Vom Anführen

Manchmal hat man sich die Verantwortung gar nicht ausgesucht. Manchmal stolpert man einfach so hinein. Manchmal wird man weder gefragt, noch kann man sich da einfach so herauswinden. Ich als Mutter kenne das.

Es ist ein schöner, sonniger Tag. Aber etwas ist anders: Da sind 10 Leute, die ich auf einmal anführe. Es sind ganz unterschiedliche Leute, grob geschätzt zwischen Ende zwanzig und Anfang Sechzig. Ich kenne diese Leute bislang nur vom Sehen, jetzt muss ich mit ihnen zurecht kommen.

Wenn ich in die Gesichter dieser Menschen schaue meine ich – nennt mich ruhig paranoid! – förmlich zu spüren, wie sie über mich lästern. Nicht, dass ich von den Lippen lesen könnte oder so. Aber manchmal sagt ein Blick mehr als 1000 Worte und hinter so manchem Gespräch oder auch Monolog verbirgt sich sicher eine bittere Anklage gegen mich.
Was soll ich tun?
Nichts, denn auch mir sind die Hände gebunden – verstehen das die Leute denn gar nicht? Obwohl ich ihnen vorstehe, sozusagen an der Spitze bin kann ich noch lange nicht machen, was ich will.
Es ist einsam hier oben.

Nicht jeder ist fügsam und bereit, mir zu folgen, zwei der Leute steigen aus, lassen die Andern und mich zurück. Das tut weh und bereitet mir Schuldgefühle. Aber: es ist nicht meine Schuld! Das muss ich endlich mal lernen und für mich akzeptieren!
Auch Demut, Folgsamkeit und Loyalität sind Tugenden, die man erst lernen muss. Nicht jeder schafft es, seine eigenen Bedürfnisse zum Wohle aller hintenan zu stellen.
„Ich kann doch nichts dafür!“, will ich schreiben, und auch: „Ich habe nie darum gebeten, Euch anzuführen!“
Die Unzufriedenheit steigt.
Ich bleibe meiner Linie treu.
Wie wird es enden?

Ich sehe einen Mann, der ebenfalls Menschen anführt, etwa 8-10. Für einen kurzen Augenblick treffen sich unsere Blicke.
„Meine Schwester im Leid“, verkünden seine schmerzerfüllten Augen, sein vom stummen Schrei aufgerissener Mund.
„Mein Bruder“, nicke ich zurück.
Ich spüre eine Wärme der Verbundenheit in meinem Herzen und für diesen einen einzigen Moment spüre ich die Woge des Hasses in meinem Rücken nicht mehr.

Dann holt mich die Wirklichkeit wieder ein und ich bin mir wieder jedes einzelnen Menschen derer bewusst, die mir folgen. Spüre ihre Wut und ihren Zorn in meinem Rücken. Wann hat das endlich ein Ende? Wann ist diese blöde Baustelle endlich vorbei und ich darf wieder 100 fahren?


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