Zuhause ist es doch am Boston – Fallout 4 (Kritik)

Ob Norden, Süden, Westen, Osten
zuhause ist es doch am Boston. – Otto Waalkes

Spoiler voraus!
Es ist immer schwer über aktuelle Filme oder Spiele ein Kritik zu schreiben, ohne dabei in jedem zweiten Satz in Spoilerfallen zu geraten. Darum hier die Warnung: Ich bin mit der Hauptstory ungefähr zu 65 % fertig und werde vermeiden darauf verstärkt einzugehen bzw. bemühe ich mich, nur Storyelemente der ersten 30 bis 40 Stunden aufzugreifen. Die Spielelemente werde ich aber vollständig diskutieren, wodurch einige Spoiler unvermeidbar sind. Wenn ihr frisch in das Spiel einsteigen wollt, ohne Vorkenntnisse, dann dürft ihr diesen Beitrag erst einmal zur Seite legen. Ansonsten geschieht das Lesen auf eigene Gefahr, es werden nur grobe Warnungen gegeben wo nötig.

Ein Blick zurück

In voller Rüstung auf dem DachEs gibt wohl kaum ein Spiel, dass so sehnsüchtig erwartet wurde wie Fallout 4. Die ersten beiden Teile (damals von Interplay entwickelt) hatten durchaus Kultstatus erlangt, aber zwei weitere Spiele (Fallout Tactics und Brotherhood of Steel), die entweder keine Rollenspiele waren oder inhaltlich nicht offiziell zum Kanon gehören, konnten den Erfolg nicht aufrecht erhalten. Bethesda sicherte sich die Rechte und erschuf mit Fallout 3 einen Nachfolger, der lieb gewonnene Spielelemente erhalten konnte und in eine detaillierte, offene Spielwelt transferierte. Die technische Modernisierung stand Fallout 3 ebenfalls gut zu Gesicht, aber der Grund für den Erfolg und die hunderte Stunden Spielzeit, die ich darin versenkt habe, waren vielmehr die schiere Masse an Quests, die detaillierten Charaktere und das liebevoll gestaltete Ödland von Washington, D.C., welches trotz allgegenwärtiger Bedrohungen so richtig schön öde aussah und erst auf den zweiten Blick seine eher freundlichen Bewohner preisgibt. Und dann war da noch Fallout New Vegas, was zwar von Obsidian umgesetzt wurde, aber mich trotzdem viele Nächte gekostet hat.
Und jetzt also Fallout 4.

Spoileralarm Stufe 1 – Rahmenhandlung und Gameplay

Charakter im SpiegelEs beginnt alles vor dem Krieg, 2077, kurz bevor aus dem Großraum Boston ein Ödland wird. Als Kriegsheld und Familienvater (oder Familienmutter und Absolventin der Rechtswissenschaft) haben wir das unverschämte Glück samt unseres Babys in das lokale Vault 111 gebracht zur werden, als die ersten Bomben fallen. Dort werden wir aber nicht einfach nur einquartiert (wie man das aus anderen Vaults kennt) sondern wir werden in Kryostase versetzt. Wir erwachen nur kurz und müssen dann tatenlos zusehen, wie einige unbekannte Personen unseren Sohn entführen und unsere bessere Hälfte ermorden. Als wir später selbst aus der Gefrierkapsel entkommen, sind alle anderen im Vault bereits tot und nur uns gelingt die Flucht nach draußen. Im Ödland angekommen, treffen wir bald auf Überlebende, die unsere Hilfe brauchen. Und damit potentielle erste Freunde, die uns womöglich auch bei der Suche nach unserem Kind weiterhelfen.

