Von tanzenden Robotern und tanzenden Menschen. Ein Besuch im ZKM Karlsruhe

Was macht man an einem grauen, verregneten Feiertag, an dem der Schnee, der eigentlich da sein sollte, ausfällt und es draußen einfach keinen Spaß macht? Wir sind zum Tag der offenen Tür ins Zentrum für Kunst und Medientechnologie (ZKM) in Karlsruhe gefahren. In dem riesigen ehemaligen Industrieareal, das seit über zwanzig Jahren Medienkunst präsentiert und fördert, haben wir mit Flüchtlingen getanzt, eigene Kunstwerke gestaltet und über neue Technologien gestaunt.

Von tanzenden Robotern und tanzenden Menschen. Ein Besuch im ZKM Karlsruhe

Das ZKM in Karlsruhe

Die Rücken sind gekrümmt und müssen gestützt werden. Die Hände halten imaginäre Gehstöcke, der Gang schlenkert unsicher. Eine ganze Reihe von Menschen probiert ihn aus, den „Bobo“ aus Kamerun, den Tanz des Respekts. Er wurde, so die Geschichte, von den Alten erfunden, um sich wieder Respekt bei den Jüngeren zu erkämpfen. Hier und heute tanzen ihn ganz unterschiedliche Menschen: ältere und jüngere, Kinder dazwischen, Syrer, Bosnier, Afghanen, Deutsche. Der Workshop, in dessen Rahmen der afrikanische Tanz erlernt und gleich gemeinsam aufgeführt wird, heißt „Tanz auf fremdem Terrain“. Er wurde am Tag der offenen Tür von Grégory Darcy angeboten. Der Choreograph organisiert ein Tanzprojekt mit Flüchtlingen und Einheimischen. Gemeinsam tanzen sie und sind an diesem Tag ins ZKM gekommen, um ihr Projekt den Besuchern nahe zu bringen. Die Flüchtlinge lehren Tänze aus ihrer Heimat, einen syrischen und einen kamerunischen, und ein deutscher Teilnehmer bringt uns noch den brasilianischen Capoeira nahe. Und dann wird einfach gemeinsam Musik gemacht und getanzt.

Grégory Darcy, der Initiator und Moderator des Projekts, ist ein kreativer Kopf mit einem auch für einen Künstler ungewöhnlichen Werdegang. Der gebürtige Franzose studierte Tanz, bildende Kunst und Film in Berlin und Paris, ist aber ursprünglich gelernter Luft- und Raumfahrttechniker, der bei der NASA in Houston arbeitete. Heute widmet er sich nur noch seiner Kunst, die immer noch viele Facetten hat. So ist er nicht nur als Choreograph, sondern unter anderem auch als Filmemacher tätig. Nach dem Film „Tanz mit der Dunkelheit“, für den er Kinder zum Holocaust befragt hat, hat er im letzten Jahr „Menschen“ beworben, eine Mischung aus Dokumentation und Kunstfilm, in dem Flüchtlinge von ihren Erlebnissen berichten und diese parallel dazu in Tanzszenen ausdrücken. Diese Form entstand aus der Erfahrung, dass vieles, was die Menschen erlebt haben, gar nicht im Interview ausgesagt werden kann. Die Ausdrucksform Tanz übernimmt an dieser Grenze die Sprache. Spürbar wird hier: Die Musik ist ein identitätsstiftendes Element, mit dem jede und jeder ganz ureigene Empfindungen mitbringt, tief verwurzelte Erinnerungen. Sie ist aber auch ein verbindendes Element, in das jede und jeder sich ganz einfach einklinken kann.

