Vorurteil oder ernsthafte Gefahr

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Zunächst war es eine Einwanderungsdebatte, nun geht es um das gesamte Sozialsystem in Deutschland. Die einen sprechen von randalierenden, klauenden und unverschämten Sozialtouristen, die anderen finden es wichtig, auch Arbeitskräften aus Bulgarien oder Rumänien die volle Personenfreizügigkeit einzuräumen. Selten schürte eine Empfehlung der EU-Kommission so viele Ängste.

In Rumänien sind sich alle Parteien einig wie selten. Es ist sehr wichtig, dass die Arbeitnehmer nun in allen Branchen ohne Beschränkung in der EU beschäftigt werden können. Keineswegs rollt eine Migrationswelle auf die nördlichen Länder zu, ist dort die einhellige Meinung. Hierzulande wird dies kritischer betrachtet. Nach einem Bericht der OECD über Perspektiven in der internationalen Migration werden 3,5 Millionen Rumänen genannt, die als Arbeitsmigranten in Europa ihr Glück versuchen wollen. Diese Zahl wird auch in Bukarest bestätigt, wobei Deutschland hinter Italien und Spanien als Zielland an dritter Stelle liegt. Da Deutschland zu den Ländern zählt, die Zuwanderung akademisch, gebildeter Fachkräfte am wenigsten beschränkt, sind viele hochqualifizierte Migranten unter den 238.000 rumänischen Zuwanderern im letzten Jahr gewesen. Davon profitiert die Wirtschaft!

Doch gestört durch gefährliche Vorurteile ist die öffentliche Wahrnehmung in vielen EU-Ländern vollkommen anders. Die Bürger sehen in rumänischen Zuwanderern grundsätzlich arbeitslose Analphabeten, die stehlen und ihre Kindern zum Betteln auf die Straße schicken. Zudem haben sie es auf unsere Sozialsysteme abgesehen. In Großbritannien sind diese Ängste besonders ausgeprägt. Premierminister David Cameron teilte in einem Interview mit, dass sich 1,6 Millionen Roma vorbereiten würden, in Großbritannien einzufallen. Diese düsteren Szenarien sind wir in Deutschland hauptsächlich von der CSU gewohnt.

In Bulgarien und Rumänien wird die Debatte über Einwanderung derzeit intensiv verfolgt. Nun hat die EU-Kommission empfohlen, dass Bürger aller EU-Länder in Deutschland das Grundrecht auf Sozialleistungen besitzen. Dies heizt die Atmosphäre immer weiter auf. Unsere Diskussion von vermehrter Abschiebung oder Möglichkeiten einem eingereisten Bulgaren oder Rumänen Fingerabdrücke abzunehmen, sorgt in diesen Ländern nur für Kopfschütteln. Ein Bulgare fragte in einem Interview: “Sind wir denn alle Verbrecher?”  Schon im Oktober letzten Jahres, als die Kommission erste Andeutungen in diese Richtung machte, fragte ich mich: “Wer soll das bezahlen? Sollten alle EU-Bürger in Deutschland das Recht auf gleiche Sozialleistungen besitzen? Darf ein eingewanderter Portugiese am Tag seiner Ankunft Hartz 4 beantragen? Haben wir im Ausland die gleichen Rechte?” Um allen Bürgern in Europa die gleichen Rechte und Chancen zu geben, müsste ein europaweites einheitliches Sozialsystem geschaffen werden. Dass dies in den Sternen steht, braucht man sicherlich nicht zu erklären!

Bislang hat sich unsere Bundesregierung bemüht, die EU-Rechtssprechung in der sogenannten Freizügigkeitsrichtlinie nicht umzusetzen. Dies führt zu komischen Situationen. Während ein illegal eingereister Asylbewerber das Nötigste zu überleben fordern kann, bekommt ein legal eingereister Franzose oder Brite auf Jobsuche keinen Cent. Es ist kein Wunder, dass auch deutsche Gerichte inzwischen an der Umsetzung der Vorschriften zweifeln. Es ist dringend Zeit für wichtige Reformen im Sozialbereich. Wenn unsere Regierungsparteien diese nicht in Angriff nehmen, werden wir von Brüssel deren Regeln aufgedrückt bekommen, ob wir das wollen oder nicht!

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Joern Petersen Joern Petersen

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