Die Einführung eines allgemeinen, flächendeckenden, gesetzlichen Mindestlohn in Deutschland würde viele Vorteile bringen.
Zunächst einmal dient er natürlich ganz unmittelbar der Verhinderung von Armutslöhnen. Das Argument der Neoliberalen, dass Arbeitnehmer, die von ihren Löhnen allein nicht leben können, “eben zu unproduktiv sein”, ist einfach nur zynisch. (Die Neoliberalen verfallen hier nebenbei dem klassischen Marxschen Warenfetischismus. Der Wert der Arbeit zeigt sich im Kapitalismus nur im Tauschwert und nicht in geschaffenen Gebrauchswerten.) Auch wenn die Neoklassiker davon ausgehen, dass es sich beim Arbeitsmarkt um einen perfekten Markt handelt, liegen sie falsch. Und wer sagt, dass jemand mit einer solchen Einstellung nicht eines Tages dafür plädiert, die Lohnzuschüsse für die “unproduktiven” einfach einzustellen? Jeder ist doch ausschließlich für sich selbst verantwortlich in dieser Gesellschaft.
Der Neoliberalismus setzt derzeit auf Kombilöhne. Diese Methode der staatlichen Bezuschussung von Niedriglöhnen (“Aufstocken”), die für über 1 Millionen Arbeitnehmer in Deutschland gezahlt werden, setzen falsche Anreize, führen zu einer Plünderung des Staates durch Unternehmen, die reguläre Beschäftigung durch Niedriglöhner ersetzen, und vergrößern den Niedriglohnsektor in Deutschland weiter (ausführlicher in Kombilöhne: sinnvoll oder nicht?). Gegen diese Entwicklungen hilft ein Mindestlohn. Auch die Forderung “Arbeit muss sich lohnen” und die nach einem Abstand zwischen Löhnen und Transfereinkommen werden statt durch immer weiteres Senken der Sozialleistungen bis unter das Existenzminimum viel besser durch einen Mindestlohn gewährleistet.
Schließlich führt ein Mindestlohn zu einer Steigerung der Nachfrage und des Binnenkonsums, die in Deutschland dringend gegeben ist. In keinem anderen Industrieland sind die Löhne (in den letzten Jahrzehnten wie auch in den unmittelbar letzten Jahren) so wenig gewachsen wie in Deutschland; die Lohnquote fällt dramatisch. Durch seine enorme Exportabhängigkeit, die mit Lohndumping erkauft wurde, gefährdet Deutschland enorm die Stabilität der Eurozone, mehr als die Defizit”sünder”.
Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen, dass es insgesamt keine beschäftigungshemmende Wirkung eines Mindestlohnes auf eine Volkswirtschaft gibt. Schließlich verlangt auch die Liberalisierung der europäischen Arbeitsmärkte nach gesetzlichen Mindestlohnregelungen. In der EU gibt es übrigens in 20 von 27 Ländern Mindestlöhne.
Quelle: WSI-Mindestlohnbericht 2011
Im Netz gibt es nun eine Kampagne:
Mindestlohn 10 Euro
Die Forderungen sind:
- Gesetzlicher Mindestlohn 10 € brutto – lohnsteuerfrei!
- ALG II: mindestens 500 € Eckregelsatz
Über die Höhe des Mindestlohnes (und welche Höhe man strategisch am besten fordert) und des Hartz-IV-Satzes (und wie dieser festgelegt werden soll) kann man zwar sicher diskutieren – aber insgesamt halte ich das Anliegen für unterstützenswert.
Vor allem möchte man Multiplikatoren gewinnen, daher gibt es die Aktion 100 Blogs für 10 Euro Mindestlohn. Denn das Thema verlangt Aufmerksamkeit. Bei allen Diskussionen um Atomkraft und Energiepolitik sollten wir die dringenden sozialpolitischen Fragen nicht übersehen.