Städtchen auf einem Bergkamm entgegen. Unsere Tour beginnt mitten im Nirgendwo an einem verlassenen Post Office, an dem sich Einige unserer Gruppe tatsächlich trauen ihre Postkarten einzuwerfen. Auf den Bergkamm von 280 Metern geht es steil bergauf. Den einen wanderfreien Tag merke ich jetzt in meinen Beinen. Einer weiteren Teilnehmerin aus der Gruppe geht es ähnlich, nur weit aus schlimmer: ihr Bein streikt an diesem Tag. Reiseleiter Thomas versucht sein Bestes, um den Krampf aus ihrer Wade zu lösen und ihr Mut für den Rest der Tour zu machen. Kurzer Hand und ohne lange zu überlegen, bieten weitere Gruppenmitglieder ihrer Hilfe an und tragen den Rucksack abwechselnd bis zur Endstation in Waterville. Auf dem Bergkamm geht es schnurstracks geradeaus, parallel zum im Tal fließenden River Inny, immer wieder mit großartiger Sicht über die Atlantikküste und den Lough Currane. Auf unserer Reise sind wir auch öfter auf einheimische Tiere gestoßen. So auch an diesem Tag. Beim Abstieg des Berges und auf dem Weg nach Waterville laufen wir zunächst quer über eine Schafswiese, als uns mittendrin ein Pferd neugierig anschaut. Doch nicht genug, wenige Meter weiter bleibt ein Teil der Gruppe unsicher stehen bis Reiseleiter Thomas eintrifft. Der Grund: eine Herde Bullen steht mitten auf unserem Weg. Während wir Pläne schmieden wie wir dieser bedrohlichen Situation entkommen könnten, hat Thomas die Lösung: „Einfach zusammen durchlaufen. Los!“ Uns bleibt nichts anderes übrig als ihm zu folgen, und zwar zügig. Nach diesem kleinen Abenteuer begrüßt uns, diesmal freudig, ein weiterer Einheimischer. Aus einem Haus am Wegesrand kommt ein fröhlich wedelnder Golden Retriever angedackelt und gibt uns schnell zu verstehen, dass wir ihn kraulen sollen. In Waterville angekommen, setzt sich das Hundespielchen an der Promenade fort. Die Zeit bis zum Abendessen in dem urigen Strandhotel nutzen wir alle unterschiedlich. Ich spaziere dem Sonnenuntergang entgegen auf den Spuren Charlie Chaplins, der zu Lebzeiten gerne und oft seine Urlaube in dem Städtchen verbrachte. Ich kann ihn sehr gut verstehen…
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5. Tag: Von Waterville nach Caherdaniel auf dem Kerry Way
Ein letztes Mal wechseln wir die Unterkunft und wandern heute dem Derrynane Hotel entgegen, der gleichzeitig letzten Station unserer Tour. Das Gepäck wird wieder separat transportiert, so dass wir erneut nur mit einem leichten Tagesrucksack laufen können. Trotz des Regens in der Nacht breitet sich am Vormittag erneut die Sonne aus. Bevor wir auf den Kerry Way einsteigen, besichtigen wir noch ein historisches Steinfort und lassen uns von Reiseleiter Thomas die Geschichte der Kartoffelpest erzählen. Nachdenklich über das irische Volk, das immer wieder Niederlagen erlebt hat, staune ich über die eindrucksvolle Landschaft, in der diese Niederlagen unter anderem stattgefunden haben. Welch ein Kontrast. Während Autos und Busse den Berg auf dem „Ring of Kerry“ umrunden, erklimmen wir ihn auf direktem Weg. Oben an der Straße angekommen, teilt sich unsere Gruppe, bis zum nächsten Stopp am Café. Ich gehe auf der etwas leichteren Strecke, an der Straße entlang und erlebe für einen Moment wie es ist Bustourist zu sein. Auf dem Parkplatz bei Coomakista bietet sich ein traumhafter Blick über die Derrynane Bay. Im Unterschied zu denen, die hier nur kurz für ein Foto anhalten, weiß ich, dass wir bis nach unten zu dieser Bucht wandern und den weißen Sand berühren werden. Ein schönes Gefühl. Nach unserer Mittagspause treten wir den Weg zur Derrynane Bay dann auch an. Reiseleiter Thomas war zuvor auch noch nicht an diesem Ort und ist um so mehr froh, als er den Einstieg dahin findet. Somit laufen wir ein weitaus schöneres Stück als über den üblich geplanten Kerry Way, was unsere heutige Strecke jedoch auf etwa 20 km anhebt, wie sich später herausstellt. Als wir die Derrynane Bay erreichen wird mir schnell klar: das ist mein persönlicher Favorit auf unserer Tour! So eine einzigartige Bucht habe ich bisher noch nicht gesehen. Je weiter wir laufen, desto mehr verwinkelte Buchten, Strände und kleine Häfen entdecken wir. Das Wasser leuchtet in unterschiedlichen Farbtönen von hellem Türkis bis dunklem Blau. An einem der Strände mit angrenzendem Friedhof, auf dem die alte Kirche von Caherdaniel steht, halten wir für eine kurze Pause an. Mehr als eine ¾ Stunde bleibt uns leider nicht, da wir zeitig zum Abendessen im Hotel sein müssen und noch etwa eine Stunde Fußmarsch vor uns liegt. Umso intensiver versuche ich diesen Moment festzuhalten und knipse ein Foto nach dem anderen. Doch es nützt alles nichts, wir müssen weiter. Aber ich verspreche mir selbst hierher ein anderes Mal wiederzukommen.
