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Erstellt am 14. Juni 2010 von Sf2000

Es ist über einen Monat her, da habe ich hier über die Art von Fußballabend berichtet, mit der ich mir die Nächte um die Ohren schlage. Ich beklagte mich darüber, dass es ein Unding sei, dass ich monatelang warten muss, bis endlich ein Ergebnis der Landtagswahl in NRW vorliegt, und dann ist es auch noch ein Unentschieden. Gerade nach dem Eröffnungspiel der deutschen Mannschaft von gestern bin ich entgültig neidisch- nach 90 Minuten sind die fertig, und sie haben sogar ein Ergebnis, und alle freuen sich. Naja, Australien freut sich vielleicht nicht so, aber das ist weit weg . In NRW haben sie nach nunmehr sagenhaften 5 Wochen noch immer keins. Und alle sind sauer.

Schon der Zeitplan und darin vor allem die Pausen sind bemerkenswert:

09.05. Wahl
17.05. Beginn der Sondierungsgespräche von Rot-Grün mit der Linkspartei
21.05. Sondierungsgespräche von Rot-Grün mit der Linkspartei scheitern
27.05. Beginn der Sondierungsgespräche der SPD mit der CDU
02.06. Vorläufiges Ende der Sondierungsgespräche der SPD mit der CDU
08.06. Beginn der Sondierung einer Ampel mit der FDP
09.06. Konstituierende Sitzung des Landtags
11.06. Ende der Sondierung einer Ampel mit der FDP
12.06. Kraft geht in die Opposition.
23.06. Ursprünglich vorgesehen: Wahl des Ministerpräsidenten

Zumindest kann ich mich nicht weiter beklagen, von meinem lieben Politstadl nicht mehr überrascht zu werden. Dass die nach wochenlangen Sondierungsgesprächen jetzt einfach sagen: Bilden wir halt garkeine Regierung- auf die Idee wäre ich nicht gekommen. Es ist auch mal wieder ein Beispiel dafür, wie schwer es dieser Tage für mich ist, die Erwartungen niedrig genug anzusetzen- ich wäre von einer großen Koalition schon ziemlich enttäuscht gewesen, hätte mich aber irgendwie damit abgefunden, ich hielt es für das Worst-Case-Szenario, in dem man aber zumindest Verantwortung beweist.

Und was haben die nicht alle über Verantwortung gefaselt, über Stabilität, über ihre Pflichten gegenüber dem Wähler. Gerade das macht das Ergebnis so erschütternd. Es ist so gesehen noch schlimmer als seinerzeit in Hessen, angefangen damit, dass es eben eine Wiederholung ist. Man hätte viel aus dem Ypsilanti-Drama lernen können, das hat man nicht getan. Insbesondere die SPD muss sich fragen lassen, aus was genau sie eigentlich ihren Führungsanspruch im bevölkerungsreichsten Bundesland ableitet- das Wahlergebnis kann's ja nicht sein. Eine Regierung bekommen die auch nicht zusammen. Mit der bemerkenswerten Performance bei den Sondierungsgesprächen würde ich auch nicht mehr auf Neuwahlen setzen - zumal die aller Wahrscheinlichkeit nach exakt das gleiche Ergebnis bringen würden, nur mit noch schwächeren Volksparteien und einer Rekord-Nicht-Wahlbeteiligung.

Man versteift sich nun darauf, vom Wähler zu einem "Politikwechsel" aufgerufen worden zu sein. Das ist garnicht mal so falsch- zumindest wollte der Wähler keine schwarz-gelbe Regierung. Und obgleich er sie so verheerend abgewählt hat, bekommt er jetzt, man sollte das kaum glauben: Eine schwarz-gelbe Regierung, sogar weiterhin mit Rüttgers. Hannelore Kraft zieht sich in eine neue Art der Opposition zurück, in der sie ihren Politikwechsel mit "Anträgen im Landtag" einleitet. Auf wessen Stimmen sie dabei hofft, ist mir nicht klar. Die Mandatsträger von CDU und FDP kann sie dabei nicht im Auge haben. Sollte sie also stattdessen auf Stimmen von Leuten hoffen, die -kreisch- nicht hinreichend die ehemalige DDR verurteilen? Also eine Art Minderheitsregierung in der Opposition?!

Verantwortung und Stabilität, man hätte mal zählen sollen, wie oft die diesen Schwachsinn alle miteinander von sich gegeben haben. Das ist also stabiler als eine Minderheitsregierung von Rot-Grün, die durch die Linkspartei toleriert wird? Mit diesem Grund hat Frau Kraft ja die entsprechende Option schon Monate vor der Wahl ausgeschlossen- und das ist jetzt die Alternative? Eine Oppositionsregierung ohne Mehrheit im Landtag, während schwarz-gelb weiter eine Bundesratsmehrheit hat?! Das soll ja wohl ein Witz sein.

Ich bin also durchaus dankbar, wenn Sigmar Gabriel dieser Tage vorangeht und etwas fordert, das wir hier schon vor über einem Monat angeregt haben, nämlich eine rot-grüne Minderheitsregierung. Auch Hannelore Kraft muss sich wahrhaftig nicht mehr vor Ansehensverlust fürchten, den sie dadurch erleidet, dass sie ihr Wahlversprechen bricht.

Ich weiss nicht, ob sie dafür nicht mittlerweile zuviele Türen zugeschlagen hat, und ich muß auch sagen: Die Zeiten, in denen ich ihr das Amt der Ministerpräsidentin gegönnt habe, sind auch vorbei. Aber noch kann sie zumindest ein einziges Mal was richtig machen. Den Nordrhein-Westfalen wäre es zu gönnen. Denn trotz der Überschrift und entgegen der wohl heute allgemeinen Stimmung: Es geht ja doch um etwas mehr als ein Ballspiel. Und dass man das allen Beteiligten scheinbar ernsthaft aufschreiben muss, ist das eigentliche Drama.

Wetter.

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