Blick aus der Power-RüstungÄhnlich wie in den letzten beiden Fallouts hat der/die Einzige Überlebende ein wenig Hintergrundgeschichte, die wir live miterleben, trotzdem werden wir recht zackig ins kalte Wasser geworfen. Alles was man zum Überleben wissen muss, wird schnell erklärt: Inventar – Check, Waffen – Check, Schleichen – Check. Unser Aussehen und den Namen können wir recht frei zu Beginn wählen, ebenso die S.P.E.C.I.A.L-Eigenschaften, die wir später aufleveln können. Erledigte Gegner, gebaute Gegenstände, Basisausbau, erledigte Quests – all das bringt Erfahrungspunkte und damit höhere Level. Wo man früher noch beim Levelaufstieg seine Fähigkeiten wie Schlösser knacken oder Reparaturen mit Punkten verbessern konnte, gehen die Punkte in Fallout 4 direkt in die S.P.E.C.I.A.L. – Eigenschaften oder Ihnen zugeordnete Perks, die man auf einer großen Tabelle freischalten kann, je einen pro Level. Levelbegrenzung gibt es keine und viele Perks können über mehrere Stufen verbessert werden. Fähigkeiten verbessern sich somit nur noch indirekt, aber das stört überhaupt nicht sondern macht die Sache eher übersichtlicher. Auch neu: Gegenstände nutzen sich nicht mehr ab, Waffen und Rüstung müssen also nicht immer wieder repariert werden. Fast alle Gegenstände können aber dafür jetzt in Rohstoffe zerlegt werden, mit welchen man dann Waffen und Rüstungen durch Mods aufrüsten kann. Das macht Laune und ist auch sehr modular aufgebaut, so dass Waffen und Rüstung stark personalisiert werden können. Zur Krönung kann man sie auch mit Namen versehen. Besonders tolle Gegenstände sind (genau wie gewisse Gegner)… es kommt gleich… LE-GEN-DÄR!

Basteln für den Weltfrieden

Jede Basis braucht StromEine wirklich frische Neuerung ist der Basisbau, für den man ebenso viele Rohstoffe verschleudern kann. An festgelegten Orten auf der Karte (die man ggf. erst mal von Ungeziefer befreien muss) kann man an vorhandenen Werkbänken Bauteile für Häuser, Gärten und Infrastruktur bauen und aufstellen. So kann man einen Ort errichten, den Siedler mögen und sie mit einem entsprechenden Leitstrahl einladen, sich doch niederzulassen. Es müssen aber genug Wasser, Nahrung, Sicherheit und Schlafplätze vorhanden sein, sonst gibt’s Ärger. Und hat man erstmal mehrere Siedlungen, ist ein wenig Management vonnöten. Spielerisch ist das gar nicht mal nötig, die Quests kann meist man auch ohne großen Siedlungsbau bewältigen. Trotzdem macht es wahnsinnig Spass aus Böden, Wänden und Dächern erst kleine und dann größere Unterkünfte zu zimmern und später zum Rohstoffgewinn oder sogar für regelmäßige Einkünfte (in Kronkorken, der Währung der Wahl des Ödlands) einzusetzen.

Kampf den Ghulen (V.A.T.S.)Bei unseren Reisen quer durch die Reste von Boston begegnen wir diversen Parteien. Den edlen Minutemen beispielsweise, die Helfer des kleinen Mannes, oder der Stählernen Bruderschaft, die auf der Suche nach alter Technologie sind. Dann gibt es noch die Railroad, eine Gruppe von Aktivisten, die Synths befreien und vor dem ominösen Institut verstecken. Oh, und das Institut. Wenn man es findet.
Die Gegnerschar ist ebenso beeindruckend. Raider, Ghule, Mirelurks, verstrahltes Getier, Supermutanten, Gunner und wilde Roboter trachten uns nach dem Leben. Und das häufig mit Erfolg. Die Gegner Leveln anscheinend nicht mit, darum sollte man tunlichst die Flucht ergreifen, wenn neben einem Gegnernamen ein Totenkopf auftaucht. Allerdings erhöht sich bei zufälligen Gegnergruppen schon die Zahl und die Qualität, so dass auch mit Level 60 immer noch gute Schlachten zustande kommen und bisweilen kann ein kleiner Mangel an Vorsicht auch dann noch den Tod bedeuten. Das Spiel wirkt so viel weniger leicht als noch in den früheren Teilen. Und gegen eine Todeskralle hilft nur eine dicke Powerrüstung…

