Warum Hardliner im Iran gerne andere ausschliessen und Hass nähren

07.07.2015Politik & Gesellschaft 

mehriran.de - Rede bei den Vereinten Nationen in Genf. Dieser kurze Bericht konzentriert sich auf Menschenrechtsverletzungen gegen religiöse und spirituell gesinnte Gruppierungen im Iran. Außerdem wird es um die Mechanismen gehen, warum das Regime ein aktives Interesse verfolgt Menschenrechte zu verletzen, anstatt grundlegende Rechte der Bürgerinnen und Bürger im Iran zu schützen.

Warum Hardliner im Iran gerne andere ausschliessen und Hass nährenWarum Hardliner im Iran gerne andere ausschliessen und Hass nähren

Diana Ala'i sprach für die Baha'i, Helmut N. Gabel für die Internationale Organisation zum Schutz der Menschenrechte im Iran

Genf, mehriran.de - Präsident Rouhani versprach substanzielle Änderungen bei den Menschenrechten als er vor zwei Jahren antrat, doch wir sehen tendenziell eher eine Verschlechterung.

Bildungsfreiheit, Meinungsfreiheit, Glaubensfreiheit, Freiheit des Ausdrucks und weitere Felder ernsthafter individueller Selbstbestimmung sind dauerhaft gefährdet ausgehebelt zu werden.

Das Regime wendet hauptsächlich zwei Werkzeuge an, um die Gesellschaft zu unterdrücken und das Fortbestehen der Machtelite zu sichern, um ihre Ziele zu erreichen: Ehtelâf va tars (Zerwürfnis und Angst). Das Regime setzt diese Werkzeuge geschickt ein, um seine "Säuberungen" von allen Andersdenkenden voranzubringen. Ein wichtiges Argument soll nicht außer Acht gelassen werden. Die Gruppen, die durch das Regime als regimefeindlich eingestuft werden, müssen laut Aussagen von Regimevertretern aus Gründen der Staatsräson verfolgt werden und diese Praktik findet nach wie vor eine perfide Fortsetzung. Dies ist jedoch nichts als eine Ausrede, um willkürlich Feinde zu konstruieren, denen man Staats gefährdende Umtriebe andichtet, um sie beseitigen zu können.

Während der vergangenen Jahrzehnte haben eine Vielzahl von Zeugen immer wieder von den Verfolgungen religiöser und ethnischer Minderheiten durch das Regime im Iran berichtet. Es gibt nicht wenige Berichte über das Vorgehen gegen Kurden, Balutschen, Araber oder weniger bekannte Volksgruppen, ebenso über Baha'i, Sunniten, konvertierte Christen, Ahl-e Hagh, Anhänger von Mohammad Ali Tâheri und Erfân-e Halghe oder Sufi Derwische des Nematollah Gonabadi Ordens unter Leitung von Dr. Nour Ali Tabandeh. Sie alle erleiden immer wieder Verfolgung, Erniedrigung, Angriffe verschiedenster Natur durch Agenten des Regimes.

Wie Sie vielleicht wissen, gibt es im Iran eine Machtelite, die auf der revolutionären Agenda namens "Islamische Revolution" beharrt und die sich nicht auf die Grenzen des Staates beschränkt. Die Vertreter dieser Interessen beharren weiterhin darauf, jeden zu verfolgen, den sie selbst als Feind ihrer sogenannten Islamischen Revolution definieren. Eine ihrer Hauptpublikationsorgane ist die Webseite "Ammaryioun", die auch den Namen der Gruppe zum Ausdruck bringt. Diese revolutionär gesinnten Fundamentalisten durchdringen die Kaderschulungen in den Universitäten, bei den Revolutionswächtern und in anderen Institutionen, die unter der Aufsicht des sogenannten "Obersten Führers" stehen. Ihre Weltanschauung könnte als radikaler Klerikalfaschismus bezeichnet werden.

Es gibt hauptsächlich drei Stufen in der Vorgehensweise des Regimes und vornehmlich dieser Gruppierung innerhalb der Machtelite, die konsequenterweise und immer wieder zu Menschenrechtsverletzungen führen:

1.   Bücher oder Artikel veröffentlichen, neuerdings auch Ausstellungen veranstalten, die vollgespickt sind mit Verleumdungen, bodenlosen Behauptungen und historischen Interpretationen, die einer ernsthaften Überprüfung nicht Stand halten

2.   Junge Kleriker in Schnellkursen "erziehen", das bedeutet sie mit gewissen Hassgedanken indoktrinieren

3.   Die jungen Kleriker in verschiedene Städte und Regionen schicken, wo sie die Bevölkerung gegen Minderheiten aufstacheln sollen, die leichte Zielscheiben abgeben, da sie weder von Machteliten im Iran besonderen Schutz zu erwarten haben noch von Wortführern in anderen Ländern