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6. Tag: Wanderung hoch zum Eagles Hill
Ein letztes Mal den Tagesrucksack packen, die Schuhe festschnüren und Wanderluft schnuppern. Zum Abschluss unserer Wandertour geht es noch einmal hoch hinaus zum Egales Hill auf etwa 550 Höhenmeter. Wir starten direkt vom Hotel aus und kaufen im lokalen Shop in Caherdaniel ein, der sich als wahres Sammelsurium entpuppt. Wie in einer Art Tante Emma Laden findet man hier zwischen regionalem Gemüse, frischen Croissants und Olivenöl Sonnencreme, Postkarten und vielerlei weiteren Schnickschnack. An der Hauptkreuzung in Caherdaniel steigen wir ein in den Wanderweg, einem alten Butter Weg. Schwer vorzustellen, dass hier Butter von Ort zu Ort transportiert wurde, so steil und steinig geht es bergauf. Gleich zu Anfang steigen wir über eine doppelseitige Leiter, welche wiederum über ein Tor ragt, was wir im Laufe der Tour noch einige Male machen werden. Die Tore und Zäune grenzen die freilaufenden Schafe ein. Als würde hier nie eine Menschenseele vorbei laufen, blicken sie uns immer wieder überrascht an. Zücken wir schnell genug unsere Kameras, kriegen wir im besten Fall diesen Moment der Verwunderung auf ein Foto; im schlechtesten Fall eben nur ein Schaf von hinten. Noch einmal in diesem Jahr blüht der Ginster soweit das Auge reicht, ganz so wie im Frühjahr. Zum Berg hin löst sich der Wanderweg immer mehr auf, so dass wir ihn fast selbst bestimmen müssen. Auf den Berg soll es gehen, doch ist der Einstieg nicht ganz klar. Schließlich erklimmen wir den Berg mal direkt geradeaus, mal im Zickzack, je nachdem was die persönliche Kondition hergibt. Ich laufe im Zickzack und ganz hinten. Entsprechend schlecht ist meine Laune… heute macht das Bergsteigen nicht so viel Spaß. Auch das Wetter kann meine Laune in diesem Moment nicht heben: mal scheint die Sonne, mal nieselt es, durchweg weht ein kräftiger Wind. Es bleibt mir nichts anderes übrig als die Zähne zusammenzubeißen, auf den Boden zu schauen und mein eigens Lauftempo zu finden. Kaum bin ich drin, bin ich auch schon oben. Die weite Sicht, kurz unter den Wolken, ist die Belohnung. Bis hin zur Derrynane Bay und den weißen Stränden kann man blicken, was mich wieder fröhlicher stimmt. Auf dem Weg nach unten finden wir eine etwas windstillere Nische für unsere Mittagspause. Wie abgesprochen kommt dann auch wieder die Sonne raus, was mich prompt in einen Mittagsschlaf fallen lässt. Auch das letzte Stück Weg laufen wir zügig, mittlerweile in einem gut eingespielten Gruppentempo. Angekommen in Caherdaniel, gönnen wir uns zum Abschluss unserer letzten Wanderung ein köstliches Stück selbst gebackenen Kuchen samt Kaffee in der Sugarshak Cakery. Idyllisch sitzen wir unter großen Bäumen am Wegesrand, schlürfen Mocca und essen Carrotcake mit Cream. Kann es einen süßeren Abschluss für eine anstrengende Wandertour geben?