Auch die Powerrüstung wird selbst gebasteltDie Powerrüstung hat ebenso eine spielerische Auffrischung erfahren. Einerseits kann Sie wie andere Rüstungen auch jetzt modular zusammengesetzt und modifiziert werden. Andererseits benötigt sie Fusionskerne um genutzt werden zu können und sind die Kerne alle, ist die Rüstung nutzlos. Daher kann man die Powerrüstung (man bekommt schon sehr früh im Spiel die Möglichkeit, das zu testen) primär für harte Kämpfe anziehen und danach einfach aussteigen und ohne weitermachen. Wenn man erstmal reichlich Fusionskerne gefunden oder gekauft hat, muss man da weniger strategisch sein, aber zu Beginn läuft das so und das ist doch eine nette Balancierung, die bislang so nicht existierte.
Das tollste an Fallout war und ist immer noch VATS, ein System, dass es ermöglicht das Spiel kurz abzuhalten (jetzt „nur noch“ abzubremsen) und auf die Gegner und ihre Körperteile zu zielen, solange man Aktionspunkte hat. Je nach Präzision und Schaden, sieht man danach, wie weh man den Gegnern tun kann. Das geht auch weiterhin, aber der Kampf in Echtzeit ist wesentlich flüssiger und spielbarer geworden. Auch aus der Hüfte trifft man jetzt die Gegner, was gerade bei größeren Gruppen hilfreich ist.

Jenseits des Gameplays

Besuch am LeuchtturmOptisch sieht Fallout 4 wesentlich besser aus als die Vorgänger und auch andere Bethesda-Titel wie Skyrim. Sicherlich kein GTA V, sicherlich auch kein Dark Souls, aber es ist trotzdem zeitgemäß umgesetzt und trotz hoher Einstellungen auch auf einem zwei Jahre alten System problemlos und flüssig spielbar. Wenn man an Dinge sehr nah heran geht, sieht man aber schon auch, dass die Texturen nicht immer hochauflösend sind. Und die Ladezeiten, wenn auch größtenteils erträglich, ziehen sich gelegentlich doch etwas. Das Wetter wurde komplett erneuert und es wechseln sich daher nun dichte Nebelschwaden, tosende Sandstürme, zündelnde RAD Stürme (mit radioaktiven Blitzen) und schöner, pladdernder Regen ab. Trägt man eine Powerrüstung beschlägt das Visier und spritzendes Blut landet natürlich auch mal im Gesicht. Derlei Details aber auch die generelle Gestaltung der Landschaft machen das Spiel so richtig schön anzusehen. Bei der Lichtgestaltung wurde ganze Arbeit geleistet.

Was ist sonst noch neu? Nun, alle Dialoge des Spielers sind voll vertont, der Einzige Überlebende hat also – anders als zuvor in Fallout-Spielen – eine männliche oder weibliche Stimme, auch eine deutsche. Die Dialoge werden jetzt über ein neues Interface gesteuert, welches nur vier Antwortoptionen erlaubt und die genauen Texte nicht vorweg nimmt. Man weiß also nicht immer ganz genau, was der Charakter sagen wird, insbesondere wenn die Option nur „sarkastisch“ lautet. Aber damit kann man leben, die wichtigen Dialogoptionen (z.B. für Sprachchecks) sind dafür farblich hervorgehoben. Die akustische Gestaltung vom Dialog mal abgesehen besteht aus zwei Radiosendern, einem mit klassischer Musik und dem Diamond City Radio, dessen Diskjockey Travis wir auch in einer Quest begegnen können. Auf Diamond City Radio hören wir wieder zahlreiche bekannte Titel aus früheren Spielen aber auch neue Perlen. Davon abgesehen gibt es natürlich auch nicht-diegetische Musik in Kampfszenen oder bei Storyhöhepunkten. Die komplette Akustik, also auch die Soundeffekte, ist ziemlich gut gelungen und trägt bestens zur Atmosphäre bei. Da war jetzt viel Lob, aber gibt es auch etwas auszusetzen?

