10 Eigenschaften, mit denen Udo Jürgens Deutschland verändert hat!

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Am gestrigen Sonntag ist der Schlagerstar Udo Jürgens überraschend bei einem Spaziergang an Herzversagen gestorben. Hier 10 Eigenschaften, mit denen er Deutschland verändert hat.

1. Udo Jürgens war einer der letzten Künstler, die es schaffen, Menschen aller Altersklassen und sozialer Schichten zu begeistern.

In einer Zeit, in der sich die unterschiedlichen Milieus immer weiter auseinander bewegen, war Udo Jürgens ein Phänomen: Die Feuilletonkritiker liebten ihn. Die Rentner. Die Studenten. Die Arbeiter.

Manche bewunderten an ihm seine Haltung. Andere seinen Charme. Und die meisten verbanden mit ihm einfach Erinnerungen, weil Jürgens mehr als 50 Jahre lang ein Teil des kollektiven Gedächtnisses war.

Dabei wurde er nicht nur durch seine Schallplatten, seine Fernsehauftritte und Filme bekannt. Selbst die Kinder kannten ihn und seine Stimme schon früh. Udo Jürgens sang die Titelmelodien für Trickfilmserien und er trat mit der Nationalmannschaft auf. Kaum ein anderer Künstler war in Deutschland derart präsent.

 2. Er konnte Deutschland in Geschichten erzählen.

Udo Jürgens (der übrigens sowohl die österreichische wie auch die schweizerische Staatsbürgerschaft hatte, aber nicht die deutsche) war neben Reinhard Mey der wohl größte musikalische Geschichtenerzähler der alten Bundesrepublik. Seine Lieder sind vom Text her gedacht und trotzdem so eingängig, dass sie jeder versteht. Das ist eine ganz große Kunst.

Einige seiner Songs haben das Lebensgefühl der 60er- und 70er-Jahre so exakt getroffen, dass man aus ihnen mehr lernen kann als aus manchem Buch.

 3. Jürgens hatte das Talent, im richtigen Moment die richtigen Worte zu finden.

Zum Beispiel beim Abschied von Bundestrainer Helmut Schön im Jahr 1978. Eine großartige Hymne, noch heute.

 4. Seine Texte sind auch deshalb so zeitlos, weil sie einfach hervorragend beobachtet sind.

Wer über große Gefühle singt, begibt sich allzu schnell in die Gefahr, großen Unsinn zu singen. Dazu muss man nur mal einen Abend mit Florian Silbereisen und seinen Freunden vorm Fernseher verbringen.

Jürgens umging solche Tücken meist geschickt, weil seine Erzählungen voll von guten Beobachtungen waren. Er hatte ein Talent dafür, die Sehnsüchte der Menschen zu identifizieren und in die richtigen Worte zu kleiden. Das klang manchmal sehr getragen, aber nie wirklich peinlich. Wahrscheinlich auch deshalb, weil Jürgens dabei nie onkelig wirkte. Er schien diese Gefühle zu teilen.

Das gilt auch für seine Lieder, die tatsächlich haarscharf an der Grenze zum Kitsch schrammten. Etwa: „Ich war noch niemals in New York“. Denn der Moment, den Jürgens besingt, in dem man über die Flucht aus den Routinen des Alltags nachdenkt, kennt jeder Mensch in der ein oder anderen Form.

 5. Er war viel mehr als ein „Schlagersänger“.

Eine Zeit lang wurde Udo Jürgens mit dem Kampfbegriff „Schlagersänger“ verunglimpft. Vor allem deswegen, weil er den Großteil seiner Lieder auf Deutsch sang, was besonders in den 70er- und 80er-Jahren ein popkulturelles Tabu war.

Ihn als “Schlagerbarden” zu bezeichnen ist allein schon deshalb falsch, weil seine Lieder wegen des Erzählerischen unverkennbare Wurzeln im französischen Chanson haben.

Zugegeben: Seine kommerziell erfolgreichsten Songs waren nicht unbedingt seine anspruchsvollsten. Dass er mit „Buenos Dias, Argentina“ den DFB-Song zu einer Fußball-Weltmeisterschaft beigesteuert hat, die niemals hätte stattfinden dürfen, ist sicher nicht der ruhmreichste Part seiner Karriere.

Und doch würde es viel zu kurz greifen, ihn nur darauf zu reduzieren.

6. Er sang schon über Integration, als sich die Politik noch weigerte, Deutschland als “Einwanderungsland“ zu bezeichnen.

“Griechischer Wein” ist mehr als nur ein Gassenhauer. Es war eines der ersten kommerziell erfolgreichen Lieder, die aus der Sicht der “Gastarbeiter” erzählt waren. Jürgens wurde später dafür sogar vom griechischen Präsidenten Konstantinos Karamanlis geehrt.

 7. Die Melodie von „Griechischer Wein“ wurde auch in den USA populär. Bing Crosby und Al Martino nahmen Coverversionen des Liedes auf…

… was zusätzlich beweist, dass Udo Jürgens mit diesem Lied nicht nur deutsche Befindlichkeiten besang, sondern auch ein universelles Gefühl traf: das der Einsamkeit in der Fremde. Fanden auch die Amerikaner.

 8. Er sang in den 70er-Jahren über Militarismus und die Auswüchse des Kapitalismus.

Ein seinerzeit hochumstrittenes Lied. Doch die Diskussion darüber hat ihm nicht geschadet. Im Gegenteil.

 9. Und über Grenzenlosigkeit, als andere viel zu leichtfertig den Eisernen Vorhang als etwas Alltägliches akzeptieren wollten.

Ein sehenswerter Auftritt mit Heinz Erhardt.

 10. Er hat die Kultur des friedlichen Miteinanders gestaltet. Mit Udo Jürgens ist die alte Bundesrepublik gestorben.

Derzeit radikalisiert sich Deutschland: Auf den Pegida-Demonstrationen wird Fremdenhass offen zur Schau getragen. Die Hälfte der Deutschen hält den Islam für eine Gefahr, viele Millionen hegen Ressentiments gegen Flüchtlinge.

Es wäre falsch verstandene Nostalgie, das Werk von Udo Jürgens auf die „gute, alte Zeit“ zu reduzieren. Die gab es nie. Unter Helmut Schmidt herrschte Terrorangst, und Helmut Kohl gesellschaftlicher Stillstand.

Und doch schaffte es Jürgens besonders mit seinen politischeren Liedern, ganz unterschiedliche Menschen zusammenzubringen und sie zum Nachdenken zu bewegen. Das war der grundsätzliche Konsens im (West-) Deutschland des späten 20. Jahrhunderts: Dass man trotz aller Differenzen und Streitereien am Ende noch in irgendeiner Form miteinander reden konnte.

Genau dafür stand Jürgens: Wenn selbst die Mitglieder der „Jungen Union“ trotz aller Vorbehalte in der Integrationspolitik zu „Griechischer Wein“ tanzten, und auch Großstadtlinke klammheimlich auf ihrem iPod das satirische Stück „Aber bitte mit Sahne“ laufen ließen.

Dieses kleine Stückchen Vermittlung, das für alle gleichzeitig gilt. Mehr kann ein Künstler kaum erreichen.

Jetzt ist Udo Jürgens tot. Und seine Planstelle als kleinster gemeinsamer Nenner der Republik bleibt unbesetzt.

(Quelle: Huffington Post)


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