Guten Morgen :)
Heute habe ich euch ein Autoreninterview mitgebracht. Und zwar durfte ich Liane Cornelius interviewen und Schwerpunkt von diesem Interview war ihre Autobiografie "Ich fühle so tief ich kann". Die Rezension zu diesem Buch findet ihr HIER.
- Stell dich bitte einmal kurz vor.
Gerne, liebe Jennifer. Aber zunächst einmal möchte ich mich ganz herzlich dafür bedanken, dass du dem Thema HSP auf deinem interessanten Blog einen Platz einräumst. Es ist so wichtig, diese Thematik nicht länger unter die Tischkante zu kehren. Tausend Dank. Zu meiner Person ein paar Stichpunkte: Liane Cornelius, geboren 1957 in Nord-Deutschland, Gymnasium, kaufmännische Ausbildung, BWL/VWL, verheiratet, 20 Jahre lang tätig in eigener Marketing-Agentur.
Was ich mag: Ich liebe das Meer. Als absoluter Natur-Freak gibt es für mich kaum schöneres, als bei Wind und Wetter am Strand entlangzulaufen und den Möwen beim Kreischen zuzuhören. Das Meer rauscht, die Wellen werfen zornig ihre Gischt an das Ufer – und ich bin mittendrin. Herrlich.
Ich bin ein fröhlicher Mensch und lache gern. Schaue oft Satire-Sendungen. Mag Musik, Malerei und Reisen.Kater Charly, will ich nicht vergessen zu erwähnen. Ein guter Freund auch an traurigen Tagen. Und natürlich die Psychologie. Ich finde es unglaublich spannend, den Blick nach innen zu richten und eine so ganz andere Welt zu entdecken, zu erforschen. Meinen Standort in dem Gefüge einschätzen zu lernen, mich zu erkennen.
Was ich nicht mag: Manipulationen, Intoleranz, übertriebene Sparsamkeit, Erbsenzählerei.
- Nach wie vor sind psychische Erkrankungen ein ziemlich heikles Thema und oft werden sie einfach tot geschwiegen. Wie bist du darauf gekommen eine Autobiographie zu diesen Themen zu schreiben?
Das war eine logische Konsequenz. In der Autobiographie schreibe ich ja nicht nur von den schönen Dingen, die ich erlebt habe, sondern auch über die Vorkommnisse, die weniger erfreulich verliefen. Und die Tatsache, dass psychisch nicht alles rund lief, zwang mich regelrecht dazu, mich um mich selbst zu kümmern. Hinfühlen. Nachdenken. Reichlich „Stoff“ für einen Roman. - Hochsensibilität zählt ja nicht zu den psychischen Erkrankung, sondern es wird zu den Persönlichkeitsmerkmalen gezählt und noch immer wissen viele nicht was Hochsensibilität überhaupt Oft werden hochsensible als "Mimosen" oder "Sensibelchen" betitelt. Wann und wie hast du davon erfahren, dass du eine hochsensible Person bist?
Erfahren habe ich es eigentlich gar nicht. Das Leben hat es mich gelehrt. Schon in frühen Jahren merkte ich, dass bei mir etwas anders ist. Aber „das Kind hatte keinen Namen“. Ich lebte einfach damit. Dann war mein Buch im Oktober 2016 fertig geschrieben und ich suchte verzweifelt nach einer kurzen, knappen Beschreibung dessen, was mich so oft emotional reagieren ließ. Ich begann zu googeln, zu lesen, zu recherchieren. Bis ich es fand: HSP. Und zwar in recht ausgeprägter Form. Es gab also eine Erklärung für die vermeintlichen Ungereimtheiten. Ich weinte vor Glück.
- Die Sensibilität lässt sich sowohl in kognitiven, als auch in emotionalen und sensorischen Bereichen nachwiesen. Wie zeigt sich bei dir die Hochsensibilität?
