{sing} Weltvogelpark Walsrode!
Das war die häufigste Reaktion, die ich bekam, als ich letztes Jahr im Spätsommer verkündete, dass ich nach Walsrode ziehen werde. Fürwahr, meist hieß es eher Vogelpark Walsrode, da die Bezeichnung Weltvogelpark noch recht jung ist. Walsrode ist ein knapp 25.000 Einwohner und liegt etwa eine Autostunde südlich von Hamburg in Niedersachsen. Ich hoffte auf ein idyllisches Landleben mit Bauernhöfen und selbst gemachten Leckereien. Nun ja, Walsrode und das Umland sind schon sehr grün. Obwohl ich in dem 12km entfernten 4000 Seelen Kaff Bomlitz wohnte, war die Idylle stark vom Industriepark und dessen Schornsteinen geprägt. Es gab einen tollen Bioladen mit einem sehr sympathischen Besitzerpärchen – der Mann auch gebürtiges Pottkind – und da kaufte ich sehr gern ein! Doch leider gingen die meisten Bomlitzer lieber in den Dorf-Discounter. Klar, bei einigen war das Geld knapp. Doch viele hatten dicke Karren und ein (vergleichsweise günstiges) Häuschen.
Walsrode Restaurants: Lecker hausgemacht? Naja…
Auf dem Land gibt es leckere regionale Speisen mit frischen Lebensmitteln vom nächsten Bauer – dachte ich! Als erstes fielen mir jedoch die typischen internationalen Restaurants auf: mehrere Italiener, zwei Griechen, zwei Dönerbuden, ein Asia-Imbiss, ein argentinisches Steakhouse und sogar ein amerikanisches Buffet mit Burgern und Rippchen. Ein „Highlight“ ist auch ‚die evangelischte Pommesbude der Welt‘. Ich bin evangelisch erzogen und habe eine evangelische Ordensschwester in meiner Familie, doch so richtig einlassen konnte ich mich darauf nicht. Noch weniger jedoch auf deren Currywurst, die eine Brühwurst war. Hierfür Hiervon habe ich leider kein Foto für euch…
Currywurst ohje
Ich bin Pottkind, bei Currywurst kenne ich kein Pardon! Das hier sind keine guten:
Würdest du für den oberen Teller 6,20€ zahlen? Ich habe es, aber es war mir keine Freude: Diese geriffelten TK-Pommes kosten im Einkauf doch nix. Die Presswurst schmeckte zudem irgendwie nach Leberkäse und die Tomatensoße nach passierten Tomaten mit Fettaugen und günstigem Currypulver – bäh! Diesen Langhof mit Übernachtungsmöglichkeit kann ich nicht empfehlen.
Die untere Currywurst war „die beste“ in und um Walsrode, die ich in den 3 Monaten gegessen habe. Dennoch nicht ansatzweise zu vergleichen mit dem, was ich aus dem Ruhrgebiet gewöhnt bin. Die Röstzwiebeln on top kenne ich auch maximal als Hot Dog. Der Teller war deutlich liebevoller angerichtet und die Soße würziger, aber die Wurst… naja vielleicht muss das in Niedersachsen so.
Griechisch adé – ist das die Grillstube Saloniki?
Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich in Deutschland selten wirklich gute griechische Restaurants finde. Eines der beiden (auch hier lasse ich es mal anonym), schmeckte mir leider gar nicht:
Beim NRW Radiosender 1live gab es mal eine Reihe „Grillstube Saloniki“, in der griechische Imbissbuden durch den Kakao gezogen wurden. So stelle ich mir die Teller der illustrierten „Grillstube Saloniki“ von Petros, dem ‚alten Griechen‘, vor: pappige Fritten, viel zu viele Zwiebeln und ein dröger gemischter Salat mit French Fertigsoße. Auch die Metaxasoße roch für mich verdächtig nach Fertigmischung. Danke nein!
Pizza? OK! Manchmal auch mit italienischem Charme
Walsrode hat mehrere Pizzerien zu bieten. Keine davon ist gänzlich durchgefallen, aber nur eine davon hatte etwas Besonderes.
