Von Vetiver und Vetiverylacetat,

Salicylsäure und Aspirin, Acetylgruppen und Acetylisierung

vetyvergras

Stellen Sie sich mal vor, Sie wohnen in Indien, haben wenig Geld und weil bei dem Klima fast alles gut wächst, pflanzen Sie sich Vetiver in den Garten. Prima Gras denken Sie, was man, in Zeiten von Geldmangel, als Tee trinken kann. Das Problem ist nur, daß aufgebrühtes Vetivergras nicht besonders lecker schmeckt und ein ziemlich schlechter Ersatz für einen feinen Earl Grey ist. Glauben Sie mir, man entwickelt im Laufe der Zeit ein sehr gespanntes Verhältnis zum Vetiver, der sich zudem auch noch schnell ausbreitet. Einmal von der Leine gelassen erobert das Gras recht fix den ganzen Garten; so viel Tee aus Vetiver kann und will man gar nicht trinken. Also kommt man irgendwann auf die Idee, daß die Anpflanzung von Vetiver ein Fehler war. Man schnappt sich einen Spaten und fängt an zu graben, doch auch daraus wird nichts werden, weil die Wurzeln scheinbar bis zum Erdmittelpunkt gehen und nach einigen Stunden vergeblicher Schufterei kocht man sich völlig erschöpft wieder einen Vetivertee. Von dem gespannten Verhältnis schrieb ich schon.

Mit Pflanzen überhaupt ist es so eine Sache. Haben Sie schon mal Weidenrinde gekaut? Gibt ja Leute, die meinen zu wissen, daß Weidenrinde viel besser ist als eine Aspirin, weil pflanzlich. Logisch. Der Baum ist Natur und die Aspirin ist Chemie. Also lieber auf der Rinde kauen und sich ganz nebenbei den Magen ruinieren. Das geht mit Aspirin zwar auch, doch es dauert länger. Toll. Aber was hat das mit Vetiver und Vetiverylacetat zu tun? Nun mal nicht so eilig, warten Sie es ab. Es war nämlich der Apotheker Johann Andreas Buchner (1783 bis 1852), der 1828 aus den Weidenrinden das Salicilin isolierte (Salix = Weide). Einen Stoff, der viel reiner und sauberer war als die Weidenrinde und damit schon mal deutlich weniger Nebenwirkungen hatte. Einige Jährchen später wurde dann Salicylsäure in großen Mengen hergestellt, doch auch dieser Stoff war nicht ganz frei von Nebenwirkungen - den schmerzstillenden Gewinn bezahlte man nach einiger Zeit mit Magenschmerzen, was nicht besonders sinnvoll ist. Doch 1897 gelang die erste Reinsynthese von Acetylsalicylsäure. Sie müssen sich das so vorstellen, daß Sie auf der einen Seite die Salicylsäure haben - der Name sagt es ja schon: Eine Säure. Wenn die im Magen ankommt wird es nicht unbedingt besser, also kauen Sie mal keine Weidenrinde! Auf der anderen Seite haben Sie Acetatanhydrid. Ein recht einfaches, billiges Molekül mit zwei Acetylgruppen. Im Namen steckt die Eigenschaft - (An)hydrid - ohne Wasser. Das ist ein schön aktives Molekül, was sein Wasser wieder haben will. Diese Acetylgruppe kommt nun an die Säuregruppe und schon kann die Säure nicht mehr als Säure reagieren - was den Magen freut. Irgendwie werden die Sachen hinterher lipophiler, also fettlöslicher. Diesen Vorgang nennt man ACETYLISIERUNG und diese Acetylisierung ist eine sehr interessante Sache, weil man natürlich auch Vetiveröl acetylisieren kann. Hat aber nichts mit dem Tee aus Vetiver zu tun. Der wird selbst nach einer Acetylisierung vermutlich nicht besser schmecken.

Vetiver
Also nehmen wir mal Vertiveröl. Das gewinnt man aus den Wurzeln des Grases. Schreckliche Arbeit. Die Wurzeln reichen nämlich mehrere Meter weit in den Boden.

vetiver1

Hat man die Wurzeln, frisch oder getrocknet ist egal, wird mittels Wasserdampfdest. ein ätherisches Öl gewonnen. CAS-Nr. 8016-96-4. Das Öl hat eine bräunliche, leicht rötliche Färbung, ist stark viskos und klebt im Lauf der Zeit jeden Flaschenverschluß fest zu. Es hat einen stark haftenden Geruch, den man mit erdig, holzig, balsamisch, wurzelartig und rauchig beschreiben kann. Ich denke, daß sich die meisten ParfumliebhaberInnnen gar keine Vorstellung vom eigentlichen Rohstoff machen. Ich höre ständig nur Vetiver und hach und ach, Vetiver riecht ja so toll … wissen Sie, ich hatte da mal eine Vetiverseife, die roch so gut nach Vetiver, das glauben sie nicht. Glaub ich schon, sage ich da immer und hole meine Flasche mit Vetiver heraus. Teure, gute Qualität und die Dame zuckt zurück. Nein!. So roch meine Seife nicht. Das riecht ja entsetzlich. Hat`s in der Flasche gebrannt? Woher haben die Leute nur immer so genaue Geruchsvorstellungen? Ist schon komisch.

Doch zum Glück gibt es nicht nur Vetiver sondern auch Essigsäure und wenn man der Essigsäure das Wasser wegnimmt, hat man Essigsäureanhydrid. Auch ein schöner Stoff, der nur zwei CH2-Gruppen mehr hat, als unser Acetatanhydrid. Ist auch billig, reagiert schnell und wenn Säure und Alkohol (der Alkohol hängt am Vetiver) unter Wasserentzug miteinander verestert werden, erhält man Vetiverylacetat. Also noch nicht ganz, aber fast. Witzig ist, daß bei solchen Vorgängen oft die Ausbeute steigt. D.h., hinterher hat man mehr Stoff als vorher. (Ester sind überhaupt eine ziemlich gutriechende Stoffgruppe fällt mir da ein). Jetzt muß der neue Stoff nur noch destilliert werden, weil sich bei der Destillation alle Verunreinigungen abtrennen lassen und am Ende erhält man u.a. Khusimylacetat (CAS: 61474-33-7). Vetiverylacetat ist nämlich ein Stoffgemisch, welches in der Hauptsache aus vielen Sesquiterpenacetaten besteht (z.B. Khusimylacetat).

Und Vetiverylacetat ist ein wunderbarer Stoff. Einfach traumhaft, voller Eleganz und edel - leider auch sehr teuer. Vetiverylacetat ist der Stoff aus dem die Vetiverillusionen sind. Vetiverylacetat riecht genau so, wie sich die meisten Leute Vetiver wohl vorstellen. Glauben Sie mir, Vetiverylacetat wird Sie noch in helle Begeisterung vesetzen, wenn Sie erst einmal daran gerochen haben.


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