08. Juli 2020 – Kultur-Mittwoch

Die Woche startet ruhig mit meiner regulären Yogastunde und einem wundervollen Treffen mit der lieben Conny und ihrer Tochter. Auf Anhieb waren unsere beiden größeren Kids schockverliebt, und auch uns ging es nicht anders, wie wir beide offen zugeben mussten.

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Auch wagte ich mich kurz nach Wochenstart an meine erste Einheit Mandarin-Unterricht. Jetzt wo meine Stoffe vernäht sind und die Routine allmählich wieder in unseren Alltag einkehrt habe ich einige Lücken für dieses neue Projekt frei.

Neben Englisch und Tamil ist das Hochchinesich eine der Hauptsprachen in Singapur und daher fast ein Muss, dass wir wenigstens versuchen die Grundbegriffe dieser Sprache zu lernen. Zudem hat Felix täglich Mandarinunterricht in der Schule und wir verstehen mitunter kein Wort. Gestern erst bat ich ihn seine Schuhe auszuziehen und legte für mein inständiges „Bitte, bitte – Hör doch Kind“ die Hände zusammen. Er interpretierte das Ganze aber als das chinesische Symbol für Congratulations und fragte „Mami, warum machst Du Gōngxǐ gōngxǐ?“ Baff und mit verflogener Wut blieb mir nur ein Schmunzeln und die Erkenntnis es ihm gleichzutun und mit den ersten Übungseinheiten anzufangen.

Nachdem dann auch mein (chinesischer) Pianolehrer Feuer und Flamme ist und mich am liebsten direkt in die Geheimnisse der Aussprache einweihen möchte, schaffe ich es doch seine Aufmerksamkeit zurück zum Sinn seines Kommens zu lenken: Dem Klavier. Und heute erreichen wir einen Meilenstein, fangen wir doch mit dem letzten Notenblatt des nicht gerade kurzen Stückes an. OMG, 5 Monate spiele ich schon mehrmals wöchentlich die selben Noten und könnte ein bisschen Abwechslung echt gut gebrauchen. Aber bald ist es geschafft und das erste Lied sitzt zumindest technisch….Bis es dann optimal klingt, werden aber sicher noch Monate vergehen.

Geschafft, aber glücklich entscheide ich spontan eine lang vermisste Tradition wieder einzuführen. Den „Kultur-Mittwoch“.

Vor dem Lockdown habe ich jeden Mittwoch im Anschluss an den Unterricht etwas mehr oder weniger Kulturelles unternommen. Ich habe mir neue Stadtteile, Museen, allgemein Sehenswertes oder Geschichtsträchtiges angesehen. Eine Auszeit in der ich ein bisschen Zeit mit mir selber und meiner neuen Heimat hatte.

Für einen sanften Einstieg nach der langen Pause entscheide ich mich heute für einen entspannten „Local-Mittwoch“.

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Ich starte mit einem Lunch im Foodcenter des People´s Park Complex, einem der Eckpfeiler Chinatowns. Touristisch absolut nicht beachtet gehört dieses Wohn- und Geschäftshaus zu Chinatown, wie das Marina Bay Sands zur Marina Bay.

Und während die Touristenströme typischerweise in Richtung Pagodastreet fließen, ist nur einen Steinwurf entfernt dieses lokale Fleckchen Singapurs zu finden.

Ein bisschen alt und ja, auch schmuddelig erzählen diese Gebäude die Geschichte aus einer Zeit in der dieses Bauwerk als das höchste Wohnhaus Singapurs galt. Sie erzählen von einem Wandel in dem sich die Lebensart Singapurs von den Garküchen in den Straßen zu klimatisierten Malls mit Essmeilen entwickelte. Einem Erwachen und einem Einstieg in die Moderne.

Heute ist das Ganze aus den späten 60er Jahren natürlich alles andere als modern und alles andere als schön. Trotzdem versprüht diese Ecke ein Ausmaß an Authentizität, wie nur wenige Stadtteile Singapurs. Das wuselige Treiben, die Geschäfte, die all das anbieten, was hier von Stellenwert ist, die Mischung aus altem und neuem. Vom Schuster am Wegesrand über die Schneiderinnen, die hier seit 50 Jahren unverändert vor ihren Ständen sitzen und in ihrem Kopi rühren.

Die Düfte wabern durch die Luft und mit jedem Meter hinein in dieses Dickicht werden die englischen Schriftzeichen mehr und mehr von den chinesischen verdrängt.

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Die Überführung, die das touristische Chinatown mit diesem authentischen, echten Chinatown verbindet ist einem bepflanzten, chinesischen Garten nachempfunden. Pagoden und Grünstreifen unterteilen diese Brücke in kleine Parzellen und laden insbesondere die Elderlys, die Senioren zum Verweilen ein.

Spät am Abend treffen sich hier die Menschen, um gemeinsam Sport zu treiben und zu tanzen. Sie sitzen zusammen, die Männer hier, die Frauen dort. Man schaut sich gegenseitig zu, lacht.

In einer Stadt, in der kaum jemand selber kocht und sich das Essen und Leben außerhalb der eigenen vier Wände abspielt, ist dieser Ort ein gutes Sinnbild für ebendiese Lebensart Singapurs. Wo in Deutschland unsere Senioren alleine vor ihren Fernsehern sitzen, sieht man hier auch noch spät in der Nacht weißhaarige Damen und gebeugte Männer das Tanzbein schwingen. Diese kleine Welt existiert im Hintergrund, unbemerkt von den Tagestouristen und den Automassen, die unter ihr auf der Eu Tong Sen Street ihren Zielen entgegen jagen.

