Wir haben ein Emoti(c)ons-Problem

Beim Stöbern durch viele Online-Dating-Profile bin ich auf ein interessantes Phänomen gestoßen: Smileys. Smileys überall. Vor dem Text, nach dem Text, inmitten des Textes… fröhliche, Zunge-rausstreckende, traurige, beängstigende. Ich bin irritiert, denn so richtig ernst nehmen kann ich den dort geschriebenen Text irgendwie nicht. Ich gebe zu, auch ich bediene mich hin und wieder der kleinen gelben Mondgesichter (auch Emoticons genannt), jedoch versuche ich ihren Gebrauch in Grenzen zu halten. Wenn ich mir allerdings so manche WhatsApp Konversation ansehe, frage ich mich wirklich, ob die Menschen tatsächlich so gar nicht mehr in der Lage sind, ihre Emotionen ohne Grinsegesicht auszurücken, oder ob sie schlichtweg zu faul zum Tippen sind. Warum muss unsere schöne Sprache langsam aber sicher Punkten, Kommas und Bindestrichen weichen?

Irgendwie nett wirken

Ich bin mir sicher, dass der Mann, der in seiner Selbstbeschreibung wirklich übermäßig viele Smileys verwendet, eigentlich nur irgendwie nett rüberkommen will. Das klappt sicherlich auch bis zu einem gewissen Grad, nur will so ein Smiley auch an angebrachter Stelle erscheinen. Einige Beispiele:

Mein Tag wäre perfekt…

… wenn ich neben dir aufwachen könnte :-)  <– angebracht, da Smiley Augenzwinkern symbolisiert

Frühaufsteher oder Morgenmuffel?

Garantiert kein Morgenmuffel! :-)  <– angebracht, da Beweis für fröhliches Gemüt

Wohnort?

:-D  Ich wohne halb in Füssen, halb in München :-)  <– ist das so witzig, dass es zwei Smileys verdient? Ich wohne auch in München, so witzig ist das gar nicht. Eher fehl am Platz

So würde ich mein Äußeres beschreiben:

Positiv :-P  <– “positiv”… musste er wohl selber lachen, als er das schrieb? Vielleicht lieber ein paar Worte mehr und das Grinsegesicht weglassen. Sonst glaube ich ihm das “positiv” eher nicht…

Smileys einzusetzen, um auf einer zu Beginn noch etwas anonymen und oberflächlichen Plattform netter und sympathischer rüberzukommen macht Sinn. Mein Gegenüber kennt mich schließlich noch nicht, und so kann ich ihm auf einen Blick signalisieren, welche Aussagen vielleicht mit einem Augenzwinkern zu sehen sind. Gleichzeitig wirkt es doch etwas irritierend, wenn hinter 25 beantworteten Fragen 25 Smileys prangen – auf mich zumindest. Dann lieber ein bisschen mehr Mühe in den Text stecken und so sichergehen, dass das sympathische Gemüt richtig rüber kommt.

Emoticons bringen Sicherheit

Die kleinen gelben Gesichter sind längst nicht mehr alleine. Mittlerweile haben sie Gesellschaft von klatschenden Händen, Herzen, Äffchen, Sternchen und weiteren wichtigen und unwichtigen Symbolen bekommen. Wir verwenden sie oft, jeden Tag wahrscheinlich mehrfach, und verschönern somit unsere WhatsApp Nachrichten und SMS (ja, es gibt diese Menschen, die noch SMS schreiben). Die lustigen kleinen Smileys sollen dazu dienen, rüberzubringen, was wir meinen, da es ja oft schwierig ist, in geschriebener Kommunikation eine Emotion zu vermitteln. Denken wir. So schwierig ist es aber im Grunde gar nicht, denn die Menschen, mit denen wir da schreiben, kennen uns meist recht gut, und würden wahrscheinlich auch ohne Smiley wissen, wie es uns geht. Aber tun sie das wirklich? Oft haben wir uns schon so an den Kussmund Smiley nach dem “bis morgen” gewöhnt, dass wir unsicher werden, wenn er fehlt. Ich habe das mal getestet, und in meinen Nachrichten eine ganze Weile lang sämtliche Smileys weggelassen. Ich schreibe “Freu mich auf morgen!” und bekomme in Retour die Frage, ob alles ok sei bei mir, ich würde so betrübt klingen. Auf “Ja, das passt, dann hole ich dich morgen um vier.” erhalte ich die Frage, ob ich irgendwie sauer sei oder so was, weil ich sich meine Nachrichten so abgehackt lesen würden. Warum sollte nicht alles ok sein? Warum sollte ich sauer sein? Und: Würde ich mich nicht dazu äußern, wenn es so wäre? Mein Gegenüber kann sich also nur sicher sein, dass ich “ich freue mich” tatsächlich auch genau so meine, wenn ich die breitgrinsenste verfügbare Fratze dahinter tippe? Das finde ich schwierig. Die Smileys sind eine nette Verzierung, aber es muss auch ohne gehen.