Weiterhin gibt es zwei Anschuldigungen, die regelmäßig gegen verschiedene Gruppen und Individuen vorgebracht werden, um sie als Feinde abzustempeln und deren Folgen zur Hinrichtung führen könnten:

1.   Moharebeh (Feindschaft zu Gott), welche eine politische Anschuldigung darstellt, da im Iran Religion und Staat auf's Engste miteinander verschweisst sind

2.   Beleidigung des Propheten oder Beleidigung von Heiligen, welches erstmal eine religiöse Anschuldigung darstellt, die mit einem Rechtsgutachten eines Ajatollahs angereichert, einem Aufruf an die Gläubigen zum Töten gleich kommt und oft eine Art Präzedenzfall für den Tatbestand schafft 

An Hand zweier Beispielen will ich im Folgenden einen kleinen Einblick aus einer umfangreichen Sammlung herzzerreissender und unmenschlicher Geschichten geben, die aus den Prinzipien und der Politik dieses Regimes erwachsen. Ich werde sprechen über die verzweifelte Situation von Herrn Mohammed Ali Tâheri und die Angriffe gegen eine Sozialeinrichtung für Arme, Alte und Pflegebedürftige namens "Madad kari-ye Reza" erwähnen. 

1. Dr. Mohammed Ali Tâheri

·   Wissenschaftler und Gründer des Interuniversalismus (Erfân-e Halgheh), Heiler

·   er hat mehrere ganzheitliche Heilansätze entwickelt

·   er ist Leiter eines Instituts, das 2006 seine Pforten in Teheran eröffnet hatte, die ihm im August 2010 schon wieder verschlossen wurden

·   Herr Tâheri wurde 2010 verhaftet und wegen "Handlungen, die aus religiösen Gründen verboten sind" angeklagt - er hatte während einer Heilsitzung die Handgelenke einer Frau angefasst, um eine Heilmethode anzuwenden

·   schliesslich wurde er wegen "Beleidigung islamischer Heiligen" verurteilt und zu 5 Jahren Haft ins Gefängnis geschickt, wo er Folter erlitt, Todesdrohungen aushalten musste und Isolationshaft gesteckt wurde

·   er hat 12 Versuche unternommen mit einem Hungerstreik gegen seine verzweifelte Lage zu protestieren

·   man betrachtet ihn als Gefahr für das Regime, da er viele Anhänger anzuziehen begann und zu viel Aufmerksamkeit für seine Methoden gewonnen hatte

·   in 2011 erliessen 14 Ajatollahs ein Rechtsgutachten (Fatwa), das Dr. Tâheri als Apostaten und Häretiker (Mortad) einstufte, was einem Aufruf an die Gläubigen zum Töten gleich kommt

·   ein Brief von 2013, der von diversen Rapporteuren unterschrieben wurde, mahnt die Verantwortlichen im Iran keine Hinrichtung zu zu lassen, die Gefahr der Hinrichtung besteht aber nach wie vor

Ahmad Salek Kashâni ist der Leiter der Kommission für Kultur des Parlaments. Er insistiert auf den Tod von Herrn Tâheri, da seine Ideen junge Menschen in die Irre führen würden und sie abfallen könnten von der ideologischen Version des Staatsislams. Diese Aussage eines hohen Vertreters des Staates ist ein erschreckendes Zeichen für die tatsache, dass die Rechte unschuldiger Menschen nicht respektiert werden.

2. Soziale Einrichtung Madad kari-ye Reza

·   Das Gebäude der Sozialeinrichtung "Reza", die von Mitgliedern des Nematollah Gonabadi Ordens geleitet wird, wurde vor einem Monat geschlossen und versiegelt. Weitere Nebengebäude für Verwaltung, Unterricht und das Altenheim wurden ebenso von den Behörden geschlossen.

·   Zusammen mit Agenten des "Büros für Sekten und Religionen" drangen Sicherheitsoffiziere, para-militärische Bassidschi Kräfte und Geheimdienstmitarbeiter in das Privathaus von Herrn Ali Akbar Bonakdar, einem Mitglied der Gonabadi Derwische und Leiter der Sozialeinrichtung "Reza", ein. Herrn Bonakdar's Eigentum wurde konfisziert, zugleich wurde er samt Familie in die Büros der Einrichtung gefahren, um weitere Ermittlungen durchzuführen.

·   Vor Ort begannen die Beamten alle Dokumente und Ordner im Büro zu durchsuchen und sie schliesslich einzupacken. Beladen mit Ordnern, Aufzeichnungen, Computern und weiteren Gegenständen der Einrichtung verliessen die Agenten dann den Ort.

·   Diese Einrichtung arbeitet mit Unterstützung einiger Derwische schon länger als zwanzig Jahre in diesem öffentlichen Dienstleistungssektor und bietet Unterstützung bei Bildung, Gesundheitsversorgung, Arbeitsvermittlung, Arbeit mit Senioren usw.