Von tanzenden Robotern und tanzenden Menschen. Ein Besuch im ZKM Karlsruhe

Eine Halle weiter rollen die „Freedom Skaters“ zu lauten Beats zwischen zwei kleinen Quarterpipes hin und her. Unter diesem Namen haben sich junge Karlsruher zusammengetan, um es Flüchtlingskindern zu ermöglichen, skaten zu lernen und sich darin laufend zu erproben – eine sinnvolle Alternative zum tristen Heimalltag. Und nebenan können alle, die möchten, mit „Sibi“ ein eigenes Kunstwerk kreieren. Das Programm wurde von Roberto Fassone geschrieben und ist so etwas wie ein Zufallsgenerator für Kunstproduktion. Das ZKM präsentiert die Arbeit im Rahmen von „ArtOnYourScreen“, und jede und jeder kann sich im öffentlichen Raum des Webs daran beteiligen. Das Programm gibt einem schrittweise das Medium, die Thematik und den ersten Buchstaben des Werktitels vor – was man daraus dann macht, bleibt der eigenen Kreativität vorbehalten. Die Kunstwerke werden auf der projekteigenen Webseite „ausgestellt“.

„Sibi“ ist eigentlich ein gutes Beispiel dafür, was das ZKM ist: Museum und Produktionsstätte in einem, Verbindungsort zwischen Künstlern und Rezipienten, zwischen Kunst und Medien, zwischen den verschiedenen Gattungen und Themen. 1989 wurde es gegründet, um – so das Ziel der treibenden Köpfe – die klassischen Künste ins digitale Zeitalter fortzuschreiben. So wird es gerne im Selbstverständnis des Hauses als „digitales Bauhaus“ bezeichnet. Wie das Bauhaus in Weimar-Dessau die entstehende Industriekultur mit den Künsten verbunden hat, so soll seit mittlerweile über zwanzig Jahren das ZKM die sich ständig weiterentwickelnden Technologien mit den Künsten verbinden. Dabei ist es nicht der Gedanke, dass die klassischen Künste einmal abgelöst werden: „So wenig wie die Malerei durch die Computergrafik überflüssig gemacht wird, so wenig wird man den Konzertflügel fortwerfen, weil es den Synthesizer gibt“, heißt es auf der Webseite des Museums.

Am Tag der offenen Tür kann man etwa einmal dabei zugucken, wie ein 3-D-Drucker gewissermaßen kunstgewerbliche Objekte entstehen lässt, sich in die Auseinandersetzung unterschiedlichster Künstler mit dem Thema der digitalen Überwachung mitnehmen lassen oder durch die schier unübersichtliche Fülle der Ausstellung „Exo-Evolution“ schlendern. Da kann man zum Beispiel einen Industrieroboter sehen, der ein Bild malt, das „Museum of Cattle“ besuchen, in dem der Wandel des menschlichen Umgangs mit dem Milchvieh dokumentiert wird, oder sich durch Visionen zum Städtebau der Zukunft oder zum Umgang mit dem Klimawandel inspirieren lassen. Besonders gut gefallen hat mir die Videoarbeit „Grosse Fatigue“ von Camille Henrot, in der sie wort- und bildgewaltig die Geschichte der Entstehung des Universums erzählt. Dabei mischt sie im sogenannten „Spoke-Word-Stil“ die Mythen verschiedener Religionen mit oralen Legenden und Wissenschaftstexten zu einem großen Ganzen, das einerseits wunderschön wirkt, andererseits aber auch nur überfordern kann.

In den hohen und weitläufigen Hallen des ehemaligen Industrieareals kann man sich genauso verlieren. Kein Wunder, denn in den Räumen der ehemaligen Munitionsfabrik gibt es nicht nur zwei Museen, sondern auch Forschungsinstitute und Labore, die vor allem dazu dienen sollen, interdisziplinäre und internationale Projekte zu verwirklichen. Eins wird auch am Tag der offenen Tür klar: Man muss einfach wiederkommen, da die Fülle der Eindrücke sich durch einen Besuch einfach nicht aufnehmen lässt. Und das ist auch gar nicht schlimm, denn ein Besuch hier macht einfach Spaß und ist immer eine gute Alternative für einen öden Regentag.


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