04.06.2013: Gregorius und der arme Heinrich (8)

04.06.2013: Gregorius und der arme Heinrich (8)Gestern haben wir uns im "Gregorius" mit dem Teil des Werkes beschäftigt, der sich mit dem Bekanntwerden der Schwangerschaft der Schwester befasst.
Nachdem die zukünftige Mutter und der zukünftige Vater wissen, dass sie ein Kind erwarten, macht sich der Bruder vor allem Sorge um seine eigene Ehre und sein Ansehen in der Gesellschaft, während sich die Schwester Gedanken um das Kind unter ihrem Herzen macht.
Die Tatsache, dass der Bruder ausschließlich um sein eigenes Wohl bzw. die Schmerzen der Geburt und die damit verbundenen Gefahren (eine Geburt stellte in der damaligen Zeit für Frauen ein besonders hohes Risiko dar!) besorgt ist, sind der Anlass dafür, dass seine Schwester von ihm verlangt, sich "wie ein Mann" zu verhalten.
Der Dichter vertritt währenddessen die Position, dass die Schuld der Eltern keinesfalls auf das Kind übertragen wurde.

In diesem Zusammenhang haben wir die Bedeutung des Wortes "Tragik" erläutert. Als "tragisch" kann beispielsweise der Umstand gesehen werden, dass die Schwester sich quasi nicht wehren bzw. schweigen durfte, um nicht den eigenen Ruf zu gefährden bzw. die Geliebte ihres eigenen Bruders zu werden.

"Tragisch" ist eine Gegebenheit also dann, wenn zwar Alternativen in der Handlung bestehen, diese jedoch in keinem Fall zu einem guten Ende führen .
Als "klassisch-tragischer" Fall wird oft die Geschichte des Orest beschrieben. Dieser ist der Sohn von Agamemnon und Klytaimnestra. Sein Problem (und damit seine Tragik) ist, dass Klytaimnestra Agamemnon im Verlauf der Geschichte umbringt und es auf der einen Seite seine Pflicht als Sohn ist, die Mutter zu ehren, auf der anderen Seite den Vater zu rächen. Letzten Endes greift die Göttin Pallas Athene ein und rettet Orest.


Im Mittelalter wurden "öffentliche" Sünden nur durch "öffentliche" Buße (kommt vom "buoz" = Entschädigung, Wiedergutmachung) bereinigt. "Heimliche" Sünden konnten demzufolge auch "heimlich" aus der Welt geschafft werden. Logisch.

Die Problematik bei öffentlichen Sünden war jedoch, dass diese oft zur Nachahmung verleiteten und einen Tatbestand auch für andere interessant machen konnten. Aber welche Optionen gab es eigentlich, seine Sünden und Fehltritte öffentlich zu büßen? Pilgerreisen waren in diesem Zusammenhang eine sehr beliebte Möglichkeit. Pilgern bot sich an, wenn man sich von einer Krankheit befreien wollte oder Buße tun musste. Auch die Hoffnung auf ein Wunder stand oft im Vordergrund. Ziele der Pilgerreisen waren "besondere Orte" wie Lourdes und Co., an denen im Idealfall einmal die Heilige Mutter Gottes erschienen sind. Die Menschen reisten hierher, meist oder oft in einer Art Büßergewand, und zeigten nach Außen, dass sie... Dreck am Stecken hatten.

Nach unserem Gespräch über das Bereuen von Sünden und Co. haben wir einen kleinen Exkurs in Richtung Köln gemacht. Im Mittelalter stellte die Person des Erzbischofs von Köln auch oft den Reichskanzler dar... ein Umstand, den man sich heute irgendwie nur schwer vorstellen kann... aber gut. Unter Barbarossa war Reinhald von Dassel der Erzbischof von Köln. Zu deren Zeit befanden sich die Gebeine der Heiligen drei Könige in Mailand und stellten schon hier einen großen, nicht zu unterschätzenden Wirtschaftsfaktor dar. Ziel war es daher, die Gebeine (und damit auch die Pilger) nach Köln zu bringen, um die Stadt zur größten nördlich der Alpen zu machen. Köln sollte das "Rom des Nordens" werden.

