Von Tschonnalisten, Goten und Stoppten

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Wir Tschillen. Oder hängen wir ab? Weltbestes “Radio-Deutsch” – Foto: © Espressolia / pixelio.de

„Goten kenne ich ja, wer aber sind die Stoppten?“ fragte meine Frau. Dazu später mehr. Wer ein Journal verfaßt, darf sich als Journalist bezeichnen. Was hingegen macht ein Tschonnalist? So nämlich lautet die Berufsbezeichnung der meisten der schreibenden Zunft, sollte man sie nach ihrer Profession befragen. Diese fragwürdige Aussprache entstammt zweifelsfrei dem Amerikanischen, dem sich die meisten Tschonnalisten so innig verbunden fühlen. Wenngleich die korrekte Version anders klingt. Aber wen stört das schon.
SWR 1, Mittagsprogramm, die Sprecherin sagt: „So, bei diesen Temperaturen können die kids auch wieder ins Schwimmbad gehen.“


Meinte sie nun ihre oder unsere oder gar die Enkelkids? Angelkids. Verzeihung, grandchildren. So schnell tritt man ins Fettnäpfchen beim Versuch, aktuell zu sein. Oder aktueller. Was an sich schon Blödsinn ist, denn aktueller geht nicht. Aktuell bedeutet ‚jetzt, im Augenblick‘!
„Dann muß aktueller ‚jetzter‘ bedeuten“, ruft meine Frau aus der Küche. Im Grunde hat sie recht.