Wir sind reininterpretiergeil

Weil es im Grunde viel zu langweilig ist, ein zufriedenes Leben zu führen, in dem wir die Dinge einfach mal so nehmen wie sie sind, sind wir Meister der Interpretation. Meist, so möchte ich behaupten, handelt es sich hierbei um Fehlinterpretationen, trotzdem lieben wir diese Art der Freizeitbeschäftigung heiß und innig. Ich persönlich nehme mich da nicht aus, obwohl ich erwähnen möchte, dass ich eher zur harmloseren Variante gehöre, die immer annimmt, die Menschen um sie herum seien in der Lage, genau dem, was sie sagen wollen, Ausdruck zu verleihen – nicht dem Gegenteil. Wo wir früher, zum Beispiel in Sachen Dating, nur Nachrichten (oder ausbleibende Nachrichten) unseres Schwarms interpretatorisch auseinandergenommen haben, machen wir uns nun auch Emoticons zu Eigen. Hierbei entstehen dann Aussagen wie “Bis jetzt hat er immer überall Smileys dahinter gemacht, jetzt auf einmal nicht mehr – ich glaube das war’s, er hat kein Interesse mehr” oder “Klaus hat mir heute einen Kuss-Smiley geschickt. MIT HERZCHEN! Ich glaub er will mehr von mir…”. Ohne, dass unser Gegenüber irgendetwas Konkretes kommuniziert hat, meinen wir bereits zu wissen, was Sache ist. Und diese Reininterpretiererei ist so ungut. Wir alle wissen das, und machen es trotzdem. Zu beobachten, wie eine Grundsatzdiskussion aufgrund eines kleinen gelben Gesichtes geführt wird, erinnert mich ein bisschen an die Zeit, in der wir noch darüber fachsimpelten, ob unser Schwarm uns nun zwei oder drei Sekunden lang angesehen hatte, und ob er aufgrund dessen nun mit uns gehen wir oder nicht… Wir sollten weiter sein.

Faultiere

Wir könnten schreiben “Super, machen wir so” stattdessen schicken wir den Daumen hoch. Wir könnten schreiben “Ich geh ins Bett, schlaf gut!” und senden Zzzzz, einen Mond und einen Herzchenkuss. Ich gebe zu, wenn ich mal keine große Lust habe einen ewig langen Text zu schreiben, kann es durchaus passieren, dass ich mal nur mit einem doofen Grinser antworte. Aber warum? Wenn ich keine Lust habe zu antworten, kann ich es doch im Grunde auch einfach lassen, und später antworten, oder? Wir können uns nur so schwer vom Zustand des immer-erreichbar-Seins lösen. Ich denke, so ein kleines Bisschen Wertschätzung gegenüber unserer wunderbaren Sprache sowie unseres Gegenübers kann hier schon erwartet werden. Überlegt doch mal: Früher haben wir uns seitenlange Briefe geschrieben… MIT HAND! Und jetzt bekommen wir es gerade mal noch so hin, einen Smiley, dem der Kopf platzt als Antwort auf eine Nachricht zu verschicken. Wie gesagt, von all dem nehme auch ich mich nicht komplett aus, nur wenn ich jemand etwas erzählen möchte, eine Meinung hören oder auch nur eine klare Antwort, macht es mich wahnsinnig, wenn ich auf jede Nachricht nur eine (wahrscheinlich wohldurchdachte aber dennoch bescheuerte) Ansammlung von Emoticons als Antwort bekomme. Mit Faulheit ist das fast nicht mehr zu entschuldigen, denn die Zeit, die es braucht, um all diese aufeinander abgestimmten Smileys in eine Nachricht zu pressen, würde genau so dafür ausreichen, ein paar Worte zu schreiben. Würdigt also die Sprache bitteschön!

Die Welt entwickelt sich weiter, auch ich schreibe keine Briefe mehr. Und da wir jetzt alle in diesem Internetz sind wird sowieso alles schneller und auch irgendwie unverbindlicher. Trotzdem ist unsere Sprache ein wertvolles Gut, das wir nicht ersatzlos durch gelbe Gesichter ersetzen sollten. Sicherlich sind sie an der ein oder anderen Stelle auch angebracht, unterstützend und witzig. Übertreiben sollten wir es, wie bei so vielen Dingen im Leben, jedoch nicht. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Gewöhnt er sich an stimmungsdeutende Emoticons nach jedem Satz, wird er sich natürlich wundern, wenn diese auf einmal fehlen. Aber genau wie man dem Hund das in-den-Garten-pinkeln abtrainieren kann, können auch wir uns diese Angewohnheit abtrainieren. Try it out!

xoxo_Carrie_2

 


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