Und der Nikolaus kam doch noch ...

Der kleine Junge. Er kann nicht schlafen. Er hört die ruhigen Atemzüge seiner jüngeren Geschwister, die in ihren Betten dem Nikolaustag entgegenträumen. Aber der Nikolaus wird auch heuer nicht zu ihnen kommen. Seit Vater vor zwei Jahren mit dem Motorrad verunglückt ist, gibt es keine Geschenke mehr. Die Mutter versucht, mit ein bisschen Heimarbeit Geld aufzutreiben. Es fehlt an allen Enden und Ecken ...
Und da ist dieser wunderschöne rote Apfel. Michel, so heisst der kleine Junge, hat ihn gut versteckt. Aber der Duft steigt ihm doch in die Nase. Dieser rote Apfel ist ein Geschenk für die Mutter. Vielleicht kann er ein Lächeln ihn ihr trauriges Gesicht zaubern.
Und der rote Apfel duftet. Und Michel hat ein schlechtes Gewissen. Denn es muss ihn der Krampus geritten haben: er hat den Apfel aus der Steige vor dem kleinen Obstgeschäft geklaut. Und Michel überlegt: der Obsthändler ist sicher auch kein reicher Mann. Aber kann denn etwas, das mit guter Absicht getan wird, wirklich schlecht sein? Michel denkt hin und her und er denkt ein bisschen auf Umwegen um die Antwort herum, die er längst weiss: eine gute Absicht kann die böse Tat nicht rechtfertigen. Und die Mutter wird keine Freude haben an einem roten Apfel, der gestohlen ist. Und der Vater, der jetzt im Himmel ist, wird enttäuscht von seinem Sohn sein ...
Am Nikolaustag, gleich nach der Schule, bringt Michel den Apfel zurück. Doch plötzlich, als er den Apfel ganz unauffällig in die Steige zurücklegen möchte, baut sich der Obsthändler drohend vor ihm auf. Michel hat Angst, aber er weiss von seinem Vater, dass man dazu stehen muss, wenn man etwas angestellt hat. Der Obsthändler, der Herr Stronegger, ist kein böser Mann. Und er ist ja auch einiges gewöhnt. Aber dass ein kleiner Junge einen schönen roten Apfel heimlich in die Steige legt, ist ihm noch nicht vorgekommen. Eher doch das Gegenteil.
Michel erzählt Herrn Stronegger alles und bittet – nein, er heult nicht,- na ja ein kleines bisschen – um Verzeihung. Soso, sagt Herr Stronegger, und schüttelt nachdenklich den Kopf, ich weiss ja, wo ihr wohnt. Bitte nichts der Mutter sagen, bettelt Michel. Hm, murmelt der Herr Stronegger, geh jetzt nach Hause...
Die kleinen Geschwister toben herum. Michel ist ziemlich still und bedrückt. Vielleicht kommt der Nikolaus ja nächstes Jahr, versucht er die Kleinen zu trösten.
Es ist ist schon dunkel draussen. Heute werde ich vielleicht besser schlafen, denkt Michel, weil ich doch jetzt ein gutes Gewissen habe. Es klingelt an der Wohnungstür. Die Mutter macht auf. „Aber, Herr Stro ...“ stammelt sie. Doch der Nikolaus lächelt milde: „Auch die Erwachsenen müssen lernen zu begreifen, dass nicht alles wahr ist, was sie sehen. Manchmal nämlich ist das, was sie glauben können, wahrer.“
Und der Nikolaus schreitet erhaben in das Wohnzimmer. Er stellt einen großen Obstkorb auf den Tisch. Und für die Kinder gibt es ausserdem Schokolade und sogar Spielsachen. „Ich weiss, “ sagt der Nikolaus, „dass ihr alle sehr brav gewesen seid. Und dass ihr eurer Mutter helft so gut es geht. “
Die Freude ist unvorstellbar groß. Die Mutter wischt sich heimlich ein paar Tränen aus den Augen. Und würdig schreitet der Nikolaus von dannen. Im Hinausgehen – keiner sonst kann es sehen – drückt er Michel einen wunderschönen duftenden roten Apfel in die Hand...
Und der Nikolaus kam doch noch ...

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