Angekommen erinnere ich mich an eine Begegnung in meinem ersten Monat in Singapur. Ein älterer Herr bot Felix eines seiner frisch gekauften Siew Bao (gefüllte Brötchen) an. Dass dann beide Babys und auch ich davon probierten ließ ihn strahlen. Er nahm einen Ring von seiner Hand und schenkte ihn mir und wünsche unserer Familie Gesundheit. Erst Monate später sollte ich von einer lokalen Freundin erfahren, dass dies in einer Kultur der Symbolik und der Glückszahlen sehr bedeutend ist. Dabei geht es nicht um den Wert des Geschenkes. Der Schenkende gibt einen Teil seines lieb gewonnenen Besitzes und behaftet diesen mit seinen Wünschen, Herzenswünschen für den Empfangenden. Für mich symbolisiert dieser Ring vor allem eines: Ein offenes Willkommen an eine Mama mit zwei Kleinkindern, die versucht sich in der großen, fremden Stadt zurecht zu finden. Eine warme und verbindende Geste.

Ich spaziere hinüber zum Foodcenter und halte nach meinem heutigen Lunchplatz Ausschau. Schnell entscheide ich mich für Stall #01-1040 mit dem wundervollen und nicht zu merkenden Namen Chuan Wei Fang Xiang La Xie Lao Dian. Ich genieße die Atmosphäre und bin überwältigt von der Größe dieses Hawkers. 10x der Newton Hawker überschlage ich ungefähr. Der absolute Irrsinn, wie soll man hier nur alles probieren. Meine heutige Wahl, die Rippchen in Chili und Erdnuss, sind aber schon mal ein Volltreffer. Und ich kann wieder bestätigen, dass das Hawkeressen einfach das Beste ist.

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Anschließend wandere ich durch die Etagen dieses so anderen Gebäudes. Absolut nicht für das europäische Auge gemacht und doch in sich stimmig reihen sich die winzigen Geschäfte aneinander und bieten ihre Waren feil. Viele handeln wie so oft in den lokalen Malls exakt mit dem gleichen Sortiment und ich frage mich erneut, wie sich das nur rentieren kann.

Gesättigt vom Essen und den Eindrücken wandere ich hinüber um die wohl einmalige Chance zu nutzen die touristische Pagoda Street einmal komplett touristenfrei bewundern zu können.

Für eine kurze nachmittägliche Siesta stolpere ich in die Mischung aus Wohnung und Massagesalon von Sebastian Lim und genieße eine absolut geniale Fußreflexzonenmassage. Die Aquarien neben mir plätschern schön und hunderte Fische des Fischspa sehen zu, wie ich mich zurücklehne.

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Erholt spaziere ich durch die kleineren Straßen fernab der Souvenirshops und des großen People´s Park Complexes und genieße die ungewöhnliche Leere und Ruhe. Der Buddha Tooth Relict und der wunderschöne Sri Mariamman Tempel sind weiterhin geschlossen, der Eingang vom letzteren aber schmückend dekoriert.

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Spontan lasse ich mich zum Abschluss in einen der gemütlichen Sessel des Bücherei-Cafes, The Moon fallen und gönne mir zu dem wohl besten Chai Latte ein Stück Schokoladentarte mit Himbeeren. Die etwas alternative Athmosphäre ist besonders und da es – für Singapur sehr ungewöhnlich – kein Wifi gibt, lese ich einige Seiten in meinem Buch.

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Generell ist Chinatown in Singapur vielfältig und nicht nur für Touristen interessant. Ob die lokale Ecke, die touristische oder einfach gleich beides, laden die verschlungenen Wege und Gassen zum Schlendern und Verweilen ein.

Dazu sind die drei wunderschönen Tempel und die überall verteilten Wandmalereien absolut sehenswert.

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Zum Essen sollte man sich allerdings in Richtung People´s Park Complex orientieren. Vielleicht nicht so schön, dafür aber kulinarisch ein absoluter Treffer. Aber das ist wohl überall auf der Welt gleich.

Und auch wenn es nicht immer danach aussieht, ist die Hygiene aufgrund der gründlichen Kontrollen in Singapur durchweg gegeben. Sich hier irgendetwas einzufangen ist fast unmöglich. Auch, wenn es mit dem europäischen Auge nicht immer sofort danach aussieht, bekommt man insbesondere ich den vermeintlich schmuddeligeren Straßen im Hintergrund wahnsinnig gutes Essen!

Wenn Du bis zum Abend hier bist oder wieder kommst, sollte Dich Dein Weg mit Einbruch der Nacht in die Club Street führen. Individuelle Restaurants und Bars locken hier mit guten Drinks, Essen und dem speziellen Clubstreet Vibe.

Tipp für ein besonderes Dinner: Maggie Joan´s

Drinks mit Aussicht: Die Dachterrasse des Oxwell & Co

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Kleine Orientierungshilfe zur Anreise mit der MRT:

Für die Pagoda Street, die kleinen Souveniergassen, den Buddha Tooth Relict und den Sri Mariamman Tempel ist die MRT Station Chinatown die richtige. Ebenso für den lokalen People´s Park Complex, der sich auf der anderen Seite der mehrspurigen Straße befindet. Achte unterirdisch auf die Beschilderung der Ausgänge. Landest Du am „falschen“ Ende, kannst Du die Chance nutzen und Dein Ziel über die schöne Überführung erreichen.

Möchtest Du zur Club Street oder zum Thian Hock Keng Temple, steigst Du am besten an der MRT Station Telok Ayer aus.

Zàijiàn, Auf bald, Chinatown!


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