Was nicht so geil ist

Powerfaust - Immer auf die ZwölfNun ja, jedes Spiel von Bethesda hat Bugs und das bleibt auch bei Fallout 4 nicht aus. Nur ein oder zweimal brach das Spiel einfach ab und ich war zurück auf dem Desktop. Das ist aber die große Ausnahme, eher fliegen Brahmin durch die Luft oder stecken in Türen fest. Auch bleibt der Begleiter regelmäßig an Ecken oder in Aufzugtüren hängen. Das nervt schon, aber stört den Spielfluss nicht entscheidend.
Spielerisch sind da auch ein paar Dinge, die negativ auffallen. So gibt es besonders später im Spiel das Problem, dass bestimmte Missionen immer wieder auftauchen. Klar, ohne Levelgrenze und definitives Ende muss es Möglichkeiten geben, auch jenseits der Story weiterzuspielen. Darum gibt es einigen Missionstypen, die uns beispielsweise auf die Suche nach bestimmten Items schicken oder uns auffordern, einen Ort von Gegnern zu säubern. Nach einem gewissen Cooldown werden diese bereinigten Orte aber wieder zurückgesetzt (zumindest teilweise) und werden dann munter wieder verteilt. Siedler beschweren sich über die immer selben Ghule, Raider entführen zum x-ten Mal Bewohner. Das fällt im Vergleich zu den sonst recht abwechslungsreichen Quests doch unschön auf. Natürlich kann man das ignorieren, aber lieber würde ich diese Missionen pausieren oder einfach hinter das Ende der Hauptstory verschieben. Beides geht nur eingeschränkt, denn einige Questtypen sind zeitgebunden und gelten nach einer Weile schlicht als nicht bestanden. Das hat keine direkten Auswirkungen, nervt aber trotzdem.
Andere Sache: Während man im Spiel die Möglichkeit freischalten kann, Waren zwischen den eigenen Siedlungen automatisch auszutauschen, gibt es leider nervige Ausnahmen wie Diamond City, wo ich trotz exzellenter Händler jeden Schrott manuell hin- und wegtragen muss. Warum diese Inkonsistenz?

Kronkorken investieren?

Man trägt wieder StahlAber auch mit diesen kleinen oder größeren Designfehlern und auch wenn nicht jeder alle Charaktere mögen wird und eine verzweigende Story es dem Perfektionisten schwer macht, alle Quests aller Fraktionen abzuschließen: Fallout 4 hat es einfach. Eine riesige Welt, die so ziemlich alles bietet, was man sich so vorstellen kann. Viele Möglichkeiten, diese Welt tiefschürfend mitzugestalten. Knackige Action mit herausfordernden Gegnern auch jenseits von Level 60. Eine pfiffige Story, die es einem leicht macht, diese riesige Welt zu entdecken. Und selbst nach mehr als 120 Spielstunden gibt es immer noch Neues zu entdecken, von Langeweile keine Spur. Die Jagd nach Wackelpuppen, legendären Waffen oder Rüstungen und so weiter kann mich sicherlich auch über 200 Stunden bei Laune halten.
Fallout 4 ist in jeder Hinsicht ein großartiger Nachfolger, es macht die alten Dinge nicht kaputt und modernisiert trotzdem einige Aspekte. Es ist nicht perfekt, wie hin und wieder deutlich werden sollte, aber wer oder was ist das schon. Ein Metascore von 84 (auf PC) zeigt, dass viele offenbar Gefallen gefunden haben an dem neuen Ödland. Und wer noch nicht da war, sollte sich schnellstens auf den Weg machen. Denn Du bist Ödland.

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Auch die Powerrüstung wird selbst gebastelt

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Powerfaust – Immer auf die Zwölf

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Vault-Tec Perk Tabelle

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Man trägt wieder Stahl

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Charakter im Spiegel

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Fallout 4 Titelbild

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Jede Basis braucht Strom

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Blick aus der Power-Rüstung

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Besuch am Leuchtturm

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Fallout 4 – Schöner Leuchtturm

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