Wie aus dem Nichts und völlig unerwartet kündigte J.J. Abrams Produktionsfirma Bad Robot mit mysteriösen Teasern und Trailern einen neuen Cloverfield Film an. Der erfolgreiche und von mir geschätzte Kaiju Found-Footage Film hatte eigentlich eigentlich gar kein Sequel nötig und glücklicherweise ist der vor wenigen Wochen in den Kinos angelaufene 10 Cloverfield Lane alles andere als eine stereotypische Fortsetzung und gehört für mich bis dato zu den großen Überraschungen des zugegebenermaßen noch kurzen Kinojahres.
Letztlich ist 10 Cloverfield Lane ein Pseudo-Sequel. Der Film spielt im selben Universum wie sein Blockbuster-Vorgänger, arbeitet aber weder mit den gleichen Figuren, noch mit Storyverknüpfungen. Auf der einen Seite besteht darin ein Risiko, denn viele Zuschauer bekommen eventuell nicht das geliefert, was sie erwarten. Auf der anderen Seite ermöglicht 10 Cloverfield Lane dadurch auch Kinogängern, die den Vorgänger nicht gesehen haben oder gar negativ aufgenommen haben, einen unvoreingenommenen Einstieg in die Materie. Statt einer großen CGI-Schlacht erwartet den Cineasten ein waschechtes Kammerspiel mit großartigen Performances der Hauptdarsteller. Jedes verlorene Wort über den spannenden Plot wäre ein Wort zuviel, weshalb wir an dieser Stelle darauf verzichten wollen. Vorkenntnislos macht der Film am meisten Spaß.
Regie-Debütant Dan Trachtenberg spielt hervorragend mit der Spannung, liefert uns gezielt Hinweis, wiegt uns in Sicherheit, nur um anschließend das aufgestellte Kartenhaus wieder zum Einsturz zu bringen. 10 Cloverfield Lane fühlt sich daher wie eine Synoptik aus Gareth Edwards Monster, Frank Darabonts The Mist und vor allem Alex Garlands Ex Machina an. Definitiv nicht die schlechtesten Vergleichsfilme. Das Skript erlaubt es Motive subtil und zeitlich perfekt abgestimmt aufzuklären. Das Ergebnis ist weitestgehend schlüssig, aber auch nicht vollständig logisch. Auf Grund der äußerst authentischen Atmosphäre kann man aber über kleine Details hinwegsehen. Viel mehr beschäftigt uns sowieso die Frage wie man mit einer solchen Isolationssituation umgehen würde. Was passiert und was geschah draußen? Glaube ich blind oder riskiere ich eventuell mein Leben um Dinge mit den eigenen Augen zu sehen? Das ist nicht gleich eine religiöse Parabel, aber durchaus raffiniert gemachtes Kino. Besser kann man die aktuellen Ängste dieser Welt in Zeiten des Terrors verpackt in Entertainment nicht erfassen.
So intensiv die Stimmung des Films ist, so wundervoll eingefangen die Bilder von Kameramann Jeff Cutter sind, die eigentlichen Highlights des Films sind die Darsteller. John Goodman war schon immer ein guter Schauspieler, was er aber in 10 Cloverfield Lane abliefert, hätte ungelogen einen Academy-Award verdient. Schade, dass die Academy Genre-Filme viel zu selten berücksichtigt. Goodman zeigt jedenfalls ganz großes Kino und trägt nahezu den ganzen Film auf seinen massiven Schultern. Nicht weniger stark agiert die charismatische Mary Elizabeth Winstead (The Thing, Scott Pilgrim, Die Hard 4+5), die in Trachtenbergs Film fast wie eine Ellen Ripley wirkt. Stark, mutig, clever und trotzdem feminin. So gut können Frauenrollen im Jahr 2016 geschrieben sein. Bitte mehr davon.
Wer solche Schauspieler an Bord hat, kann mit Leichtigkeit ein Kammerspiel über die fast gesamte Laufzeit durchziehen. Emotional, glaubwürdig und an einigen Stellen sogar schon fast in Feel-Good-Gefilden. Ein Ende gibt es auch, welches gemäß Cloverfield-Universum natürlich wieder ein Publikumsspalter ist, aber zumindest mir sehr gefallen hat. Ein Lob soll an dieser Stelle an das großartige Sound-Editing gehen. Jeder noch so kleine Ton im Film ist perfekt gesetzt und hat bei mir desöfteren für Gänsehaut gesorgt. 10 Cloverfield Lane kam unerwartet auf die Leinwand und ist ebenso unerwartet cleveres, intensives Kino. Kino über das man spricht und noch sprechen wird.
OT: 10 Cloverfield Lane VÖ: 2016 Laufzeit: 105 Minuten FSK: 16 R: Dan Trachtenberg D: Mary Elizabeth Winstead, John Goodman, John Gallagher Jr.
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Christian
Bildquelle: Paramount Pictures