Weißer Rassismus als Horror-Monster in Jordan Peeles GET OUT

Get Out führt uns in den privilegierten Vorstadt-Rassismus, der dieser Tage kaum fantasiert und sehr real wirkt.


Get Out

Get Out

Daniel Kaluuya ist Chris Washington in „Get Out“

Manchmal überraschen uns Menschen. Man nehme zum Beispiel Comedian Jordan Peele, der jetzt mit Get Out sein Regie-Debüt hingelegt hat. Man sollte meinen, dass es sich dabei um eine Vollblut-Komödie handelt, wo Peele doch selbst Stand-Up betreibt, ein Mitglied der MADtv Truppe war und mit der Comedy Central Sketch-Serie Key & Peele (gemeinsam mit Keegan-Michael Key) erheblichen Erfolg hatte. Mit Get Out legt er aber einen filmischen 180 hin, bei dem er aus Lachern Angstzustände werden lässt.

Der Film erzählt von dem schwarzen Fotografen Chris Washington (Daniel Kaluuya) und seiner weißen Freundin Rose Armitage (Allison Williams). Die beiden machen einen Wochenend-Ausflug zu den Eltern von Rose, dem Neurochirurgen Dean (Bradley Whitford) und der Psychiaterin und Hypnose-Therapeutin Missy (Catherine Keener).

Chris zeigt sich schon vor der Ankunft darüber besorgt, dass Rose ihren Eltern nicht erzählt hat, dass sie einen Schwarzen dated. Auch das merkwürdige Verhalten eines ebenfalls schwarzen Hausmeisters (Marcus Henderson) und einer Haushälterin (Betty Gabriel) tragen wenig dazu bei, dass sich Chris in dieser Gesellschaft wohl fühlen könnte.

Eigentlich ist das Szenario prädestiniert für einen Horrorfilm, wurde bisher jedoch eher als Komödie verarbeitet, wo es auch Jordan Peele mit Leichtigkeit hätte hinverschlagen können. Man nehme nur Ben Stiller, der seine Schwiegereltern – allen voran Robert De Niro – in gleich drei Filmen auf abstruse Weise ertragen musste.

Hier aber wurde die Freund-trifft-Eltern Story in das verwandelt, was es für jeden von uns wirklich darstellt. Das erste Treffen mit den Eltern ist nun einmal schweißtreibend, aufregend und man kommt kaum drum herum, sich im Nachhinein für irgendein dummes Verhalten zu schämen. “Get Out” könnte man da auch in sehr harmlosen Kennenlern-Treffen selbst insgeheim denken.

Nur das in diesem Film der Horror tatsächlich wahr ist. Umso bedrohlicher erscheint es uns auch, dass sich hier kein Massenmörder hinter einer Maske versteckt. Außer man möchte das Privilegiert-sein und das Weiß-sein als Masken ansehen. Vielleicht ein wenig wie die Zipfelmützen des Ku-Klux-Klans. Dann visualisiert sich der Horror doch recht zügig. Ansonsten brodelt es hier aber eher unter der Oberfläche – zumindest bis Get Out sich in seinem letzten Akt zur Vollstreckung aufmacht.

Lob gebührt Bradley Whitford und Catherine Keener, die den Eltern eine gespielte Belanglosigkeit mitgeben, die wir zwar merken, die zugleich aber auch ganz natürlich wirkt. Es ist dieser Moment, in dem man sich sehr unwohl fühlt, genau das aber vertuschen möchte. Dies gelingt beiden Darstellern durch ihre Körpersprache, durch ihre Worte, durch die Gesichtsausdrücke, die sie nicht immer aufrecht erhalten können, wenn der Schwarze ihr weißes Haus betritt.

Allison Williams zeigt sich außerhalb ihrer zu Ende gegangenen HBO-Serie Girls wundervoll ambivalent in ihrem Spiel. Ohne zuviel vorweg nehmen zu wollen, ist es eine finale Konfrontation mit den Eltern und ihrem Bruder Jeremy (Caleb Landry Jones), die die ganze Raffinesse ihrer Darstellkünste zeigt.

Peele hat sein perfektes Stand-Up Comedy Timing in das Filmemachen übertragen und beweist uns damit (wenn dieser Beweis für manche Menschen nötig ist), dass das Horror-Genre ganz arg auf dieses Timing angewiesen ist. Damit gelingt es dem Regisseur einen fantastischen Horror oder Psychothriller hinzulegen, der sich sichtlich von der übrigen 08/15-Ware abhebt, die sonst so unter dem Horror-Banner veröffentlicht wird.

Schon allein wie wir zu Beginn irgendeinem männlichen (natürlich ebenfalls schwarzen) Fußgänger folgen, der in Panik ausbricht, als auf einmal ein Van neben ihm zum Stehen kommt. Wie die Horrorfilm-Frauenfigur, blickt er sich panisch um. Sofort wird klar, dass wie das “schwache Geschlecht” einst für den Horrorfilm herhalten musste, hier die “schwache Hautfarbe” ausschlaggebend ist.

Damit gelingt es dem Film, viele Horrorfilme hinter sich zu lassen, die sich dieser Tage nicht einmal mehr die Mühe geben, einen Kommentar auf gesellschaftliche Missstände zu machen. Dabei hat das Genre da sehr gut angefangen, als George A. Romero noch seine Zombie-Filme drehte und hier zum Beispiel den Massenkonsum anprangerte, der die Untoten aus Gewohnheit immer noch zu einer Shopping Mall wanken ließ um dort Menschenfleisch zu konsumieren.

Statt handelsüblichen Schockmomenten oder übermäßiger Brutalität (beides ist in Get Out zu finden, aber als wohl dosiertes Mittel zum Storytelling) gibt uns Jordan Peele mit seinem Film nun endlich mal wieder Horror als erstklassige Social Satire.


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