Wer keinen Verstand hat...

Oder auch: Wenn hirnverbrannte Dogmatiker Politiker spielen
Von Jürgen Voß
Von Lessing stammt – so glaube ich – der Satz: “Nur wer keinen Verstand hat, kann auch keinen verlieren!“ Über 20 Jahre neoliberaler Unsinn – zunächst leicht dosiert durch Altvater Kohl, der dem angelsächsischen Braten wohl nicht so ganz traute – und dann mit Brachialgewalt ausgerechnet von der Sozialdemokratie und den Grünen durchgesetzt, haben in der Vergangenheit mehrdutzendfach Gelegenheit geboten, an dem Verstand unserer Politiker ernstlich zu zweifeln und selbigen angesichts ihres Handelns komplett zu verlieren.
Was sich aber in aller neuester Zeit die FDP-Konfirmandenriege, angeführt durch einen seit langem behandlungsbedürftigen Egomanen und einen fast im Rentenalter befindlichen Wirtschaftsminister, bei dessen Äußerungen man sich immer fragt: „Ist der so doof oder labert der im Suff?“, geleistet hat, stellt wohl alles in den Schatten, was an Irrationalismen das neoliberale Lager in den letzten Jahren hervorgebracht hat.
Gemeint ist der Diebstahl von 330 Mio. Euro Steuergelder, die der öffentlichen Hand für dringend notwendige Aufgaben nun nicht mehr zur Verfügung stehen. Sie sol-len vielmehr dazu dienen, die steuerpflichtigen Arbeitnehmer durch die Heraufsetzung des sog. Arbeitnehmerpauschbetrages um maximal 2,90 Euro (!!!) monatlich zu entlasten.
Ich frage mich, wie hirnverbrannt, wie asozial, ja wie gemeingefährlich ist man in dieser FDP-Gurkentruppe bereit zu agieren, wenn es darum geht, das einzige dösbaddelige Markenzeichen „Steuersenkungspartei“, das man seit zwei Jahrzehn-ten in dieser völlig programmlosen Partei wie ein Mantra vor sich herträgt, der Öffentlichkeit gegenüber auf Teufel komm raus zu beweisen? Die Geschichte mit den Hoteliers wurde also – man glaubt es nicht – noch einmal mit unglaublicher Chuzpe getoppt.
Der Skandal wird aber erst dadurch komplett, dass er als solcher in der Presse kaum gebrandmarkt wurde, um damit wenigstens beim Wähler einen Schrei der Empö-rung hervorzurufen.
Lediglich der Berliner Stadtspiegel kommentiert: „Nach einem aberwitzigen Streit darüber, ob etwa jeder zweite Steuerzahler monatlich um bis zu 2,90 Euro entlastet wird, steht nun fest, dass sich die Regierung eine 330 Millionen Euro teuere Image-kampagne für die Wiederbelebung der FDP und damit für den Fortbestand der schwarzgelben Koalition gönnt. Nichts anderes ist die rückwirkende Erhöhung des Arbeitnehmerpauschbetrages von 920 auf 1000 Euro. Die steuerliche Entlastung, die die FDP von nun an als ihr Kunststückchen verkaufen wird, ist ein Treppenwitz, ein bürokratischer Unfall“.
Ich sage nur: Dankeschön, Tagespiegel, es gibt hier und da doch noch Journalisten in unserem Land und nicht nur neoliberale Nachplapperer! Aber selbst einem sol-chen, wie Marc Beise von der SZ, ist nicht ganz wohl bei diesem Husarenstück der postpubertären FDP-Riege. Er schreibt: „Der Berg kreißte und gebar ein Mäuschen!“ Schlägt dann aber sofort wieder die Pflichtvolte in den neoliberalen Heimathafen: „Nur auf die bescheidene Summe zu schauen ist ungerecht: In der Steuerpolitik kommt es nicht immer auf den konkreten Betrag der Be- oder Entlastung an, wichtig ist die Symbolik.“
Na, da bin ich ja beruhigt. Und morgen früh geh ich gleich einkaufen und zahle mit Symbolik.

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