·   aus dem Informationsministerium kommt der Vorwurf an die Einrichtung die Verbreitung und Entwicklung von Sufitum voranzutreiben.

Laut einiger Schätzungen gibt es im Iran um die 10-20 Millionen Derwische mitsamt ihren Angehörigen. Diesen ist es nicht erlaubt eigene Publikationsorgane zu haben. Eine Webseite, die den Derwischen nahe steht ist verboten und wird durch Filter im Iran blockiert. Jede öffentliche Nachricht über Derwische erschreckt das Regime, da die Agenten die Einheit und Einigkeit großer Gruppen fürchten und vor allem den Widerstand der Derwische gegen immer wieder neu einsetzende Verfogungswellen durch das Regime. Als die Behörden 2006 einen Versammlungsraum der Derwische in Qom zerstörten, wurden 2.000 Derwische verhaftet, da sie einen Schutzkreis um ihr Haus gemacht hatten, um es vor der Zerstörung zu bewahren. Vor der öffentlichen Meinung in diesen Momenten und Situationen der Solidarität fürchten sich die Verantwortlichen des Regimes, wodurch gewaltige Anstrengungen unternommen werden alle Menschenrechtsverletzungen unter den Teppich zu kehren.

In den Reden von Ideologen im Iran kann man zwei Hauptargumentationslinien finden mit denen die Verfolgungen von Derwischen gerechtfertigt werden.

1.   Derwische sind Spione der Briten, da sie zu Zeiten der Britischen Tea Company im 18./19. Jahrhundert aus Indien zurück in den Iran kehrten, um eine sanfte Version des Islams einzuführen. Angeblich wurden sie von den Briten geschickt, um im Iran als Agenten der Briten tätig zu sein.

2.   Derwische können nicht als religiöse Gruppe betrachtet werden, da sie sich nicht dem Systemführer unterwerfen und sich lauthals äußern, wenn sie von Regimekräften angegriffen werden. Stattdessen wirft man ihnen vor, eine politische Gruppe zu sein und Teil der sogenannten Aufrührer, da ihr Leiter, Dr. Nour Ali Tabandeh, zu Beginn der Revolution Mitglied einer politischen Partei war. Aus dieser Tatsache und daraus, dass Derwische Mehdi Karoubi während der Präsidentschaftswahl aus Dankbarkeit dafür, dass er die Verfolgungen und Angriffe gegen Derwische zur Sprache gebracht hatte, unterstützt haben, versucht das Regime den Derwischen zu unterstellen, dass sie eine politische Gruppe seien, die in Opposition zum Regime sind.

Ganz gleich was Vertreter des Regimes im Iran der Welt mitteilen werden, um die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit von seiner revolutionären Agenda und seinen Zerstörungen wegzulenken - es scheint, dass geradezu das Gegenteil von dem, was behauptet wird, wahr ist. Während Vertreter der Regierung sich bemühen die Welt zu überzeugen, dass Iran keine Gewissensgefangenen hat und nur Menschen inhaftiert, denen man kriminelle Handlungen vorwirft und die nicht auf Grund ihrer ethnischen oder sozialen oder religiösen Zugehörigkeit verfolgt würden, setzt die Ammaryioun Gruppe ihre Zerstörungen unvermindert fort.

Der Mechanismus der Zerstörung ist insgesamt komplex aufgebaut, doch lässt er sich auch grob so umreissen: Wähle jene Gruppen aus, die wenige oder keine Verteidiger in der Welt haben, schmähe sie und bringe sie in Verruf durch eine scheinbare "Islamische" Begründung. Wiegele bestimmte Bevölkerungsgruppen auf und gehe brutal und gewalttätig gegen sie vor, sei es physisch oder durch Ausschluss von bestimmten Berufen, Zerstörungen ihrer Friedhöfe oder Schliessung ihrer Sozialeinrichtungen. Falls eine Person mit Gewicht in der westlichen Öffentlichkeit die Sache doch zur Sprache bringen sollte, werden die Verfolgungen für eine Weile ausgesetzt, bis die Aufmerksamkeit wieder nachlässt. Danach werden die Agenten ihre rechtsbrecherischen Aktionen wieder aufnehmen und so weiter...

Um dem Regime Einhalt zu gebieten, braucht es eine dauerhafte Wachsamkeit dessen Plänen und Taten gegenüber und es wird für alle, die Menschenrechte respektieren sicher nicht verkehrt sein, dem Rat eines alten persischen Sufi-Derwisches zu folgen: "Wenn die Ameisen sich zusammen tun, werden sie den Drachen sicher häuten."

Helmut N. Gabel, Internationale Organisation zum Schutz der Menschenrechte im Iran, Deutscher Zweig, Berlin

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