Was aber meint der SWR, wenn er den aktuellsten Verkehrsbericht sendet? Superlativ-Manie, nichts anderes. Ich fürchte, ein Gang zum Psychiater wird jenen nicht erspart bleiben. Am jetztesten. SWR 1 berichtet demnach schon über Staus, die sich erst in der Zukunft einstellen, oder? Das ist lobenswert. Dessenungeachtet stoppten und goten die Fahrzeuge zwischen Pforzheim und Heimsheim in einer Tour. Auch in Karlsruhe stop and go wohin man schaut. Und der LKW ist nicht etwa stehengeblieben, nein, mitnichten. Er ist liegengeblieben – obwohl er gar nicht umgefallen ist! Meldungen für die kids von professionellen Nachplappereren. Es stimmt schon nachdenklich, wenn aus dem weiblichen deutschen Wort ‚die Geschwindigkeit‘ und der neutralen englischen Variante, dem ‚speed‘, das neudeutsche Wort: Der Speed wurde. Tatkräftig unterstützt von der Play-Station-Generation, die derzeit beim Duden das Sagen hat. Stop and go, kids und kein Ende mit dem Speed. Der Begriff des ‚Neudeutsch‘ wird meist dann ins Feld geführt, entschuldigend beinahe, wenn der Sprecher ein deutsches Wort mit aller Gewalt zu vermeiden sucht. Es entsteht der Eindruck, bei den Sprecherinnen und Sprechern löst dieses Geschwafel ein prickelnd Gefühl aus, welches den Schoß unkontrolliert feucht werden läßt… Regelmäßig. Anders sind derartige Entgleisungen kaum zu erklären.
Aus dem Emirat Kuwait, arabisch Kowait gesprochen, wird regelmäßig Kuweit, und von den Hartgesottenen Quwait (englisch gesprochen). Man erinnert sich an die latinisierte Welt, wo aus einem Kong fu tse (Kon–fu-tse) automatisiert ein Konfuzius wurde.
Vielleicht liegt es ja auch an der Magie des Rudels. Die Fußballer machen es uns vor, täglich: Einer tätowiert seinen Arm, am Ende der Saison haben fast alle anderen Rudelmitglieder ihre Arme tätowiert. Sieht vielleicht gewöhnungsbedürftig aus – stört aber im Grunde niemanden. Es sei denn, man bekommt diesen Arm täglich vor die Nase gehalten…
Nun sollte man von Mitarbeitern öffentlich rechtlicher Anstalten eine Spur mehr Objektivität erwarten, vor dem Nachplappern. Denn ähnlich verhält es sich in den Nachrichten neuerdings mit dem Präsens. Die Journaille hat sich beinahe vollständig vom Imperfekt resp. vom Perfekt verbschiedet. Unbewußt, kritiklos, rudelmäßig.
Sagte und schrieb man früher noch richtig: „Er wurde vor 40 Jahren geboren, dann kam er mit sechs in die Schule“, so heißt es heute in den Nachrichten: Er wird vor 40 Jahren geboren.
Konrad Duden, der am 3. 1. 1829 in Lackhausen geboren wurde, Verzeihung, geboren wird, würde sich im Grab umdrehen! So er denn gestorben ist. Dies jedoch trifft gar nicht zu, denn Duden stirbt am 1.8. 1911 in Sonnenberg. Er starb nie, er stirbt nur vor 104 Jahren. Das klingt nicht so endgültig. Nach Meinung der Journaille; aber ist das auch die unsrige? Das Präsens drückt aus, daß das Ereignis in der Gegenwart abläuft. (Beschreibung des Duden, Grammatik, 1973) Aber was geht den Duden sein Geschwätz von damals an?
Ein Radiosender berichtete: „Vor 76 Jahren überfällt Hitler Polen“. Hätte der Text gelautet: In 2 Jahren überfällt Hitler Polen, man hätte sich mit der Grammatik arrangieren können. (Wird Hitler Polen überfallen) Aber zu behaupten: „Vor knapp 2000 Jahren bricht der Vesuv aus“ klingt nicht nur abenteuerlich, es ist auch blanker sprachlicher und grammatikalischer Unsinn.
Mit Journaille werden jene Tschonnalisten bezeichnet, denen die Wahrheit und der Wahrheitsgehalt ihrer Meldungen am A … vorbei gehen.
„Schiff sinkt, mehrere hundert Menschen sterben!“
Diese Journaille erzählt uns somit, daß irgendwo ein Schiff sinkt und weiß schon im Voraus, wie viele Menschen sterben werden. Das ist großartig, das ist bewundernswert. Danke, liebe Journaille. Das nennt man wahrheitsgetreue Nachrichten.
Ja, warum hilft denn da niemand? Diese Frage klingt in diesem Zusammenhang ziemlich naiv. Es hilft niemand, es kann niemand mehr helfen, weil die Nachricht mehrere Stunden alt und die Formulierung damit absolut falsch ist. (Das Präsens schildert die Gegenwart) Es hätte heißen müssen: „Schiff gesunken. Soundsoviele Menschen gestorben.“ Das jedoch wäre die Wahrheit, die so geschmähte.
Dann wüßte der interessierte Leser oder Hörer: Oh Gott. Die sind alle tot! Die deutschen Nachrichten, ohnehin mit viel Vorsicht zu genießen, suggerieren jedoch: Etwas ist noch im Gange. Und so sinkt das Schiff und sinkt und sinkt, und währenddessen sterben die Menschen an Bord tage- ja, wochenlang. Würde ein verdächtiger Tschonnalist auf die Frage eines Kommissars nach dem Ablauf seines letzten Abends antworten: „Gestern schreibe ich die Nachrichten, mache Feierabend, dann gehe ich in die Kneipe und saufe bis Mitternacht. Auf dem Heimweg stoße ich mir mehrmals den dummen Kopf, weshalb ich alles vergesse“, er würde kein Verständnis finden beim Kripo-Beamten, weil die Zeitformen nicht stimmen. Der Beamte wüßte nicht, kommt das noch, was er eben erzählt oder hat er einen Sprachfehler? Oder ist er einfach nur Tschonnalist.
Und diese falschen, diese irreführenden Nachrichten liebt die Journaille. Sie erzählt uns alles, nur die Wahrheit nicht. Stattdessen beruft sie sich auf das historische Präsens, mit dessen Hilfe Zeitgeschehen plakativ gestaltet werden soll. Im Rahmen einer historischen Berichterstattung läßt man sich das vielleicht noch gefallen: „1815. Wellington wartet auf Blücher, nach der Vereinigung beider Heere bei Waterloo wird Napoleon vernichtend geschlagen.“ Gut. Ausnahmsweise.
Aber das historische Präsens zu jeder unpassenden Gelegenheit zu mißbrauchen, ist nicht in seinem Sinne. Und wo wir schon dabei sind, der Ort heißt Waterloo und spricht sich ebenso. Was findige Tschonnalisten und Rundfunkmoderatoren nicht davon abhält, ihn zuweilen Woterluh, und ganz hartnäckige gar Worluh auszusprechen. Und das nur, weil vor einigen Dekaden eine schwedische Popgruppe diesen historischen Ort umgetauft hatte. Und als hätten diese Aasgeier nur darauf gewartet, den Belgiern ihre eigene Sprache zu erklären, so vehement stürzten sie sich auf die neue Sprechweise. Aber so ist das mit Rudeln, gleichviel ob bei der Journaille oder in der Politik. Erst mal dafür oder dagegen sein, und hinter fragen, worum es geht. Würde ich meinem Lektor derartigen Blödsinn anbieten, er würde den doppelläufigen Strick wetzen, um sich anschließend mit dem geladenen Küchenmesser von hinten zu erhängen.
Mit der Aussprache sind wir jedoch noch nicht am Ende, auch nicht mit der Kritik an den Verursachern. Kritik wird nicht geduldet, wenn die Sender auch Gegenteiliges behaupten. So hatte z. B. vor einiger Zeit ein Moderator des SWR1, der mit dem schwäbischen Akzent, nach seinen eigenen Worten ‚den weltbesten Bergsteiger der Welt zu Gast.“ So etwas stößt sofort auf, diese Form des Pleonasmus ist absolut unzulässig; außer beim SWR 1. Eine sofortige E-Mail ins Studio mit Bitte um Berichtigung wurde geflissentlich ignoriert und derselbe Fehler noch mehrere Male begangen. Wochen später dann hatte eben jener Moderator den weltbesten Magier der Welt zu Gast. Fazit: Nichts gelernt und dann beim SWR 1 gelandet.
Wir sehen, wohin durchaus berechtigte Kritik führt. Zu Ignoranz und Arroganz. Nun ist die Arroganz die Schwester der Dummheit, die Ignoranz deren Schwiegermutter. Ein weiteres Beispiel: Wir alle kennen Alfred Hitchcock (Sprich: Alfred oder engl. Älfred) und Albert Hammond. ( engl. Älbert oder Albert) Auch die Roy Albert Hall ist vielen ein Begriff. Nun sehen sich Rundfunkmoderatoren oftmals genötigt, ihre mangelhaften Bildung zwanghaft über den Äther zu schicken und lautstark von Olfred Hitchcock und Olbert Hammond zu parlieren. Wieder und immer wieder. Auch Louis Armstrong, der sich selber Luisss nannte, wird von den ewigen Weltverbesserern Lui prononciert. Auch bei RTL. Hinweise der Hörer die korrekte Aussprache betreffend werden in den Wind geschlagen unter dem Motto: Der Papst macht Fehler, wir machen keine! Und „…der Hörer soll sich gefälligst auf das Bezahlen seiner Gebühren konzentrieren und die Profis ihre Sache machen lassen.“
Bei soviel Objektivität von seiten der Sender bleibt dem armen Gebührenzahler nur eins: Resignieren. Oder: Abschalten!

ein Zwischenruf von Franz Wolf

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