Weil Worte unsere Sprache sind…

Irgendwann einmal habe ich eine Reportage über die Ehe gesehen. Über das Geheimnis einer langen Ehe. Da zeigten sie ein graues Paar, das stolz und händchenhaltend verkündete, dass sie bald 75 Jahre verheiratet seien. Kronjuwelen Hochzeit nennt man das, sagt Google. Wenn ich mir überlege, dass manche Menschen nicht mal so alt werden, wie viele Jahre diese zwei verheiratet sind, muss ich voller Achtung und Bewunderung meinen Hut ziehen. Ich nenne die beiden Erna und Gottlieb. Erna und Gottlieb erzählen ihre Geschichte. Eine Geschichte, in der es sicherlich nicht nur glückliche Zeiten gab. Als der Reporter sie fragt, was ihrer Meinung nach das Geheimnis hinter ihrer langen Ehe sei, schmunzelt Erna. “Seit wir uns kennen, tun wir jeden Tag das, was heutzutage kaum noch einer kann: Wir reden – miteinander.”

Talk Show

Wir reden. So einfach geht das? Kann ja nicht so schwer sein. Wie reden schließlich den ganzen Tag. Das Leben ist eine einzige, große Talk-Show. Frauen sind Königinnen in der Disziplin des Redens. Aber reden wir tatsächlich miteinander? Oder reden wir vielleicht einfach noch viel vor uns hin, ohne große Bedeutung? Reden wir tatsächlich so viel, wie wir denken? Tim und ich hatten fast zwei Wochen Sprechpause. Wir haben einen wunderschönen Abend miteinander verbracht, danach war es mehr oder weniger still. Die Tatsache, dass die Ruhe seinerseits damit zusammenhängt, dass es ihm nicht gut geht und die Vergangenheit ihm zu schaffen macht, konnte ich mir denken. Ein paar Tage lang war das auch in Ordnung. Die neue Gelassenheit veranlasste mich, mir nicht den Kopf zu zerbrechen. Und irgendwann, nach zwei kleinen und vollkommen nichtssagenden Abweisungen, die wunderbar hätten mit obigem Thema begründet werden können, brach es aus mir heraus. All die Gedanken, die ich mir in den letzten Monaten nicht gemacht habe, kamen auf einmal zum Vorschein. Habe ich etwas falsch gemacht? War es zu viel von meiner Seite? Werde ich ihm gar zu viel? Und auf einmal war sie weg, die wunderbare Gelassenheit. Ich hatte Angst. Hier gab es keine Worte, er wollte sie in diesen Momenten nicht teilen, und ich habe nicht nachgefragt. Stille lässt Raum zur Interpretation.

Reden – und zwar tacheles

Nach einer sich gefühlt wie Kaugummi in die Länge ziehenden, kommunikationslosen und emotionsvermissenden Durststrecke werde ich schließlich erlöst. Tims Name auf dem Display meines Telefons. Wider Erwarten werde ich auf einmal ganz ruhig. Da ist kein Zweifel mehr, keine Angst, keine schlechten Gedanken.  Ich höre seine Stimme, und auch wenn ich höre dass es ihm nicht gut geht, weiß ich doch, dass alles gut ist. Tim erzählt von sich und was ihm zu schaffen macht. Ich habe Verständnis, das habe ich tatsächlich. Als er mich frag, wie es mir geht, zögere ich kurz. Ein klitzekleiner Gedanke schleicht sich in mein Gehirn, der mich darüber nachdenken lässt, ob er es wohl in dieser Situation gebrauchen könnte, dass auch ich irgendwie ein Problem habe. Wenn ich nichts sage, wird sich nichts ändern. Und so sage ich ihm, wie es mir in den letzten Wochen ging. Ich sage ihm, dass ich verunsichert war, Angst hatte. Dass mir ein Stückchen Sicherheit von seiner Seite gefehlt hat, dass ich nicht Schuld an dieser Situation bin. Und was sagt er? Er schluckt, sagt, dass er nicht will, dass es mir so geht. Und dann fragt er, was er tun kann, dass das nicht passiert, dass es mir nicht so geht. Insgeheim schmelze ich dahin bei diesen Worten. Als alles “Unangenehme” gesagt ist, fällt mir ein Stein vom Herzen.

Reden kann jeder – sich mitteilen fällt schwer

Das Thema “reden” begleitet mich jeden Tag. Das meiste meines Redens ist wahrscheinlich belangloser Quatsch, Smalltalk über dies und das. Ich rede mit Freunden über ihre Sorgen und Probleme. Und dann, wo es eigentlich Sinn machen würde, fiel es mir bis jetzt so schwer, über das zu reden, was mir selbst am wichtigsten ist – mich selbst. Reden in Form von Aussprechen – sei es in einem Gespräch, einem Telefonat, oder auch nur einer Nachricht. Oft sage ich nicht was ich denke und fühle, weil ich naiver Weise davon ausgehe, dass mein Gegenüber schon wissen wird, was ich eigentlich meine. Oft sage ich es nicht, weil ich Angst habe, der andere könnte nicht damit umgehen. Oft sage ich es nicht, weil es mir zu mühsam ist. Nichts zu sagen gehört dazu. Wenn ich mich allerdings über das nicht gesagte und die Reaktion darauf ärgere, war es nicht der richtige Weg. Vor allem wenn es um Gefühle und Ängste geht, fällt es uns extrem schwer uns mitzuteilen. Menschlich. Und doch macht es so viel Sinn, sich mitzuteilen. Sich genauso sagen zu können, was einen am anderen stört, wie auch was man mag. Empfindungen zu teilen, Wünsche zu äußern. Wer all das in sich vergraben lässt, macht sich sein Leben viel schwerer und unerfüllter als nötig. Menschen um sich herum zu haben, denen man sich sorgenfrei mitteilen kann, ist wahnsinnig viel wert, und ich schätze es sehr, davon so viele zu kennen.

Zurück zu Tim, nach dieser doch etwas schweren Kost. Seit unserem Telefonat bin ich wieder normal. Ich bin entspannt, zerbreche mir nicht den Kopf und überbrücke die Zeit, in der ich ihn vermisse mit neuen dubiosen Hobbies. In einem Anfall von blindem Aktionismus, habe ich mir vor einer Woche Wolle, Stricknadeln, Leinwand und Farbe gekauft. Mein vorgeschobener Grund ist “ich wollte mal schauen ob ich so was kann”, in echt muss ich mich einfach nur ablenken. Also sitze ich nun Abend für Abend, an dem ich ausnahmsweise mal zu Hause bin, auf meinem Sofa, trinke Tee und stricke. Wie eine Mutti. Das mit dem Bilder malen sehe ich skeptisch, meine ersten Versuche sind leider künstlerisch nicht sonderlich hochwertig. Zumindest rettet es mich noch über die nächsten Tage, bis ich Tim endlich mal wieder drücken kann. Es wird ein klitzekleines bisschen spannend, denn wir gehen mit Freunden abends essen. Wir. Also er und ich. Ob wir als erundich oder als er… und…. ich gehen, weiß ich noch nicht so recht, ich habe todesmutig beschlossen, das einfach mal abzuwarten. Stay tuned :-)

xoxo_Carrie_2

© Nomad_Soul – Fotolia.com


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