Da hat eine Veränderung stattgefunden. Während ich als sehr junger Mensch überwiegend mit sensorischen Impulsen zu tun hatte, speziell mit dem Hören (Geräusche, Lärm usw.), verlagerte sich die Empfindsamkeit später mehr in die kognitive Richtung. Ich bin in der Lage, Gefühle anderer wahrzunehmen. Und zwar genau so, als wären es meine eigenen. Eine schwierige Zeit. Doch der „Super-Gau“ ereignete sich erst vor vier Jahren: Mit dem Auffangen der Gedanken anderer Menschen geht das auch. Verfügt der Andere auch über diese Fähigkeiten, ist es so, als würde man miteinander telefonieren. Nur ohne Handy.
- Hast du dich als Kind anders als die anderen Kinder gefühlt und wurde dir auch mitgeteilt, dass du tatsächlich anders bist?
Oh ja, das spürte ich sehr deutlich. Ich konnte mich immer nur auf eine Sache zur Zeit konzentrieren. Ich brauchte einfach mehr Ruhe. Getümmel um mich herum machte mich nervös. Stimmen, Geräusche, Musik – das war mir meistens alles viel zu laut. Das wirkte schon seltsam. Ich erinnere mich an einen Abend, ich ging noch in den Kindergarten, als ich ganz fürchterlich weinte. Mein Vater war als Waisenkind im Heim aufgewachsen und das fand ich so traurig, dass ich gar nicht mehr aufhören konnte zu weinen. Heute ist mir klar, dass ich die Tränen meines Vaters weinte. Der Schmerz in seiner Seele, er kam bei mir an. Das erkannte aber bei uns zu Hause niemand. Es gab darüber keine Gespräche.
- Warum ist Hochsensibilität für dich eher eine Gabe als ein Fluch?
Ich habe gelernt, damit zu leben. Mittlerweile kann ich es gut auseinander halten, welche Emotionen auf „meinem Mist gewachsen sind“ und welche nicht. Das erforderte viel Einsicht und Verständnis mir selbst gegenüber. Fähigkeiten, die ich jetzt natürlich auch anderen entgegenbringen kann. Es ist einfach schön, dem Gegenüber sagen zu können: „Ich fühle mit dir.“ Und der Mensch spürt, es ist nicht nur eine Floskel.
- Gibt es gewisse Sachen, die dich selbst an der Hochsensibilität stören?
Besonders nervt mich meine extreme Geräusch-Empfindlichkeit. Wenn mein Mann und ich einen schönen Naturfilm sehen - herrliche Landschaft, ergreifende Musik – und – päng – schlägt die Werbung zu. Urplötzlich werde ich aggressiv. Es ist dann wirklich notwendig, umgehend die Mute-Taste zu betätigen. Die Lautstärke und die aggressive Form der Werbung springen mich regelrecht an. Und mein Verhalten spiegelt das sofort wider.
- Wie sehen die Medien und die Gesellschaft hochsensible Menschen und wie würdest du gerne stattdessen repräsentiert/gezeigt werden?
Der Begriff HSP ist relativ neu. Erst spät in den neunziger Jahren fingen Fachleute damit an, auftretende Symptome ernst zunehmen, genauer zu untersuchen. Es ist – wie du eingangs schon richtig sagtest – keine Erkrankung, sondern eine Besonderheit in der Persönlichkeit. Dem Psychotherapeuten ist das bekannt. Die Öffentlichkeit tut sich mit diesen Erkenntnissen leider noch schwer. Alles, was nicht der Norm entspricht, wird erst einmal skeptisch beäugt. Und ob Verständnis daraus wird, hängt dann oft von der Empathiefähigkeit des Betrachters ab...
- Was würdest du anderen mit diesem Persönlichkeitsmerkmal als Ratschlag mit auf dem Weg geben?
Niemals aufgeben! Du bist nicht verrückt - du bist nur anders. Erkenne, dass du ein wunder- voller Mensch bist, gerade wegen dieser besonderen Gabe, und vergiss bitte nie: „Du bist nicht allein. Wir sind viele.“
Noch einmal vielen Dank für das tolle Interview.
Weitere Beiträge zum Thema Hochsensibilität:
10 Dinge - Was ist Hochsensibilität und was ist es nicht?
Rezension zum Buch "Sind Sie hochsensibel?" von Dr. Elaine N. Aaron
Hochsensibilität ist eine Gabe
Liebe Grüße