Mein Fazit
Gelungen ist die Tour mit Highländer-Reisen allemal: wir haben einige der schönsten Ecken Kerrys entdeckt, sind immer mitten durch die Natur gewandert, hatten Ruhe dort wo man sie suchte, bekamen auch persönliche Infos von unserem Reiseleiter über Irland und hatten viel Spaß in der Gruppe. Man muss dazu sagen, dass sich das Wetter in der Woche von seiner besten Seite gezeigt hat und auch die Gruppe harmonisch gemischt war. Das ist zwar kein Garant, aber doch eine wichtige Voraussetzung für eine gelungene Reise. Außerdem fand ich es sehr angenehm einen Reiseleiter zu haben, der uns neben den allgemeinen Fakten auch persönliche Anekdoten und Hintergründe über Irland erzählen konnte. Auf die Art bekamen wir ein ganz eigenes Bild von dem Leben auf der Insel, damals wie heute. Auch konnte ich mein Wissen über irische Musik erweitern, was mich persönlich sehr gefreut hat.
Aus meiner Sicht ist eine organisierte Gruppenreise gut geeignet für Irland Einsteiger und alle jene, die sich nicht mit den Details der Planung aufhalten möchten. Bei unserer Reise war an alles gedacht, so dass man sich keine Gedanken um Details wie Unterkunft, Transfer und kulinarische Versorgung machen musste. So konnte man sich voll und ganz auf das Wandern konzentrieren und das Land mit all seinen Eindrücken wirken lassen. Wer Irland allerdings etwas direkter und persönlicher erleben möchte, der kann sich ins Abenteuer stürzen und die grüne Insel auf eigene Faust erkunden. Neben einigen Fernwanderwegen, wie dem genannten Kerry Way, gibt es zunehmend gut ausgebaute Kurzwanderwege. Hierbei sollte man aber auf irische Gemütlichkeit gefasst sein – gerade was die Transportmöglichkeiten angeht – und sich auf einfache Unterkünfte im Hostel einstellen, wenn man aufs Budget achten möchte.
Kerry ist eine besonders vielseitige Wanderregion in Irland. Hier kann man auf einer überschaubar großen Fläche einsame Strände, raue Berge, liebliche Täler als auch typisch irische Städtchen und geschichtliche Stätten erleben. Als Reisezeit würde ich allerdings die Nebensaison empfehlen, da in der Hauptsaison Kerry von zahlreichen Touristen – samt Bussen – heimgesucht wird. Auch wenn diese die Straße vorziehen, wird man nicht an allen Orten die schön irische Ruhe vorfinden wie bei unserer Reise Anfang September.
Während, als auch nach meiner Reise mit Highländer-Reisen, beschäftigt mich die Frage, was ich persönlich als besser empfinde: individuell reisen oder organisiert in der Gruppe? Wie ich vermutet habe, kann ich diese Frage nicht eindeutig beantworten, eher die Vor- und Nachteile abwägen. Da ich schon recht oft nach Irland gereist bin und mich hier fast heimisch fühle, reizt mich vor allem die persönliche und tiefgründige Seite Irlands zu entdecken. Bei einer Individualreise habe ich das Gefühl, mehr mit den Einheimischen in Kontakt zu kommen und auf eigene, spezielle Interessen – wie z.B. Irish Folk Music – eingehen zu können. Das was man erlebt ist mehr dem Zufall überlassen und bietet dem Abenteuer ausreichend Schlupflöcher. Auf der anderen Seite konnte unser Reiseleiter mir einige spezielle Fragen treffend beantworten, vielleicht sogar besser, als wenn ich mich alleine auf die Suche nach der Antwort gemacht hätte. So habe ich nun zum Beispiel ein genaueres Bild von der aktuellen wirtschaftlichen Lage und dem Leben in Irland sowie eine konkrete Idee davon, wie ich im nächsten Schritt am Besten mein Vorhaben Tin Whistle zu lernen angehe. Außerdem habe ich Ecken in Kerry entdeckt, die ich alleine wahrscheinlich ausgelassen hätte, wie zum Beispiel den Aufstieg des Torc Mountain bei Nebel. In der Gruppe waren solche Strecken definitiv einfacher und schöner.
Für die Zukunft kann ich mir sehr gut vorstellen mit Highländer-Reisen Regionen in Irland zu erkunden, die ich noch nicht oder nur wenig kenne, wie z.B. Donegal und Connemara. Dadurch hätte ich dann schon mal einen guten Überblick über die jeweilige Gegend und könnte sie danach auf eigene Faust und im Detail entdecken. Also auch für mich ein perfekter Einstieg für ein Land, das ich dachte schon sehr gut zu kennen.