Wandern mit Stöcken: Sinn oder Unsinn?

Wir räumen mit einigen Mythen rund um das Wandern mit Stöcken auf und geben Tipps, wann sie wirklich Sinn machen.

Fotos: Geieregger Photography

Wanderstöcke gelten längst nicht mehr als so uncool wie noch vor einigen Jahren. Das mag zum einen daran liegen, dass wir selbst älter geworden sind. Zum anderen haben wir in letzter Zeit die Vorteile von Stöcken am Berg für uns entdeckt.

Oft fallen uns aber Wanderer auf, die das Gehen mit Stöcken nicht beherrschen und sie falsch einsetzen. Dann hat ihre Verwendung auch zahlreiche Nachteile.

Stöcke verschlechtern das Gleichgewicht und die Koordination

Wanderstöcke geben uns in unebenem Gelände ein trügerisches Gefühl der Sicherheit. Natürlich können sie in gewissen Situationen helfen, in Balance zu bleiben. Doch durch ständiges Wandern mit Stöcken verkümmern auf Dauer unser Gleichgewichtssinn und unsere Koordinationsfähigkeit. Unser Körper bräuchte aber genau jene Reize, die ihn fordern und das System mikroskopisch aus dem Gleichgewicht bringen, um eine Fähigkeit auszubilden oder sie zu verbessern.

Kommt ein Wanderer in Gelände, im dem er die Stöcke weggeben muss – an schmalen Graten oder leichten Kletterstellen etwa – ist sein Gleichgewicht und seine Koordination schlechter, als wenn er zuvor gänzlich auf Stöcke verzichtet hätte. Man wird also unsicherer im Gehen ohne Stöcke, was wiederum zu einem höheren Verletzungsrisiko führen könnte.

Wandern mit Stöcken: Sinn oder Unsinn?

Nicht selten sieht man Wanderer, die trotz oder gerade wegen der Stöcke unsicher unterwegs sind. Wer seine Tritte nicht intuitiv setzen kann und besonders beim Bergabgehen lange überlegen muss, wo er den Fuß platziert, den überfordert die Verwendung von Stöcken. Denn dann muss man nicht nur die Beine im Auge haben, sondern zusätzlich darauf achten, wo man mit den Stockspitzen einsticht.

Ideal wäre es also, dass man ohne Stöcke sicher auf Wanderwegen unterwegs sein kann und Stöcke nur wenn nötig und dann gezielt einsetzt. Gerade auf leichten und flachen Wegen kann man problemlos ohne Stöcke wandern und so sein Gleichgewicht schärfen. Der Körper sollte nicht verlernen, auch ohne Unterstützung sicher durch unebenes Terrain zu kommen.

Wandern mit Stöcken: Sinn oder Unsinn?

Hermann Schwameder vom Fachbereich für Sport und Bewegungswissenschaften der Uni Salzburg weist darauf hin, dass eine Verminderung der Gleichgewichtsfähigkeit und Trittsicherheit durch eine häufige Verwendung möglich, aber nicht sicher erwiesen ist. Man könne dieser Problematik aber dadurch entgegenwirken, indem der Aufstieg in der freien Gehtechnik und der Abstieg mit Tourenstöcken absolviert wird.

Stöcke entlasten die Knie. Jein!

Dürfen wir Studienergebnissen glauben, können wir mit Tourenstöcken die Spitzenbelastungen beim Fußaufsatz um 25 bis 30 Prozent reduzieren, ohne speziell auf den Einsatz der Stöcke zu achten. Setzen wir die Stöcke gezielt und technisch sauber ein, ist sogar eine Reduktion der Belastung um die Hälfte möglich.

Am Berg beobachten wir zwar viele Wanderer, die auf die Unterstützung von Stöcken schwören. Nicht alle jedoch beherrschen die korrekte Gehtechnik. Der häufigste Fehler: mit Stöcken tendieren wir dazu, unsere Schritte zu verlängern. Gehen wir mit längeren Schritten, erhöht sich die Ganggeschwindigkeit, was wiederum stärkere Impacts beim Fußaufsatz zur Folge hat.

Wandern mit Stöcken: Sinn oder Unsinn?

Wer sich den positiven Effekt von Stöcken zu Nutze machen will, muss die richtige Gehtechnik erlernen. Die Belastungsminderung beim Abstieg wird primär durch die Kräfte bestimmt, die auf die Stöcke übertragen werden. Willst du Knie und Wirbelsäule entlasten, müssen deine Arme einen Teil der Arbeit der Beinmuskeln übernehmen. Stütze dich beim Bergabgehen mit leichter Vorlage des Oberkörpers aktiv mit den Armen auf den Stöcken ab. Wer seine Stöcke nur mitschleift, wird keine Belastungsreduktion hervorrufen. An einem Muskelkater im Triceps an der Rückseite des Oberarms wirst du zumindest am Anfang merken, ob du’s richtig gemacht hast.

Außerdem reduzieren Stöcke beim Bergabgehen die exzentrische Belastung auf die Beinmuskulatur. Du kannst somit Muskelkater vorbeugen und die Muskulatur nach langen Aufstiegen am Rückweg schonen.

Halten wir zusammenfassend fest: Stöcke können im Abstieg die Belastungen auf die Knie und die Beinmuskulatur reduzieren – aber nur, wenn sie mit korrekter Technik eingesetzt werden.

Stöcke sorgen für Power beim Bergaufgehen. Ja!

Wanderer, die am Berg gerne flott unterwegs sind, können Stöcke im Aufstieg als zusätzlichen Antrieb verwenden. Der Schub aus den Armen bringt dich schneller vorwärts, ohne dass du laufen musst. Außerdem nimmst du den Beinen ein wenig Arbeit ab und schonst sie für Passagen, auf denen du die Stöcke nicht verwenden kannst.

Wandern mit Stöcken: Sinn oder Unsinn?

Durch die Verwendung von Stöcken steigt die mittlere Herzfrequenz, weil wir durch den Armeinsatz mehr Muskelmasse aktivieren. Gehen mit Stöcken wird deshalb oft als anstrengender empfunden. Diese höhere kardiale Belastung kann für Trainingszwecke genutzt werden. Auch dafür musst du die Stöcke aber gezielt einsetzen und nicht nur mittragen.

Auf einem Blick: Vor- und Nachteile von Stöcken

Vorteile von Stöcken

  • Entlastung der Gelenke und Muskeln der unteren Extremität
  • Stabilität beim Tragen von schweren Lasten
  • Bessere Standhaftigkeit auf rutschigem oder unebenem Untergrund: etwa beim Queren von Schneefeldern oder Gletschern
  • Antrieb beim Bergaufgehen

Nachteile von Stöcken

  • Durch ständiges Gehen mit Stöcken verkümmert langfristig möglicherweise unser Gleichgewichtssinn und unsere Koordinationsfähigkeit
  • Unsicherheiten in schwierigem Gelände, wenn man auf Stöcke verzichten muss (Kletterstellen, Grate)
  • In stark unebenem Terrain sind Stöcke unpraktisch
  • Tendenz zu längeren Schritten beim Gehen mit Stöcken. Dadurch steigen die Kräfte beim Fußaufsatz und die Belastungen auf die Knie
  • Wer schon beim Gehen ohne Stöcke unsicher ist, den werden Stöcke zusätzlich überfordern
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