Warum Hitchcocks »Vertigo« uns von der ersten Minute an packt

Der Sog in die Tiefe

Der Sog in die Tiefe

Mich hat an Alfred Hitchcocks „Vertigo“ immer beeindruckt, dass sämtliche Handlungsstränge von einem einzigen energetischen Prinzip getragen werden: dem schwindelerregenden Sog in die Tiefe, der dem Film auch seinen Titel gegeben hat.

Ein Mann, der panische Höhenangst hat, verliebt sich in eine Tote. Der physische und der psychische Abwärtssog verbinden sich – und in den entscheidenden Momenten des Films fallen beide zusammen: im realen Sturz in den Tod. Diese Verschränkung gibt dem Film eine unglaubliche Dichte.

Als ich den Film vor kurzem wieder gesehen habe, ist mir aufgefallen, dass das energetische Grundprinzip nicht erst in der Haupthandlung auftaucht, sondern bereits zu einem ganz frühen Zeitpunkt. Der Konflikt ist noch gar nicht etabliert, die psychologischen Abgründe sind noch gar nicht bekannt – und doch bringt bereits die Exposition einen schwindelerregenden Sog: keinen physischen oder psychischen, sondern einen kriminalistischen.

James Stewart bekommt den Auftrag, Kim Novak zu beschatten. Er folgt ihr heimlich durch die Straßen von San Francisco, während sie sich aus unbekannten Gründen auf den Spuren einer längstverstorbenen Spanierin bewegt. Diese doppelte Verfolgungsbewegung ist eigentlich rein kriminalistisch motiviert – und sie löst sich auch kriminalistisch auf: Kim Novak hat die Faszination für die tote Spanierin nur gespielt, um ein Verbrechen zu vertuschen.

Und doch sieht der Zuschauer über fast eine Stunde, wie James Stewart einer Frau folgt, die einer Toten folgt – ein mysteriöser, doppelter Sog, an dessen Endpunkt bereits der Tod steht. So werden wir in der Exposition bereits tief hineingezogen in die schwindelerregende, traumhafte Stimmung des Films. Rational gesehen hat sich zur Hälfte des Films mit der Auflösung des Verbrechens alles befriedigend geklärt – atmosphärisch aber befinden wir uns bereits im freien Fall.

Wenn nun in der zweiten Hälfte das Ebenbild der zu Tode gestürzten Kim Novak auftaucht und James Stewart versucht, die Lebende in die Tote zu transformieren, dann erscheint uns das alles nur konsequent – lediglich ein weiterer, noch existenziellerer Sog, an dessen Endpunkt wiederum der Tod (diesmal der reale) steht. Zwar erzählt die zweite Hälfte inhaltlich etwas recht anderes als die erste: kein Verbrechen, sondern eine Obsession – doch atmosphärisch erzählt sie die Geschichte vom schwindelerregenden Sog in den Abgrund einfach weiter.

Hitchcocks Meisterleistung besteht darin, dass er in der Exposition nicht nur den Konflikt, sondern auch bereits das daraus resultierende Bewegungsprinzip einführt. Seine Exposition ist keine statische Situation, bevor die Handlung in Gang kommt, sondern sie ist Bewegung in sich selbst. Bewegung ist die Normalform der strudelnden Existenz. Die Haupthandlung muss sie nicht erst in Gang setzen – sondern lediglich weiterführen bis zur Vernichtung.


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