Die Pizzerien der Innenstadt haben wir öfter während der Mittagspause aufgesucht. Die Pizzen waren solide, etwa so, wie ich sie in jeder Vor- bzw. Kleinstadt-Pizzeria erwarten würde, hier und da auch mal etwas exotischer, z.B. Lachs mit Rucola. Mit der Pasta verhielt es sich ähnlich. Schön fand ich, dass öfter saisonale Lebensmittel im Tagesmenü zu finden waren, z.B. die Pfifferlinge oben. Leider war der Service in einer Pizzeria jedes Mal langsam und tendenziell genervt – ein Fauxpas, wenn man bedenkt, dass wir oft in größeren Gruppen von 10+ Personen kamen. Übrigens aufgepasst: In Walsrode machen einige Lokale noch Mittagspause (ab ca. 14.30 Uhr)!
Eine sehr leckere Pizza inklusive italienischem Charme bekam ich bei der Pizzeria Al Capone. Hier steht ein Italiener am Steinofen und nimmt gern individuelle Wünsche entgegen. Die Pizza war sehr lecker und denk Rest gab es mit nach Hause – inklusive einer Blüte aus dem eigenen Garten. Einziges Manko: die unvorhersehbaren Öffnungszeiten (v.a. zur Mittagszeit).
Walsrode Restaurants: zwei gastronomische Perlen
Tatsächlich habe ich zumeist selbst gekocht und beim Bioladen oder direkt vom Bauernhof gekauft. Doch zwei gastronomische Highlights habe ich dann noch gefunden:
Samocca – das integrative Café/Bistro der Heide-Werkstätten e.V.
Die ‚beste‘ Currywurst (s.o.) gab es im Samocca und auch den besten Kaffee der Region.
Gut, auf den ersten Blick sieht der Cappuccino to go nicht gerade besonders aus, hat keine Latteart und das Kakaopulver spricht auch nicht unbedingt für die Expertise. Doch es kommt auch auf die Bohne an und die schmeckte mir im Vergleich zu anderem Kaffee in und um Walsrode gut. Auch das Branding der To Go-Becher gab Pluspunkte. Für mich jedoch viel herausragender: Das Samocca ist eine integrative Gastronomie, die auch Menschen mit Behinderungen einstellt. Natürlich ist nicht alles perfekt und manchmal dauert es auch ein wenig länger, doch die Persönlichkeit und Herzlichkeit wiegen das mehr als wieder auf. Ein paar Mitarbeiter machten mich schnell als neue Stammkundin aus und schnackten dann immer eine Weile mit mir und manchmal bekam ich auch ein paar Schoko-Kaffeebohnen extra – weil ich sie so mochte. Danke an all die lieben und herzensguten Mitarbeiter!
Einmal probierte ich auch die Weiße Schokolade im Samocca und war froh, die kräftige Schokobohne als Kontrast zu haben – ganz schön mächtig. Genauso die opulenten Torten des Samocca. Sehr lecker, gut zu teilen und am besten mit einem frischen Kaffee. Im Samocca gab es neben gutem Kaffee auch immer einen sehr soliden Mittagstisch mit saisonalen Produkten und Tagesgerichten. Als Standard galten die Currywurst, Bagel und Suppen. Auch die haben gut geschmeckt.
Während in den Städten die Burgerläden nur so aus dem Boden sprießen, setzte das Samocca auf Bagel statt Burger – warum eigentlich auch nicht?! Die Bagel waren z.T. nicht weniger vollgestopft als so mancher Burger. Alternativ gab es Toast mit Aufstrich und ein paar Sprossen als Deko – eher für den kleinen Hunger. Schön übrigens, dass die Speisen aus regionalen und größtenteils Bio-Lebensmitteln zubereitet wurden. Auch experimentierfreudige Gaumen konnten im Samocca auf ihre Kosten kommen: Ein Kollege traute sich an die „Minz-Erfrischung“: Milch mit Vanilleeis und Minze. Nicht so meins, aber ihm schmeckte es.
Rundum ein empfehlenswerter Laden mit spannenden Menschen und gutem Kaffee. Nur bei Zeitdruck keine gute Idee.