Ab dem Jahre 1248 begann dann auch der Bau des Doms, der in Anbetracht der Tatsache, dass Köln deutlich, deutlich, deutlich weniger Einwohner hatte als heute, schon als ein wenig "überdimensioniert" angesehen werden kann. Trotzdem: Es sollte zum "Gegenpol" zu Rom werden. 
Religion und Reliquien spielten auch ab dem Jahr 1198 bei dem Thronstreit zwischen Welfen und Stauffern eine große Rolle.
Der Welfe Otto von Braunschweig schaffte es, den Erzbischof von Köln auf seine Seite zu ziehen und spendete in diesem Zusammenhang Gold, um den Dreikönigsschrein, der noch heute existiert, zu stiften. Sinnigerweise hat er gleich dafür gesorgt, dass auf dem Schrein insgesamt VIER Könige (die drei Heiligen und er selbst) abgebildet werden. Er nutzte den Schrein als klare Machtdemonstration im Thronstreit.

Aber kommen wir mal wieder zurück zur Geschichte des Gregorius. Sein Vater macht sich nun also auf dem Weg zum Heiligen Grab nach Jerusalem, um Buße zu tun, während die Schwester das Schicksal des kleinen Babys in die Hände Gottes legt.

Doch wie ging es eigentlich einem Inzest-Kind im Mittelalter im Allgemeinen?
Die Menschen im Mittelalter waren sich sicher, äußere Kennzeichen an den sog. "Inzest-Kindern" finden zu können. Wie wichtig die körperliche Unversehrtheit eines Menschen zu dieser Zeit war, fällt auf, wenn man sich das Beispiel von Barbarossa ins Gedächtnis ruft, der nur deswegen den Thron besteigen konnte, da sein Cousin (, der eigentlich hierfür bestimmt war,) äußerliche Makel hatte.
Das Kind (Gregorius) wird in der Geschichte jedoch als "außergewöhnlich schön" beschrieben. Diese Schönheit spricht in erzähltechnischer Hinsicht vor allem dafür, dass es auch moralisch "gut" ist und die Schuld der Eltern nicht weiter gegeben wurde.
Der kleine Gregorius wird von der Mutter auf dem Meer ausgesetzt, welches in Erzählungen eine ähnlich bedrohliche Umwelt darstellt, wie der Wald. Das Baby wird damit in ein Medium übergeben, auf das der Mensch keinen Einfluss hat. An dieser Stelle ist es jedoch Gott, der aktiv in das Geschehen eingreift und sich quasi dem Kind annimmt. Es wird von Fischern (haben auch oft ein negatives Image in den Erzählungen) gefunden und an Land gebracht. 
Dort entdeckt man die Beigaben (wie zum Beispiel die Elfenbeintafel), die Aufschluss darüber geben, was passiert ist bzw. wie (nach Wünschen der Mutter) mit dem Kind umzugehen ist. Ihrer Meinung nach sollte das Kind in der Heiligen Schrift unterrichtet werden, getauft werden und lesen und schreiben lernen. Gerade die letzten Punkte gehen in die Richtung eines Erziehens in einem Kloster. Diese hatten im Mittelalter quasi das Monopol auf Bildung. 
Ein Inzest-Kind war im Mittelalter gesellschaftlich noch unter einem unehelichen Kind (konnten eventuell noch nachträglich in die Gesellschaft integriert werden) oder einem Findel-Kind (konnten in einem Kloster erzogen werden und hier Bildung erhalten. Das Kloster ersetzte in diesem Moment die Familie/ Sippe. Das Mönchsgelübte galt daher als eine Art "neue Geburt" bzw. "geistige Geburt".) anzusehen. Es hatte keinerlei gesellschaftliche Rechte und war komplett ausgeschlossen. Letzten Endes richtete sich dieser Ausschluss aber vor allem gegen die Geschwister, die sich zueinander hingezogen fühlten. Die Isolation des eventuellen zukünftigen Kindes sollte als Abschreckung dienen. 

An diesen Reaktionen ist klar erkennbar, dass die Familie im Mittelalter einen überaus hohen Stellenwert hatte. Ein Mensch definierte sich über seine Eltern. Waren diese quasi nicht existent... sah's schlecht aus.

Schon im Sachsenspiegel (Gesetzestext aus dem 12. Jahrhundert)  von Eike von Repgow ist festgehalten, wie unehelich Geborene wieder in die Gesellschaft integriert werden können. Sie müssen, von Repgow nach, in Gegenwart des Kaisers einen Zweikampf austragen... also damit zum Ritter werden.

Liebst,

Conny

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