Der Zauberkessel – verzaubernde Event-Gastronomie
Immer wieder nahmen meine Kollegen und ich uns vor, den Zauberkessel aufzusuchen. Die Fassade zeigte sich mystisch altertümlich und weckte meine Neugier. Auf der Webseite stieß ich schnell auf die 21 Seiten Speisekarte, die mich doch etwas überforderte, vor allem, da die Speisen erst ab Seite 14 beschrieben wurden. Eine weitere Herausforderung für einen Besuch war, dass das Restaurant nur mittwochs, freitags und samstags von 17-22 Uhr geöffnet hatte – sportlich! Eine Reservierung wurde empfohlen und erst auf den letzten Metern meines Walsroder Abenteuers schafften meine Kollegin und ich den Besuch.
Das Ambiente des Zauberkessel war wirklich einmalig. Auch die Ansprache der Kellnerin Bediensteten „Sei gegrüßt“ – alles war stimmig. Ein paar Gäste hatten sich sogar dem Ambiente entsprechend gekleidet. Das Besteck war allerdings eine Herausforderung. Doch meine Kollegin und ich hatten Hunger und dann kamen die Skills von ganz allein. Wobei die Erbsen schon echt tricky mit der Gabel waren…
Der „Sonnenschein des Südens“ oder auch frischer Tomatensalat war lecker und mein „Hofnarr“ aka Seitan-Schnitzel mit Erbsen und Möhren, Kartoffeln, Pilzsoße und Salat ebenso. Allerdings war es auch kein Hexenwerk. Irgendwie hatte ich mir etwas mehr Kreativität erhofft. Andererseits passt es zu meiner Vorstellung von altertümlichen Speisen. Die gebackenen Apfelringe haben uns auch nicht vom Hocker gehauen. Dafür fand ich meine Liebfrauenspeise sehr gut. Zusammen zahlten wir 38,50€ inklusive zwei Bio-Limonaden und einem Krug Bier. Die Lebensmittel bezieht der Zauberkessel von einem regionalen Biohof und dafür fand ich das Preis-Leistungs-Verhältnis gut, vor allem, wenn man den Event-Charakter einberechnet. Übrigens sind alle Speisen vegetarisch und teils auch vegan. Praktisch ist auch der angeschlossene altertümliche Laden, bei dem ich das Besteck direkt hätte kaufen können, um zu Hause weiter zu üben. Last not least waren die Toiletten auch ein Erlebnis.
…und es hat eine Weile gedauert, bis ich das mit dem Wasser hinbekommen habe.
Fazit: Walsrode Restaurants
Leider hatte ich mir von der Gastronomie in und um Walsrode mehr versprochen, vor allem mehr Frische und Regionalität. Schließlich gab es zahlreiche Bauernhöfe. Folglich habe ich viel zu Hause gekocht und nur relativ selten auswärts gegessen.
Die Philosophie, der Kaffe und auch das Angebot an Speisen und vor allem Kuchen Torten im Samocca haben mir gut gefallen und kann ich nur empfehlen. Erwartet aber bitte keine Hipster Third Wave Kaffeeexperten, wie in Hamburg!
Der Zauberkessel ist allein schon wegen der tollen und stimmigen Atmosphäre eine Reise wert. Reservieren nicht vergessen und den Appetit auf Fleisch bitte Zuhause lassen.
Alle, die einen Trip ins Walsroder Umland planen, z.B. in den Heidepark, den Snowdome Bispingen oder sogar den Weltvogelpark Walsrode empfehle ich einen Kaffee (und Kuchen) Stopp im Samocca und/oder ein unvergessliches und ritterliches Abendessen im Zauberkessel.
Allgemeiner Hinweis
Dieser Artikel spiegelt eine persönliche Meinung wieder. Die Bewertung hat somit keinerlei wissenschaftliche Grundlage (es sei denn, diese ist angegeben).
Gabelartist übernimmt daher keine Verantwortung für abweichende Reaktionen/Empfindungen.
Es handelt sich bei diesem Artikel NICHT um einen gesponserten Post.
